Mit dem dritten Teil meines kleinen Horrorromans will ich meine Leser dafür entschädigen, dass mir der zweite Teil, wie ich finde, nicht sonderlich gut gelungen ist. Das hier behandelte Thema wird sicherlich einen recht einschneidenden Eindruck hinterlassen. *Fremdwörter werden auf der letzten Seite erläutert
Langsam und mit einer gedemütigten Körperhaltung, die Sam mittlerweile zur Perfektion beherrschte begab sie sich in Richtung ihres kleinen Waschbeckens und lies kaltes Wasser über ihre verbrannten Hände laufen. Das daraus resultierende Gefühl verschaffte ihr zwar in Körperlicher Hinsicht eine kleine Erleichterung, jedoch machte es ihr auch deutlich, wie schwach und hilflos sie war.
Nachdem Sam ihre schmerzenden Hautstellen gekühlt hatte, machte sie sich daran ihr Frühstück ein zu nehmen. Es hatte eine dickflüssige und schleimige Konsistenz. Schon vor langer Zeit hatte sie sich daran gewöhnt, jegliches Ekelgefühl zu verwerfen und einfach mit geschlossenen Augen zu essen. Zur Nahrungsaufnahme diente ihr ein alter, mittlerweile abgekauter Holzlöffel, der schon in dem kleinen Raum vorhanden war, als sie damals darin aufwachte. Allerdings war er damals noch längst nicht so stark abgenutzt gewesen wie jetzt. Nach dem sie ihr Essen mit großer Abneigung verzehrt hatte, wurde sie sehr müde, so wie sie es immer wurde, nachdem man sie gezwungen hatte ihre Medikamente ein zu nehmen.
Sams Augenlieder wurden sehr schwer und sie konnte fühlen, wie ihr vom dauerstress in die höhe getriebener Puls stetig langsamer wurde. Es überkam sie nun endlich wieder das Gefühl der Ruhe, dass sie so sehr benötigte. Doch dieses Gefühl wurde getrübt, von der Ungewissheit, was bei ihrem Erwachen auf sie warten würde. Sam hatte keine andere Wahl, als sich ihrer Müdigkeit hin zu geben. Sie stellte ihr Essensgeschirr auf den Boden neben ihrem Bett. Dann legte sie sich hin und schloss bereitwillig ihre Augen. Das wärmende Gefühl der Matratze unter ihr vertrieb einen kleinen Teil der bitteren Kälte, die in ihrem Inneren zu wüten schien. Eigentlich hätte sie sich auch gerne zu gedeckt, jedoch fehlte ihr einfach die Kraft dafür. Sie lieferte sich ihrer unnatürlichen Müdigkeit aus und entglitt in ihrem traumlosen Schlaf, ohne zu ahnen, dass sie diese Entscheidung schon sehr bald bitterlich bereuen würde.
Sam wachte immer wieder mal für einen kurzen Moment auf und glaubte helle Lichter und Menschen, die um sie herum huschten zu erkennen. Diese Menschen redeten für sie unverständliche Wörter und Sätze. Der Zwang, wieder ein zu schlafen trug sie immer wieder aufs Neue fort. Für einen kurzen Moment spürte sie ein leichtes stechen in ihrem rechten Arm, verwarf allerdings dieses Gefühl im Geiste sehr schnell wieder, als alles um sie herum dunkel zu werden schien und ihr die Augen wieder zu fielen.
Sam erwachte schließlich, als sie ein frischer Luftzug ins Gesicht traf. Das war sehr ungewöhnlich, in einem Raum, der ohne Fenster lediglich durch ein paar Schlitze an der Decke belüftet wurde. Sie versuchte langsam zu sich zu kommen und ihre Augen zu öffnen. Allerdings wollte ihr das einfach nicht gelingen. Sie konnte es sich selbst nicht erklären aber ihre Augenlieder fühlten sich an, als hätten sie ihren eigenen Willen und weigerten sich, die Sicht auf ihre Umgebung frei zu geben. Sam schob die Schuld auf die Müdigkeit, in die sie noch immer gehüllt war und entschloss sich, ihre Augen erst mal noch geschlossen zu halten. Dann erschrak Sam innerlich, als sie plötzlich eine Stimme hörte. Sie konnte nicht genau definieren, was diese sagte. Für einen kleinen Moment wollte sie in Richtung der Stimme blicken aber es gelang ihr einfach nicht. Ihr fiel auf, dass sie ihren Körper nicht mehr unter Kontrolle hatte. Sam hatte nicht den Eindruck, dass man sie fest gebunden hatte, nein sie konnte ihren Körper einfach nicht mehr bewegen.
