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Liebe auf Zeit.
Das kleine Cafe hat eben erst geöffnet. Die Stühle stehen noch verkehrt herum auf den Tischen. Die Putzfrau wringt einen blauen Lappen über dem roten Eimer aus und pustet sich eine Locke, die unter ihrem Kopftuch hervor gerutscht ist, aus dem Gesicht. Durch die kleine Tür kommen Sonnenstrahlen in den Raum geschlichen, ganz vorsichtig, aber sehr warm. Anna nimmt sich einen Stuhl von einem, der kleinen runden Bistrotische und stellt ihn schwungvoll auf den Steinfußboden. Alte Terracottaplatten, in zartem rosa fangen die Sonne ein und wirken dadurch wie mit goldenen Sternchen durchzogen. „Kann ich denn schon einen Espresso haben“ ruft Anna in das Dunkel, aus dem nur ab und an ein Geräusch kommt. „Uno Momento“ hört sie nach einer ganze Weile, eine Stimme. Wem sie gehört, dass kann Anna nicht sehen. Sie nimmt sich die Zeitung vom Tisch und blättert gelangweilt darin, nichts interessiert sie wirklich. Warum bin ich eigentlich in dieses Cafe gegangen, ich hätte genauso gut, noch die 10 Minuten bis nach Hause gehen können, nun sitze ich hier und warte darauf, dass sich irgendjemand bequemt, mir einen Kaffee zu bringen.
Anna öffnet ihre schwarze Lackledertasche und wühlt darin, bis sie endlich den kleinen Taschenspiegel gefunden hat. Mein Gott, ich sehe schrecklich aus, erschrickt sie, als sie sich den Spiegel vor das Gesicht hält. Die Augen sind rot und die Wimperntusche ist leicht verschmiert, sie sieht genauso aus, wie sie sich fühlt. Grauenhaft, einfach grauenhaft. Die Sonne kriecht immer tiefer in das kleine Cafe. Gerade ist sie an Annas Schuhen angelangt. Regenbogenfarben blitzen die Sonnenstrahlen vor ihrer Fußspitze und wenn sie mit dem Fuß wackelt, dann bewegen sich diese bunten Ringe, als würden sie tanzen, immer und immer schneller. Es sieht so lustig aus, dass Annas Gesicht sich zu einem warmen Lächeln verzieht. Doch von einer Sekunde zur anderen ist dieses bezaubernde Lichtspiel zu Ende. Als Anna enttäuscht schaut, was die Ursache für dieses Verschwinden ist, sieht sie, dass ein Mann direkt in der Tür steht und den Türrahmen fast ausfüllt. Sonnendieb, denkt sie, er ist ein ganz gemeiner Sonnendieb.
„He Mario, was ist denn hier los, bist du überhaupt schon wach, oder schläfst du hinter deinen Weinfässern? Kundschaft! OK, wenn du mich nicht bedienen willst, das macht nichts, aber eine Dame, mein Lieber, eine Dame lässt man nicht warten“. Dann nimmt sich der Schatten, wie ihn Anna gerade getauft hat, einen der schwarzen  Holzstühle und stellt ihn direkt neben den von Anna. „Gestatten, ich darf doch, es ist Ihnen doch recht, wenn ich mich neben Sie setze?“  Also was wäre denn nun, wenn ich nein sagen würde? Was bildet sich dieser Kerl eigentlich ein, pflanzt sich frech neben mich und fragt dann, ob er darf. Ein bissel spät für eine solche Frage, ärgert sie sich, nickt aber nur beiläufig. „Sie wohnen hier?“ fragt er neugierig „ich habe sie noch nie hier gesehen“. Anna hat eigentlich keine Lust auf ein Gespräch, dafür geht es ihr einfach zu schlecht, andererseits kann dieser Mann ja nun nichts dafür, dass es ihr nicht gut geht. „Ich wohne drüben in der Rothstrasse, aber hier komme ich wirklich selten vorbei, naja um ehrlich zu sein, ich bin heute zum ersten Mal in dieser Straße und auch in diesem Cafe, wobei ich sagen muss, dass der wirklich hervorragenden Service dieses kleinen Cafehauses, sehr zu wünschen übrig lässt“. „Ja, da haben Sie wohl recht" lacht der Fremde neben ihr, "obwohl ich Mario wirklich ein bisschen in Schutz nehmen muss, sonst ist er ein ganz wunderbarer Gastgeber. Gestern Abend war sehr viel los hier und ich vermute mal, dass es sehr spät geworden ist. Wollen wir ihm das nicht nachsehen, ja und wenn ich ehrlich bin, stört es mich kein bisschen, dass er heute so langsam ist. Ich genieße es, neben Ihnen zu sitzen und mit Ihnen zu plaudern“. Also bitte, wieso denkt der Sonnendieb, wir plaudern, er redet und ich sitze hier, mehr nicht. Nein und mehr will Anna auch garantiert nicht. Männer? Nein, nie mehr und schon gar nicht so einen, der ausschaut wie aus einem italienischen Männermagazin. Macho, denkt sie, ein echter Macho.
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Fortsetzung folgt……
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