Es war ein kalter Novembertag gewesen, der sich ohne Eile dem Ende zuneigte. Die Sonne verschwand langsam hinter den Bäumen, die weit entfernt auf den Hügeln standen. Sie trugen schon lange kein Laub mehr, lediglich ihre knorrigen Äste streckten sie dem Himmel entgegen. Ein rotes Licht verzauberte die weiten Felder die den Steinkreis umgaben, und machte sie zu einer magischen Landschaft, von deren Mitte eine gewaltige Kraft ausging. Stonehenge war seit Jahrtausenden Anziehungspunkt für alle Arten von Menschen gewesen, eine Stätte voller geheimnisvoller Mythen, Kulte und Sagen. Bis jetzt war noch jeder in den Bann der Steine gezogen worden, fasziniert von ihrer besonderen Vergangenheit, und den unglaublichen Geschichten die sie umgaben. Errichtet in den Alten uns unbegreiflichen Zeiten, thronen sie noch heute über der Ebene von Wiltshire, errichtet auf blutigem Grund.
Groß und mächtig stehen die Felsbrocken da, durchrissen von tiefen Furchen mit Moos bewachsenen Furchen, von den letzten Sonnenstrahlen angehaucht, bis schließlich der aufkriechende Nebel sie gefangen nimmt.
Mr Fanshawe starrte einige hundert Meter entfernt ehrfurchtsvoll auf dieses unheimliche Schauspiel der Natur. Die ersten Sterne erscheinen am aufziehenden Nachthimmel.
„Wunderschön“, flüsterte er, „Gott muss die Menschen lieben um ihnen so etwas zu schenken.“
Er vergaß dabei, dass er selbst auch ein Mensch war.
Ganz vorsichtig, als hätte er sich seit Jahren nicht mehr bewegt, begann er sich den Riesen zu nähern. Zu viele Menschen waren bereits da gewesen und hatten die Magie des Ortes unter eine dicke Smogschicht verbannt, wo nur der sie finden konnte, der sie mit ganzem Herzen suchte. Mr Fanshawe hatte diese Magie schon immer gespürt, er kehrte gerne an diesen Ort zurück, mit dem er viele Erinnerungen seiner Kindheit und Jugend verband. Er gehörte zu ihm, das spürte er. Langsam, als könnten die Steine aus Angst vor ihm fliehen näherte er sich ihnen, Schritt für Schritt, Zentimeter für Zentimeter. Mittlerweile hatte sich der Nebel über die Heide verbreitet, bedeckte sie wie ein wunderschönes weißes Tuch aus Seide, sanft vom schimmernden Mondlicht der Vergangenheit beschienen. Der Himmel war wolkenlos, die Sterne erhellten ihn, sodass ein schwaches Licht auf die Erde fallen konnte.
Je näher er der Stätte kam, desto ruhiger wurden sein Atem, sein Körper und seine Seele.
Schließlich hatte er die Umzäunung erreicht, die ungewollte Besucher davon abhalten sollten einzudringen. Doch er kümmerte sich nicht darum, die Magie sorgte dafür, dass er eintreten durfte, ein von Menschenhand errichtetes Hindernis war für sie ein leichtes zu überwinden. Als er die innere Welt betrat, wo sich früher ebenfalls riesige Felsen befunden hatten, rührte sich nichts in ihm, er war vollkommen ruhig, seine Handlungsfähigkeit an den Ort übergeben. Immer näher zur Mitte trugen ihn seine Beine, beharrlich, aber ohne Hast.
Fast unbemerkt schob sich seine rechte Hand in seine Manteltasche und entzauberte ihr einen schäbigen Dolch mit einem hölzernen Griff aus Eiche. Noch kaum ein Meter bis zur Mitte der Macht, seinen Puls konnte man nur noch erahnen, sein Körper selbst ein schwacher Schatten seiner Seele.
Kurz bevor er den Mittelstein erreichte hob er den Dolch mit beiden Armen empor, und stach sich beim erreichen des Auges der Kraft mitten ins Herz, mit einem Dolch, der nun prächtiger schien als alles bisher da gewesene. Gleichzeitig hörte sein Herz auf zu schlagen und das Blut begann den Opferstein rot zu umfließen. Seine Haut schien nur noch ein sanftes Tuch, dass vom vielen Blut das es durchtränkte so schwer geworden war, dass es seinen Träger zu Boden zog und zum Tod überredete. Immer weniger konnte man von ihm sehen, sein Blut sickerte in den Boden und vermischte sich mit den jahrtausenden alten Geschichten. Ein kurzer Greller Lichtblitz war das Einzige was Mr Fanshawe der Welt von sich hinterließ. Und einen Teil einer uralten Sage, die uns Menschen die Kraft zum Leben gibt, und anderen nimmt.