Langsam kam sie zu Bewusstsein. Was ist hier los? So viele Jahre war sie in einem kleinen Raum eingeschlossen gewesen. Sollte es nun so weiter gehen, dass sie in ihrem eigenen Körper eingesperrt sein würde? Ihr war kalt, so kalt. Es war Sam aber nicht ein mal möglich zu zittern und schon gar nicht, sich der Kälte auf andere Weiße zu entziehen. Sie fühlte einen harten und kalten Untergrund, auf dem sie zu liegen schien. Auf ihrem Bett schien sie nicht mehr zu liegen aber wo denn dann? Eine Stimme, die anders klang als die Erste die sie gehört hatte sagte etwas. Noch immer konnte sie die Worte nicht genau verstehen. Sie wendete all ihre Konzentration auf das Gesagte und konnte hören: “... sind normal. Legen sie noch einen PVK und dann können wir los legen.”. Bevor Sam überhaupt richtig angefangen hatte, darüber nach zu denken, was diese Worte bedeuten mochten, spürte sie, wie eine Hand ihren Arm fest umgriffen hielt. Diese Hand fühlte sich seltsam an, als wäre sie von einer Art Leder oder Gummi überzogen. Unmittelbar nachdem die Hand ihren Griff noch etwas fester zu schraubte, schoss ein leichter aber stechender Schmerz durch Sams Ellenbeuge. Sie versuchte reflexartig ihren Arm weg zu ziehen aber irgendwie hatte sie keine Kraft dafür. Wieder hörte sie Stimmen. Dieses mal redeten sie aber so durcheinander, dass Sam gar nichts verstehen konnte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sehr tief atmete. Sie nahm sich vor sich erst mal zu beruhigen indem sie ihre Atmung verlangsamte und dann noch einmal mit aller Kraft zu versuchen ihre Augen zu öffnen. Doch da bemerkte sie, dass sie gar nicht selbst atmete. Es war ihr gar nicht möglich. Es fühlte sich an, als würde sie nicht die Luft ein ziehen und sie ausstoßen, sondern als würde sie ihr jemand mit Gewalt rein pumpen und wieder raus ziehen. Es löste in ihr ein Gefühl der Beklemmung aus, wie sie es noch nie zuvor kennen gelernt hatte. Sams gesamtes Denken und Fühlen drehte sich nur noch um ihre Atmung. Mit aller Kraft versuchte sie etwas Luft herein zu ziehen aber statt dessen wurde sie heraus gezogen. Sam war dieser übermenschlichen Macht ausgeliefert und sie bescherte ihr das Gefühl, dass sie jeden Moment ersticken müsste. Am liebsten hätte sie laut hals angefangen zu weinen oder zu schreien aber nicht ein mal das war ihr möglich. “Gut, dann wäre das geklärt. Geben sie mir die Punktionsnadel.” sagte eine männlich klingende, kratzige Stimme. Sam erschrak, als sie plötzlich etwas sehr kaltes am Bauch spürte. Es schien flüssig zu sein, weil es in Tropfen davon lief, ehe es mit einer Art Stoff abgetupft wurde. Langsam gelang es Sam, sich der unwillkürlichen Atmung an zu passen. Das Gefühl der Beklemmung schien langsam etwas ab zu flachen. Das kalte Gefühl, dass sie zuvor erschreckt hatte, genoss sie nun regelrecht, weil es sie von ihrer beängstigenden Situation ablenkte. Für einen kurzen Moment kam Sam die Idee, dass sie vielleicht träumen könnte. Zwar glaubte sie selbst nicht richtig daran aber es wäre ihr die liebste Erklärung gewesen. Sie spürte ein leichtes pieksen unterhalb ihres Bauchnabels, so als ob jemand mit der Spitze einer kleinen Nadel die Haut anritzte. Zuerst war dieser Schmerz sehr leicht zu ertragen. Er war nichts im Vergleich zu dem Beklemmungsgefühl, dass zwar abgeschwächt aber immer noch durchaus vorhanden war. Sam spürte, dass nun langsam Druck auf die zwar sich noch kurz anfühlende aber immer länger werdende Nadel ausgeübt wurde. Der Anfangs so schwache Schmerz verwandelte sich langsam aber stetig in einen etwas größeren Schmerz. Sam konnte spüren, wie etwas warmes aus der schmerzenden Stelle heraus zu treten schien. Was auch immer es sein mochte, es lief unaufhaltsam weiter ihren gesamten Bauch entlang. Am liebsten wäre Sam einfach aus ihrem eigenen Körper ausgestiegen, der sie nun wie ein Grab gefangen hielt. Sie hatte immer gedacht, es gäbe nichts schlimmeres, als in einem kleinen Raum eingesperrt zu sein, doch in diesem Moment hatte sie ihre meinung geändert. Das beklemmende Gefühl war nun völlig zurückgestellt. Sam flehte die immer tiefer eindringende Nadel mit ihren Gedanken an, auf zu hören. Sie beschwor sie nahezu, dass das doch tief genug sei. Doch die Nadel lies sich weder durch Sams Flehen, noch durch innere Organe aufhalten. Sie glitt langsam immer tiefer in ihren Schutzlosen Körper ein. Gerade als der Schmerz anfing, unerträglich zu werden, stoppte die Nadel abrupt.
