Kurzgeschichte
Es ist Zeit

Ausgelassen shoppt sie gerade mit ihren Freundinnen in einer sonnenerleuchteten Ladenzeile. Sie lachen, lästeren und schmachten vorbeigehenden Kerlen hinterher. Bei dem Schuhgeschäft können sie nicht vorbei ohne mindestens zwei Paar Schuhe anzuprobieren. Es ist einfach einer dieser unbeschwerten, herrlichen Tage.
Ihr Handy klingelt. Sie nimmt es, während sie noch mit den Augen einem heißen Exemplar folgt, aus ihrer Tasche. Am Liebsten würde sie ihm sofort die Kleidung vom Leid reisen und ihn mit Kratzern der Wollust überdecken. Aber sie begnügt sich mit ihren Fantasien.
Ein kurzer Blick auf das Display und ein freudiges Strahlen ist zu sehen. Die SMS eines Freundes.
Sie gehen weiter, doch sie bleibt stehen. Ein wenig verwirrt liest sie sich die wenigen Zeilen durch. Dann nochmal. Und nochmal. Bei jeder einzelnen Wiederholung verschwindet ihr Lächeln immer mehr. Farbe weicht aus ihrem Gesicht und sie fängt zu zittern an. Tränen steigen in ihre Augen und nehmen ihren Maskara mit nach unten. Sie kann sich kaum auf den Beinen halten und bricht beinahe zusammen. Eine Freundin reagiert schnell genug und fängt sie ab.

Ihr Blick ist leer und die sorgenvollen Worte der Anderen erreichen ihre Ohren nicht. Sie starrt ungläubig und schluchzend auf das Handy und seine Botschaft. Es sind nur wenige Worte, doch jeder einzelne Buchstabe zerrt an ihrem Herzen in eine andere Richtung und versucht es zu zerreisen. 
Ihre Freundinnen bringen sie zu einer Sitzbank und versuchen sie zu trösten, fragen, was passiert ist, doch sie kann nicht antworten. Sie vergießt aufgelöst Tränen der Schmerzen. Eine nach der anderen fallen sie neben ihr Handy. Ihr Handy, dass einem Stacheldraht gleich, von ihr umklammert wird. Es schmerzt, doch sie kann es nicht loszulassen.
Eine Freundin nimmt es ihr aus der Hand und sieht die SMS. Sie ließt sie sich durch, doch versteht nicht ganz. Dann ließt sie sie nochmal, doch diesmal leise vor sich hin.
"Es ist Zeit.
 Leb Wohl.
 Und Danke."
Es war zu laut.
Sie hört die Worte und verliert den letzten Funken Selbstbeherrschung. Ihre Freundinnen versuchen alles um sie zu beruhigen, doch es bleibt nichts anderes übrig, als mit anzusehen, wie sie zitternd und weinend auf der Parkbank sitzt und den Boden mit schwarzen Tränen färbt.