Kurzgeschichte
Die Welt aus Zuckerwatte

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"Die Welt aus Zuckerwatte"
Veröffentlicht am 11. April 2010, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Es tut mir leid, dass ich \\\"Restrisiko\\\" löschen musste, aber es ist jetzt in einer Kurzgeschichtensammlung namens \"Das Unfassbare\" vom ipm-verlag veröffentlicht worden. Wer Interesse hat, kann sich bei mir melden. Unter www.bookrix.de/-schneeflocke kann "Restrisiko" nach wir vor noch lesen. LG Flocke
Die Welt aus Zuckerwatte

Die Welt aus Zuckerwatte

Dunkelheit umgibt mich wie eine schwere, wollene Decke, doch es ist kein angenehmes Gefühl. Ich fühle mich nicht beschützt und sicher, wie damals, als ich noch klein war und mich vor den Albträumen und Schreckgespinsten der Nacht unter die warme Bettdecke flüchtete. Ich bin nicht in Sicherheit, und ich fühle mich nicht beschützt. Ich fühle mich eingeengt, erdrückt, bedrängt. Und allein. So allein.

Doch die Einsamkeit ist ein Gefühl, dass ich nur zu gut kenne, es begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Denn obwohl ich nie wirklich alleine bin, weder bei der Arbeit noch in dem Kreis von Familienangehörigen und Freunden, den ich sorgsam errichtet habe und aufrecht erhalte, so bin ich doch einsam. Einsam, weil die Freunde keine wirklichen Freunde sind, sondern Bekanntschaften, oberflächlich und nur dazu da, meine sich zäh ausdehnende Freizeit zu füllen und die Illusion zu bedienen, dass es mir gut geht, dass ich beliebt bin, dass ich es wert bin, Freunde zu haben. Eine Illusion, die ich gelernt habe, aufrecht zu erhalten, um den ständigen Fragen zu begegnen, nur eine Illusion, denn in Wahrheit gibt es so etwas wie wahre Freundschaft heutzutage kaum mehr, und ich bin es müde geworden, danach zu suchen, es ist zu viel verschwendete Zeit, zu viel verschwendete Energie.

Alles ist nur Schein, alles ist nur Illusion, und über der Illusion habe ich fast vergessen, wo mein scheinbares Ich aufhört und mein wahres Ich anfängt. Manchmal bin ich mir selbst nicht mehr sicher, ob unter den unzähligen Schichten aus aufgesetzter Fröhlichkeit und vorgetäuschter Zufriedenheit tatsächlich noch ein Kern steckt, der das winzige Bisschen Persönlichkeit beinhaltet, der noch von mir übrig geblieben ist. Dieses unsichere, verlorene Etwas, das sich nach Zuwendung sehnt, nach Verständnis und Geborgenheit.

So sehr sehne ich mich danach, nur einen einzigen Menschen zu haben, der mich kennt, wie ich wirklich bin, und der mich mit all meinen Fehlern und Macken akzeptiert. Der sich nicht von der Illusion täuschen lässt, der mich durchschaut. Wie wir alle sehne ich mich nach einem Retter, nach einem Ritter in glänzender Rüstung, doch leider sind die Ritter heutzutage so sehr mit ihrer glänzenden Rüstung beschäftigt, dass sie die Jungfrau in Nöten meist übersehen, und die Jungfrauen sind so sehr davon eingenommen, so zu tun, als seien sie vollauf mit ihrem Leben zufrieden und keineswegs in Gefahr, vom Drachen des scheinbaren Glücks verschlungen zu werden, dass sie oft gar nicht mehr wahrgenommen werden. Die Zeit der Märchen und Sagen ist unweigerlich zu Ende gegangen, sie sind überholt, eingeholt vom Schatten der Emanzipation der Frau, und vom allgegenwärtigen Schein des Seins.

Wir leben in einer Welt aus Zuckerwatte, die wir selbst errichtet haben und die wir mit aller Macht aufrecht erhalten wollen, selbst wenn wir daran langsam aber sicher zugrunde gehen. Der Mensch ist einfach nicht für absolutes Glück geschaffen.

