Beschreibung
Das ist Teil 1.
Der zweite Teil folgt in ein paar Tagen...
1
Rache
Tim stand alleine in der Ecke des Schulhofes, wie jeden Tag. Kauend beobachtete er sieben oder acht seiner Mitschüler, wie sie zusammen standen, rauchten, derbe Witze über die Lehrer machten und Pläne für den Nachmittag schmiedeten. Sie waren die Chefs der Schule, die Könige, die sich alles erlauben konnten. Niemand würde sie je aufhalten können. Wenn ein mutiger Lehrer die Bande auf die Zigaretten oder Joints ansprach, würde er wüst beschimpft. Von den vernünftigen Schülern war niemand in der Lage, sich gegen diese Leute zu wehren. Sollte es je ein Schüler versuchen, würde er dies schwer bereuen. Die meisten trauten sich nicht einmal, sie anzusehen.
Einer der Bande sah zufällig in Tims Richtung. Es war Ali, der einzige Türke in dieser Gruppe. Tim sah schnell weg.
Hoffentlich fühlt er sich jetzt nicht provoziert, dachte Tim.
Sein Magen fühlte sich schwerelos an und seine Nackenhaare stellten sich vor Angst auf. Schnell biss er erneut in sein Pausenbrot, obwohl ihm der Appetit gründlich vergangen war. Tim beschloss, die Schulhofecke zu wechseln, um aus dem Blickfeld der Bande zu verschwinden. Er stand sowieso schon zu Nahe bei ihnen. Sollten sie auf die Idee kommen, jemanden zu verprügeln, fiel als erstes der Blick auf Tim.
Er nahm sein Brot, wickelte es in die Folie ein und warf es in die Mülltonne. Als er sich umdrehte, stand Ali mit seinem besten Freund Mark vor ihm. Tim hatte sie nicht kommen hören. Sein Darm schien sich auf der Stelle entleeren zu wollen. Nur mit Mühe konnte er verhindern, sich vor Schreck in die Hose zu machen. Mark grinste schief und hielt ihm einen halbgerauchten Joint hin.
»Na los, zieh mal daran, du Weichei!«
»Danke, aber ... aber i-ich rauche ... n-nicht«, stotterte Tim.
»Du Arschloch!« zischte Ali. »Das war keine Bitte! Du sollst ziehen. Sofort!«
Tim wurde immer kleiner. Seine Haut im Gesicht prickelte vor Angst. Mit den Augen suchte er den Schulhof ab, in der Hoffnung, einen Lehrer zu erspähen. Einen Lehrer, der den Mumm besaß, ihm in seiner Lage zu helfen. Doch da war niemand. Keine Lehrer, keine Mitschüler, die ihm helfen wollten. Lediglich die restlichen Leute der brutalen Bande waren in der Nähe und schienen sich prächtig zu amüsieren.
Marks Kopf schoss hervor und knallte Tim unter das Auge. Ein pochender Schmerz verbreitete sich in seinem Gesicht. Er war den Tränen nahe.
»Ich habe gesagt, du sollst mal daran ziehen«, sagte Ali in einem drohenden Ton.
Zitternd nahm Tim den Joint zwischen Zeigefinger und Daumen, als wäre er radioaktiv verseucht. Die beiden Schläger sahen ihn gespannt an. Tim wusste, dass er nochmals geschlagen werden würde, sollte er nicht an der Haschischzigarette ziehen.
»Bitte lasst mich d-doch in Ruhe«, stammelte er weinerlich. »Ich ha-habe doch niemandem ... etwas getan.«
Mark schaute Ali kurz an, nahm Tim dann seelenruhig den Joint wieder ab und drehte sich um. Tim wollte vor Erleichterung ausatmen, als Ali ausholte, und ihm mit voller Wucht auf die Nase schlug.
Tim tanzten hunderte von Sternen vor den Augen, seine Ohren nahmen sämtliche Schulhofgeräusche nur noch dumpf wahr. Er bemerkte noch, wie er mit dem Hinterkopf hart auf dem Boden aufschlug. Dann wurde es still.