“Warten sie mal! Wir haben hier eine anormale Erhöhung der Herzfrequenz.” sagte eine der Stimmen. Sam dankte in ihren Gedanken dieser Stimme. “Ja, das wird wohl eine Volumenausgleichsreaktion des Körpers in Folge des Blutverlustes sein. Hängen sie einfach NaCL an und wir machen weiter.” antwortete eine andere stimme. Sam konnte ihr Blut mittlerweile in all ihren Adern mit unglaublicher Geschwindigkeit pulsieren spüren. “Aber so steht das in keinem Lehrbuch!” widersprach die erste Stimme, wogegen die andere scharf antwortete: “Erzählen sie mir nichts über ihre Lehrbücher. Sie haben noch nicht meine Erfahrung und sollten sich zurückhalten. Dieses ganze Projekt werden sie in keinem Lehrbuch vorfinden mein Freund!”. Nach diesem Satz herrschte Stille in Sams Umgebung, die lediglich durch ein Rhythmisches piepen unterbrochen wurde. Langsam lies der Schmerz in ihrem Bauch etwas nach. Sie fühlte, dass jemand ihren Arm mit kalten Fingern herum bewegte. “Ok, kann weiter gehen.” verkündete eine dritte Stimme, die Sam zuvor noch nie gehört hatte. Dieses mal klang die Stimme weiblich und sie versuchte sich ein Bild des Menschen zu machen, dem sie gehören könnte. Allerdings wurde sie nach kurzer Zeit durch einen ruckartigen, stechenden Schmerz ab gelenkt, der nun tief in ihrem Körper aus brach. “Ich entnehme jetzt die Peritonialflüssigkeit, halten sie Tupfer bereit.”. Wieder lief etwas Warmes in großen Menge an Sams Bauch entlang. Dieses mal nahm sie das allerdings kaum wahr, weil ihr der stechende Schmerz keinen Freiraum zum erfassen von irgendwelchen anderen Dingen mehr lies. Zu dem so wie so schon vorhandenen, stechenden Schmerzen kam jetzt noch ein unerträgliches Brennen hinzu. Unter Sams Augenliedern sammelten sich Tränen an, die nicht heraus kommen konnten. Sam wusste gar nicht, welchen Schmerz sie als schlimmer bewerten sollte. Das Brennen breitete sich wie ein inneres Feuer über ihren gesamten Bauchraum aus. Sie hatte das Gefühl, dass sie jeden Zentimeter ihres Inneren spüren konnte. Mit einem Ruck wurde die lange Nadel wieder herausgezogen. Für einen Moment schrie Sam mit all ihrer verbliebenen Kraft in sich hinein. Wenn sie es schon nicht heraus schreien konnte, versuchte sie eben in Gedanken zu brüllen.
Der stechende schmerz war augenblicklich verschwunden und auch das Brennen lies langsam wieder etwas nach. Sam hegte nun wieder einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass sie das schlimmste überstanden haben könnte. “Gute Arbeit. Was brauchen wir sonst noch?” sagte die immer noch gereizt wirkende Stimme, die zuvor der anderen verboten hatte etwas von sich zu geben. Sam hörte etwas Papierartiges rascheln. “Ah ja, der Augeninnendruck. So Mister Nachwuchsspezialist, jetzt können sie bei einer Tonometrie zeigen, was sie drauf haben.”. Sam überkam nun ein schreckliches Unbehagen. Augen? Wessen Augen? Etwa meine Augen? Sie verspürte, wie jemand oder etwas ihr Augenlied berührte und es auf zu schieben versuchte. Endlich konnte sie etwas sehen und ihr floss eine kleine Träne über die Wange. Zu ihrer großen Verwunderung war sie nicht mehr in dem kleinen und düsteren Raum, in dem sie normalerweise gefangen war. Sie war in einem großen und hell erleuchtetem Raum, zusammen mit mindestens vier Personen. Zumindest waren diese vier gerade in ihrem Blickfeld. Ein mit Mundschutz vermummtes Gesicht sah sie mit interessierten braunen Augen an. Nun bekam das Gefühl des beobachtet seins eine ganz neue Bedeutung für Sam. Sie war daran gewöhnt, sich beobachtet zu fühlen aber nicht, ihren Beobachtern in die Augen zu sehen. Das war der erste Mensch, dem sie seit vielen Jahren in die Augen blicken durfte. Und wenn sie das richtig verstanden