Und was wäre es auch für eine Welt, in der kein Schatten existierte – wie sollten wir das Glück erkennen, wenn wir keinen Schmerz kennen. Ohne Schatten gibt es kein Licht, und indem wir versuchen, den Schatten auszublenden, ihn wegzuillusionieren, blenden wir zugleich auch das Licht aus und schaffen etwas, das beides ist und doch keines von beidem, eine Welt, in der nichts von Bedeutung ist, in der es keine Nähe mehr gibt, sondern nur noch eben jene Einsamkeit, die zu meinem Besten Freund geworden ist. Denn die Einsamkeit ist verlässlich, sie ist immer da, und sie lässt sich nicht täuschen. Sie ist ehrlich, und sie schmerzt, doch dieser Schmerz erscheint mir manchmal als das einzige Gefühl, das wirklich zu mir durchdringt.

Durch die Decke, unter der ich mich schon Zeit meines Lebens verstecke, aus Angst, nicht liebenswert, nicht perfekt genug zu sein, aus Angst, enttäuscht zu werden, aus Angst, nicht der Norm zu entsprechen, dringt nur die Einsamkeit. Mit kalten, klammen Fingern ergreift sie Besitz von meinem toten Herzen.

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schneeflocke
Es tut mir leid, dass ich \\\"Restrisiko\\\" löschen musste, aber es ist jetzt in einer Kurzgeschichtensammlung namens \"Das Unfassbare\" vom ipm-verlag veröffentlicht worden.
Wer Interesse hat, kann sich bei mir melden.
Unter www.bookrix.de/-schneeflocke kann "Restrisiko" nach wir vor noch lesen.
LG Flocke

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schneeflocke Re: -
Zitat: (Original von ZMistress am 15.04.2010 - 14:29 Uhr) Das Gefühl der Einsamkeit in einer oberflächlichen Welt, kenne ich gut - wenn es mich auch nur manchmal befällt.
Du beschreibst dieses Gefühl jedenfalls sehr gut, gerade der Vergleich mit Zuckerwatte gefällt mir. Dass wir alle auch nicht unschuldig ist, dass sich die Welt in dieser Lage befindet sehe ich auch so, allerdings ist der Schritt von der Einsicht zum Handeln meist das schwierigste, gerade wenn man dafür gegen den Strom schwimmen muss.

Was ich allerdings nicht so sehe ist die Aussage, dass der Mensch einfach nicht für absolutes Glück geschaffen sei und wir ohne Schmerz kein Glück erkennen würden. Ich denke, dass man vielleicht durch die Schattenseiten des Lebens den Kontrast zum Glück etwas deutlicher sieht, aber das Glück auch ohne das Schlechte genießen und als etwas gutes erkennen kann. Ich muss mir nur meinen kleinen Sohn ansehen: Er hat noch kein schlimmes Leid erfahren und doch ist er überglücklich wenn er im Garten herumtollt oder mit anderen spielt. Er hat zu mir und seinem Vater absolutes Vertrauen ohne zu wissen, dass es überhaupt möglich ist, dass jemand so ein Vertrauen missbrauchen könnte. Gerade dadurch, dass er noch nichts Schlimmes mitmachen musste, ist sein Glück und sein Vertrauen eher noch größer.

Das waren so weit mal meine Gedanken dazu. Du siehst, die Geschichte hat mich schon sehr nachdenklich gemacht und das spricht doch sehr für sie. Vielen Dank fürs Reinstellen.

Und nebenbei: Was macht eigentlich Mondstrahlen?


Hallo Steffi!

Vielen Dank für den Kommentar! Freut mich, dass ich dich zum Nachdenken anregen konnte!
Das hast du übrigens auch - mich zum Nachdenken angeregt. So habe ich das noch nie betrachtet, aber irgendwie hast du recht - vielleicht ist man gerade dann am Glücklichsten, wenn man noch nicht weiß, was Schmerz und Unglück ist. So habe ich das bisher nie betrachtet, aber ...hm...wow...da muss ich nochmal drüber nachdenken.

Das mag ich immer so an deinen Kommentaren - sie bringen mich immer zum Grübeln, und meistens kommt dann dabei noch etwas äußerst Produktives raus. Also vielen Dank, wieder einmal.

