Biografien & Erinnerungen
Stadtkind - Kindheitserinnerungen Teil 4

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"Stadtkind - Kindheitserinnerungen Teil 4"
Veröffentlicht am 19. April 2010, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Stadtkind - Kindheitserinnerungen Teil 4

Stadtkind - Kindheitserinnerungen Teil 4

Beschreibung

Ich blicke zurück auf eine zauberhafte Kindheit, so behütet und so unbeschwert. Die vielen kleinen Ereignisse hatten damals für mich enorme Bedeutung und formten mich schließlich zu dem Menschen, der ich heute bin. Begleiten Sie mich auf eine Zeitreise in die 1960er Jahre und verfolgen Sie in den jeweiligen Fortsetzungen die Entwicklung des Stadtkindes.

 

 


Es muß im gleichen Jahr gewesen sein, als mir der Nikolaus eine besondere Überraschung bescherte. Am 5. Dezember hatte ich mal wieder nichts Besseres zu tun, als unbedingt meinen Kopf durchsetzen zu wollen. Es ist aber auch schlimm, wenn einem genau das verboten wird, was einem die meiste Freude bereitet. Ich kann mich nicht mehr genau an den Grund des Ärgernisses erinnern, jedenfalls gab es Anlaß zu ernsthaften Ermahnungen. Die müssen aber nicht gefruchtet haben, denn meine Eltern hielten es für angebracht, mich beim Nikolaus zu verpetzen. Sollte der sich doch eine angemessene Strafe einfallen lassen!

 

 

Sauber und ordentlich stellte ich also am Abend meine Stiefel direkt vor den Eingang, damit sie auch wirklich nicht übersehen werden konnten. Mutti und Vati beobachteten mich am nächsten Morgen aufmerksam, als ich voller freudiger Erwartung mein Schuhwerk begutachtete. Ich fand weder Süßigkeiten, noch Nüsse, auch keine Äpfel oder Apfelsinen. Aber das, was drinsteckte, war auch nicht schlecht. Eine tolle Idee vom Nikolaus, praktisch und originell.

“Mutti, Mutti, der Nikolaus hat mir Kartoffelchen gebracht!”

Nein, keine Marzipankartoffeln! Meine Stiefel waren bis zum Rand mit ganz normalen Erdäpfeln gefüllt, die ich nun stolz und glücklich meinen erstaunten Eltern präsentierte. Heute kann ich nicht mehr sagen, weshalb ich mich tatsächlich darüber freute. Der Grund dafür war wohl einfach nur die Tatsache, daß mich der Nikolaus nicht vergessen hatte. Jedenfalls war meine Bestrafung gründlich mißlungen. Ich bekam die Süßigkeiten nachgereicht und meine Eltern hatten nicht mich, sondern sich selbst erzogen.

 

 

Apropos Süßigkeiten; welches Kind mag sie nicht? Ich war da nicht besonders wählerisch, nur Vollmilchbonbons liebte ich nicht so sehr. Aber gerade die gab es in einer runden Pappdose mit der Abbildung eines hübschen, blauäugigen Jungen mit unnatürlich roten Lippen und blonden Locken. Ich liebte diesen Bengel und so bekniete ich meine Mutter, mir die Bonbons zu kaufen, um mich am Bild dieses Pappschachteladonis zu ergötzen. Ihm zuliebe aß ich dann auch einige dieser widerlich süßen Bonbons, aber eigentlich hätte es die Verpackung ruhig auch ohne Inhalt geben dürfen.

Mit meiner Vorliebe für Lockenköpfe brachte ich meine Mutter mehrmals in arge Verlegenheit. So begegnete uns auf einem Spaziergang einmal ein junger Mann, der meinem damaligen Schönheitsideal in jeder Beziehung entsprach. Das mußte ich natürlich gleich lauthals verkünden. Als wir etwa auf gleicher Höhe waren, verschlug es meiner Mutter die Sprache, denn alle Passanten in der näheren Umgebung konnten meine entzückte Feststellung hören.

“Mutti, guck mal! Der Onkel hat aber schöne Locken!”


 

 

 

 

Der “hübsche Onkel” grinste und meine Mutter zog mich energisch und mit hochrotem Kopf weiter. Ich verstand ihr Verhalten nicht recht. Daß man über häßliche Menschen nicht lästert, wußte ich ja, aber warum durfte man keine Komplimente machen, wenn jemand mit so wundervoller Schönheit gesegnet ist? 

Von nun an teilte ich meiner Mutter immer heimlich mit, wenn mir jemand namentlich gut gefiel. Dabei vergaß ich auch nie zu erwähnen, daß ich besonders attraktive Lockenköpfe später heiraten werde. Meine Mutter nickte dann ernsthaft und ich fühlte mich bei diesen “Von-Frau-zu-Frau-Gesprächen” verstanden.