hatte, war er wohl auch der einzige, der ihr jemals versucht hatte, auf irgend eine Art zu helfen. “Verzeihen sie mir. Ich wollte, ich hätte sie unter anderen Umständen kennen lernen können. Aber ich führe eben nur meine Anweisungen aus.” sprach er vor sich hin, ohne eine Antwort zu erwarten. Sie konnte seinen Atem durch seine Atemmaske hindurch spüren, so nah war er ihr gekommen. Er war das einzige, dass ihr in diesem Moment etwas Wärme zukommen lies. Nun wandte sich das ihr freundlich gesinnte Gesicht ab und schien nach etwas zu suchen. Als seine Hand etwas in ihr Sichtfeld hielt, bekam Sam wieder eine böse Vorahnung. Es war ein großes undefinierbares Gerät. In Anbetracht ihrer Hilflosigkeit mag es nicht überraschen, dass sie wieder einen großen Drang verspürte, es weg zu drücken oder aus zu weichen. Wer auch immer er war, hielt jetzt das Gerät immer näher an ihr Auge und verlor den Rang eines Beschützers in Sams Gedanken. Er schien ihren Augapfel schon fast zu berühren. Sam wollte mit aller Kraft ihren Kopf weg drehen, doch es gelang ihr einfach nicht. Sie versuchte sich zu winden oder irgend etwas zu tun, um weitere Schmerzen ab zu wenden. Ihr kam der Gedanke, noch einen letzten alles entscheidenden Versuch zu wagen, sich zu wehren. Wenn er schief ginge, so nahm sie sich vor, würde sie eben alles erdulden, was mit ihr geschah, selbst wenn sie dabei sterben müsste. Mit aller Willenskraft, die ihr noch zur Verfügung stand versuchte sie dem großen Gegenstand, der unmittelbar vor ihrem Augapfel zu schweben schien aus zu weichen. Sie verspürte eine innerliche Anspannung, wie sie sie noch nie erlebt hatte. Kurz bevor das seltsame Gerät ihr Auge berührte, gelang es ihr, den Augapfel ein paar Millimeter weg zu drehen, woraufhin der Gegenstand augenblicklich stehen blieb. “Oh du meine Güte, sie ist bei Bewusstsein!”. “Nein, das kann nicht sein! Sie hat doch alles verabreicht bekommen.”. Daraufhin entbrannte eine hitzige Diskussion und ein aufgeregtes treiben um Sam, die nicht mehr die Kraft hatte, dem gesagten zu folgen. Lediglich einzelne Wörter konnte sie heraus fischen. In schon fast schreiendem Ton hörte sie noch eine Stimme sagen: “Sie Idiot, sie haben sich verrechnet! Die Analgetika und Hypnotika sind zu niedrig dosiert. Sie haben das gesamte Projekt zu Nichte gemacht!”, bevor sie vielleicht vor Erschöpfung oder auch, weil man ihr irgend etwas verabreichte das Bewusstsein wieder verlor.
PVK: Peripherer Venenkatheter (Eine Nadel wird in die Vene eingestochen. Durch diese Kanüle können Medikamente eingeflöst werden.)
Tonometrie: Augeninnendruckmessung (wird durch das Drücken gegen den Augapfel mit einem speziellem Gerät gemessen)
Peritonialflüssigkeit: Bauchfellflüssigkeit (Flüssigkeit des Bauchfells, dass zahlreiche Bauchorgane umgibt, z.B. Darm, Magen, uvm)
Analgetika und Hypnotika: Mittel, die zur Vollnarkose eingesetzt werden.
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Noch eine letzte und erschreckende Kurzinfo, laut eines Artikels auf "www.Welt.de" wachen bei 0,1% bis 0,2% aller OPs die Patienten auf ...
hanni86 Brrrrhh! - Arrrggghhepft! !! Oder so. Also ich bin richtig wählerisch und so schnell gefällt mir nichts (außer es kommen herrliche Helden und dramatische Damen vor) aber dein Stil hat schon was. Dass du nen Hintergrund in Medizin hast machts gefühlsmäßig dann noch mal ein bisschen realer. Erinnert mich irgendwie an diese Filme...wie hießen die gleich? Mit den Studenten, die in geheimer Bruderschaft oder so aneinander herumschneiden. Mit dieser einen Schauschpielerin und dem Typ, der sich den Daumen abschneidet und... Ich gebe zu, das war jetzt nicht sher hilfreich. :-) Gefällt mir jedenfalls wie du schreibst. Hanni |