Ähm, zu Mondstrahlen - ich arbeite dran. Ich schreib jetzt schon wahnsinnig lange am nächsten Kapitel, aber zum Einen hab ich grad wirklich wenig Zeit, und zum Anderen hänge ich grad ein wenig - irgendwas fehlt noch, die eine Szene gefällt mir noch nicht. Ich bemüh mich, ich möchte schließlich auch wissen, wie es weitergeht.

Liebe Grüße,
Tina
Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Re: Langsam -
Zitat: (Original von Robin am 12.04.2010 - 14:43 Uhr) wird mir das unheimlich liebe Tina. Ich lese deine Geschichten, ja verschlinge sie geradezu, und es kommt mir jedesmal so vor, als würdest du mir aus der Seele sprechen. Als hättest du dich in meinen Kopf geschlichen und das in Worte verpackt, so gekonnt, ein Bild von einer Welt geschaffen, wie ich sie sehe und wie ich sie doch niemals hätte beschreiben können. Wow, ich hab gerade eine Gänsehaut bekommen.
Ich muss Luzifer voll und ganz zustimmen. Das war fantastisch. Eines deiner besten Werke muss ich sagen und das Bildnis mit der Zuckerwatte, das Märchen, einfach alles passt perfekt! Ich bin so begeistert, dass ich es am liebsten jeden lesen lassen würde, damit auch alle so begeistert sind wie ich!

Ganz liebe Grüße
Lisa


Hallo Lisa!

Das freut mich wirklich, dass du meine Geschichten liest, obwohl ich so lange nicht in deine reingesehen habe. Das werde ich auf jeden Fall noch tun, versprochen!

Und wieder einmal vielen Dank für deine lieben Worte! Da weiß ich ja gar nicht, was ich dir darauf antworten soll - Danke trifft es nicht einmal im Ansatz!
Es freut mich so sehr, zu wissen, dass meine Geschichten gelesen werden und dass ich damit andere Menschen berühren und bewegen kann.
Und ich habe auch zunehmend das Gefühl, dass wir sehr ähnliche Ansichten haben und die Welt um uns herum ähnlich wahrnehmen. So wie dir hier ging es mir bei deiner Geschichte "stummer Schrei" - als hättest du meine Gedanken in Worte gefasst.
Schön, das du verstehst, was ich mit "Die Welt aus Zuckerwatte" sagen wollte.

Ganz liebe Grüße,
Tina
Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Re: Fantastisch. -
Zitat: (Original von Luzifer am 12.04.2010 - 13:37 Uhr) Der Vergleich mit den Märchen war ja schon berauschend, aber dann noch die Weiterführung zur Zuckerwatte, war eine intensive Bilderflut.
Die Gefühlswelt hast du jedenfalls sehr gut beschrieben. Zu Anfang hatte es mich an einen tollen Text erinnert, wo es um Masken geht, aber dieses hat dann einen anderen Pfad eingeschlagen.
Viele werden es vielleicht leugnen, aber in unserer Gesellschaft verhält es sich tatsächlich nicht anders und die Mehrheit aller Menschen lebt mehr zum Schein, als zum Sein.
Andere dagegen sind kreativ geworden und nutzen diese Einsamkeit für andere Dinge, doch das ist eine andere Story =)
Liebe Grüße
Luzifer


Hallo Luzifer!

Entschuldigung für die verspätete Antwort, ich bin grad öfter auf Tauschstation - der Alltag nimmt im Moment einfach zu viel Zeit in Anspruch, und ich komm zu selten an den Computer...

Vielen Dank für das Lob! Schön, dass dir meine Bilder gefallen haben - die "Bilderflut", wie du es so schön nennst, ist an diesem Abend ohne viel bewusstes Nachdenken einfach aus mir rausgeströmt.
Tja, der schöne Schein, was soll man da noch dazu sagen? Traurige Wahrheit.

Liebe Grüße,
Tina

Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Re: -
Zitat: (Original von Iriana am 12.04.2010 - 04:55 Uhr) Hallo Schneeflocke,

den "Zuckerwatte-Zustand" kenne ich sehr gut, und finde ihn treffend beschrieben. Das Paradoxon ist ja gerade - leider - dass diese Sucht nach dem Geliebt-Sein um jeden Preis, genau diese Erfahrung von Liebe unmöglich werden lässt. Irgendwann packt diese Zuckerwatte wohl jeden mal...Huh!

liebe Grüße,

Maria


Hallo Maria!
Vielen Dank für deinen Kommentar! Freut mich, dass du meine Beschreibung treffend fandest!

