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Voller Tatendrang zog Laura ihre Freundin Annika hinter sich her.
»Na los! Du könntest mal einen Zahn zulegen«
»Meine Güte«, sagte Annika genervt. »Du wirst sie noch früh genug sehen.«
Doch Laura ließ nicht locker und hakte sich bei Annika ein, um sie ihrem Tempo anzupassen.
»Mensch, renn doch nicht so. Man könnte meinen, Brad Pitt würde auf uns warten!«
Annika stolperte neben ihrer Freundin her und fiel fast hin, als die beiden die Straße überquerten. Laura unterdessen strahlte über das ganze Gesicht. Sie hatte bei einem Gewinnspiel in der Bravo gewonnen und nutzte jetzt die einzigartige Gelegenheit, zusammen mit einer Freundin den Gesangsproben von Sarah Connor zu lauschen. Und das auch noch in ihrer Stadt.
»Die Aufnahme fängt in einer halben Stunde an«, rechtfertigte sich Laura. »Oder möchtest du die ersten zehn Minuten verpassen?«
Annika gab ihrer Busenfreundin keine Antwort, sondern verdrehte missmutig die Augen. Natürlich war es ein Attraktion, einem Star wie Sarah Connor bei den Proben zuhören zu können, doch war es für sie kein »Must have«. Sich dafür ein Bein auszureißen und ohne Rücksicht auf Verluste quer durch die Stadt zu hetzen, kam für sie nicht infrage.
»Du bist besessen!« stichelte sie und schaute Laura neckisch in die Augen.
»Ich bin nicht besessen, du blöde Kuh! Ich will mir nur Sarah Connor anhören.«
»Na und? So gut, wie sie immer gemacht wird, ist sie gar nicht.«
Laura schnaufte cholerisch und warf Annika bitterböse Blicke zu.
»Sie ist die beste, Annika. Und das weißt du auch. Außerdem ist sie wahnsinnig hübsch. Also hör auf, über mein Idol zu lästern!«
Annika stieß ein lautes Lachen aus.
»Hübsch? Sag mir nochmal, Sarah wäre hübsch.«
»Was soll das Annika? Natürlich ist sie hübsch. Was meinst du denn?«
Annika grinste. Es bereitete ihr höllischen Spaß, ihre Freundin im Bezug auf deren Vorbilder zu piesacken.
»Sie hat Lippen wie ein Schlauchboot.«
Das saß. Mit einem kräftigen Ruck zog Laura ihren eingehakten Arm weg und stapfte beleidigt weiter.
»Das nehme ich dir echt krumm, Annika! Du musst schließlich nicht mit mir dorthin gehen. Das kann ich auch alleine.« Annika schloss zu ihrer Freundin auf und legte ihr feixend ihren Arm um die Schulter.
»Ich wollte dich nicht beleidigen. Tut mir Leid.«
Laura sagte dazu nichts, riss sich aber nicht nochmal weg. Ihr Gesichtsausdruck verriet ihr aber, dass sie Annika wieder verziehen hatte. Zu sehr freute sie sich auf die bevorstehende Begegnung. Sie überquerten einen großen Parkplatz, der zu der Kongresshalle gehörte, in der Sarah Connor proben wollte.
»Laura?«
»Ja?«
»Zu den Lippen von Sarah Connor wollte ich noch was sagen ...«
Endlich blieb Laura stehen und drehte sich zur Seite. Mit lässigem Blick und hochgezogenen Augenbrauen sah sie Annika an.
»Und was?«, fragte sie gleichgültig. Annika lächelte breit.
»Naja, als ich das letzte Mal solche Lippen sah, hing ein Angelhaken daran ...«
Mit voller Wucht boxte Laura ihr auf den Oberarm und verzog das Gesicht zu einer Leidensmiene. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Annika so auf ihre Gefühle herumtrampeln würde.
»Leck mich doch am Arsch, du Schlampe!« keifte sie .»Und komm ja nicht auf die Idee, mir zu folgen!«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und marschierte mit erhobenem Kopf weiter.
Annika blieb stehen. Sie wollte auf diese Weise Laura von ihrer Wolke Sieben herunter holen.
Als siebzehnjährige braucht man sich doch nicht mehr so aufzuführen, wenn prominenter Besuch in der Stadt gastiert, dachte sie wusste nicht, ob sie sich hätte anders verhalten sollen.
Fünf Minuten später stand Laura vor ihr und verzog amüsiert das Gesicht.
»Hör mal, Laura«, meinte Annika. »Der Grund, warum ich dich so ... fies behandelt habe, ist folgender...«
»Der wievielte ist heute?« schnitt ihr Laura den Satz ab.
»Ähm ... der vierzehnte. Warum?« Annika konnte sich denken, worauf Laura hinaus wollte.
»Sarah Connor kommt erst am 21. Also erst nächste Woche.«
Für kurze Zeit standen sie sich schweigend gegenüber, dann brachen sie in schallendes Gelächter aus.