Damals teilte ich die Menschen - unabhänging von ihrem Geschlecht - in 2 Gruppen ein: die Netten und die Doofen. Nett waren alle männlichen Lockenköpfe und die Leute, die nicht gleich Theater machten, wenn ich ihnen zur Begrüßung die linke Hand gab. Bis zu meiner Einschulung war ich Linkshänder, mußte mich aber in der 1. Klasse umgewöhnen, was mir sehr schwerfiel. Die “doofen” Leute verlangten von mir immer die “schöne” Hand. Ich fand meine linke Hand genauso schön, aber das wollten die nicht akzeptieren. Nach der Diskussion über die Schönheit meiner 

 

 

 

 

 

Hände, folgte dann in der Regel der in meinen Augen heuchlerische, unsinnige Verlegenheitssatz:

“Bist du aber groß geworden!”

Ich haßte diese Floskel, lächelte treuherzig und dachte mir: Die sind doof!

***

Fortsetzung folgt. 

 

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Gast Ich hätte... - gern mal das Gesicht Deiner Eltern gesehen, als sie mitbekamen, daß Du Dich wirklich über die Kartoffeln gefreut hast. ;-)

Toll wie immer!
Vor langer Zeit - Antworten
Mysteria Re: Re: Re: Da hast du mich eben in meine Kndheit geführt. - Nein, also man kann es wirklich nicht verstehen, wieso ausgerechnet der Papa böse werden konnte, wenn Du Dir ein Mohrenbrüderchen gewünscht hast.....*lach*

Aber Liebesbriefe der Eltern..... Meinst Du, das wäre in ihrem Sinne? Sowas ist doch wirklich sehr privat und intim. Wären es Deine eigenen Brief, läge es in Deiner Verantwortung. So aber sind es zwei andere Menschen, die sich da ganz vertraut ausgetauscht haben. Ob es ihnen recht wäre, wenn das jetzt viele fremde Menschen lesen? Ein sehr sensibles Thema!
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster Re: Re: Da hast du mich eben in meine Kndheit geführt. -
Zitat: (Original von Mysteria am 19.04.2010 - 10:23 Uhr) Hallo Ute,

nun, ich befürchte, Deine Mutter war nicht so wahnsinnig begeistert von der Idee, Dir einen Sarottibrüderchen zu "organisieren". :-) Mein blonder Jüngling hieß übrigens "Henry" .... bzw. die Bonbos von ihm. Da ich ja im Osten aufgewachsen bin, habe ich den Sarottimohr erst später kennengelernt. Aber wer weiß, was gewesen wäre, wenn......
Ich hoffe, Du hast im Laufe der Zeit Dein Brüderchen doch noch liebgewonnen. Wenigstens hattest Du ja eins. Ich habe leider keine Geschwister. Zu dem Thema kommt aber später noch etwas in diesen Kindheitserinnerungen.

Viele liebe Grüße sendet

Ilona




Na zuerst war das Brüderchen eine Enttäuschung, weil ja so frische Brüderchen nun wirklich zu nichts zu gebrauchen sind ;-)
Der einzige der immer böse wurde, weil ich einen Sarottimohren haben wollte war mein Papa, was ich natürlich überhaupt nicht verstanden habe.

Dir muss ich danke sagen, weil ich mich durch deine Geschichte endlich an die Liebesbriefe meiner Eltern gewagt habe. Mal sehen was daraus wird. Kindheitserinnerungen und die Liebe meiner Eltern. Leider kann ich einen Teil des Textes nicht mehr lesen und zum anderen fehlen mir jede Menge Briefe, die mir vorenthalten werden. Schade, andererseits, denke ich, das Buch würde mit allen Briefen viel zu dick werden.

Ganz liebe Grüße und ein herzliches Dankeschön,

liebe Grüße Ute
Vor langer Zeit - Antworten
Mysteria Re: Da hast du mich eben in meine Kndheit geführt. - Hallo Ute,

nun, ich befürchte, Deine Mutter war nicht so wahnsinnig begeistert von der Idee, Dir einen Sarottibrüderchen zu "organisieren". :-) Mein blonder Jüngling hieß übrigens "Henry" .... bzw. die Bonbos von ihm. Da ich ja im Osten aufgewachsen bin, habe ich den Sarottimohr erst später kennengelernt. Aber wer weiß, was gewesen wäre, wenn......
Ich hoffe, Du hast im Laufe der Zeit Dein Brüderchen doch noch liebgewonnen. Wenigstens hattest Du ja eins. Ich habe leider keine Geschwister. Zu dem Thema kommt aber später noch etwas in diesen Kindheitserinnerungen.

Viele liebe Grüße sendet

Ilona


Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster Da hast du mich eben in meine Kndheit geführt. - Ich sitze hier und schmuzel über das ganze Gesicht, denn ich war nicht begeistert von blonden Jünglingen, sondern von kleinen schwarzen und grauslockigen Kindern. Mein allergrößter Wunsch war, genau so ein Brüderchen zu bekommen. Der kleine Sarottimohr war mein bsoluter Favorit und ich habe meine Mutter mit diesem Wunsch oft in arge Bedrängnis gebracht. Als dann mein ersehntes Brüderchen kam na da war es grauslig rot und kein bisschen schwarz. Enttäuschung pur.

Ganz liebe Grüße Ute
Vor langer Zeit - Antworten
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