Liebe Grüße,
Tina
Vor langer Zeit - Antworten
ZMistress Das Gefühl der Einsamkeit in einer oberflächlichen Welt, kenne ich gut - wenn es mich auch nur manchmal befällt.
Du beschreibst dieses Gefühl jedenfalls sehr gut, gerade der Vergleich mit Zuckerwatte gefällt mir. Dass wir alle auch nicht unschuldig ist, dass sich die Welt in dieser Lage befindet sehe ich auch so, allerdings ist der Schritt von der Einsicht zum Handeln meist das schwierigste, gerade wenn man dafür gegen den Strom schwimmen muss.

Was ich allerdings nicht so sehe ist die Aussage, dass der Mensch einfach nicht für absolutes Glück geschaffen sei und wir ohne Schmerz kein Glück erkennen würden. Ich denke, dass man vielleicht durch die Schattenseiten des Lebens den Kontrast zum Glück etwas deutlicher sieht, aber das Glück auch ohne das Schlechte genießen und als etwas gutes erkennen kann. Ich muss mir nur meinen kleinen Sohn ansehen: Er hat noch kein schlimmes Leid erfahren und doch ist er überglücklich wenn er im Garten herumtollt oder mit anderen spielt. Er hat zu mir und seinem Vater absolutes Vertrauen ohne zu wissen, dass es überhaupt möglich ist, dass jemand so ein Vertrauen missbrauchen könnte. Gerade dadurch, dass er noch nichts Schlimmes mitmachen musste, ist sein Glück und sein Vertrauen eher noch größer.

Das waren so weit mal meine Gedanken dazu. Du siehst, die Geschichte hat mich schon sehr nachdenklich gemacht und das spricht doch sehr für sie. Vielen Dank fürs Reinstellen.

Und nebenbei: Was macht eigentlich Mondstrahlen?
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Langsam - wird mir das unheimlich liebe Tina. Ich lese deine Geschichten, ja verschlinge sie geradezu, und es kommt mir jedesmal so vor, als würdest du mir aus der Seele sprechen. Als hättest du dich in meinen Kopf geschlichen und das in Worte verpackt, so gekonnt, ein Bild von einer Welt geschaffen, wie ich sie sehe und wie ich sie doch niemals hätte beschreiben können. Wow, ich hab gerade eine Gänsehaut bekommen.
Ich muss Luzifer voll und ganz zustimmen. Das war fantastisch. Eines deiner besten Werke muss ich sagen und das Bildnis mit der Zuckerwatte, das Märchen, einfach alles passt perfekt! Ich bin so begeistert, dass ich es am liebsten jeden lesen lassen würde, damit auch alle so begeistert sind wie ich!

Ganz liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Fantastisch. - Der Vergleich mit den Märchen war ja schon berauschend, aber dann noch die Weiterführung zur Zuckerwatte, war eine intensive Bilderflut.
Die Gefühlswelt hast du jedenfalls sehr gut beschrieben. Zu Anfang hatte es mich an einen tollen Text erinnert, wo es um Masken geht, aber dieses hat dann einen anderen Pfad eingeschlagen.
Viele werden es vielleicht leugnen, aber in unserer Gesellschaft verhält es sich tatsächlich nicht anders und die Mehrheit aller Menschen lebt mehr zum Schein, als zum Sein.
Andere dagegen sind kreativ geworden und nutzen diese Einsamkeit für andere Dinge, doch das ist eine andere Story =)
Liebe Grüße
Luzifer
Vor langer Zeit - Antworten
Iriana Hallo Schneeflocke,

den "Zuckerwatte-Zustand" kenne ich sehr gut, und finde ihn treffend beschrieben. Das Paradoxon ist ja gerade - leider - dass diese Sucht nach dem Geliebt-Sein um jeden Preis, genau diese Erfahrung von Liebe unmöglich werden lässt. Irgendwann packt diese Zuckerwatte wohl jeden mal...Huh!

liebe Grüße,

Maria
Vor langer Zeit - Antworten
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