Fantasy & Horror
Nebelaugen 3 - Kapitel 3 - Aufbruch

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"Nebelaugen 3 - Kapitel 3 - Aufbruch"
Veröffentlicht am 23. März 2010, 28 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Hallo zusammen! Ich bin inzwischen 34 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern, die mich beschäftigt halten. Ich liebe fantasievolle Geschichten und träume auch oft vor mich hin.Ich bin meist recht still, aber wenn mich etwas sehr bewegt, kann ich auch meine Meinung dazu sagen.
Nebelaugen 3 - Kapitel 3 - Aufbruch

Nebelaugen 3 - Kapitel 3 - Aufbruch

Beschreibung

Fortsetzung Während Jorcan im Feindesland angekommen ist, beginnt für Ayala eine lange, gefährliche Reise. Cover: Linearts von Radiant-Suzuka (http://radiant-suzuka.deviantart.com/), Farben von mir

Aufbruch

Kapitel 3 - Aufbruch

   Das Sonnenlicht glitt zaghaft durch die silbernen Blätter und strich dem Jungen sanft übers Haar. Was mochte nur geschehen sein, dass er sich so aufführte? Er hatte schon so viel Zeit hier verbracht, aber es war so lange her, dass der Wald Zeuge von solchen Gefühlen, von solcher Traurigkeit, Wut und Enttäuschung geworden war. Schließlich waren die Gefühle, die der Junge ausstrahlte, abgeebbt zu einem dumpfen Schmerz, über den sich eine betäubende Decke des Vergessens breitete, als der Junge noch weiter in sich zusammensank und sich wie ein ungeborenes Kind auf dem Boden zusammenrollte.
   Die Lider des Jungen öffneten sich vorsichtig und silberblaue Augen blinzelten in das strahlende Licht.
   Tamaril setzte sich auf und rieb sich das Gesicht und die schmerzenden Augen, bevor er sich vorsichtig erhob und den Blick verwundert durch den Raum schweifen ließ.
   Die Fenster, durch die das Licht von draußen hereinflutete, die tanzenden Schatten der Blätter auf dem Boden, das Flüstern des Windes, der sanft durch sein Haar strich, all das hatte er nie zuvor gesehen. Hier erschien sonst alles so still, beherrscht, kontrolliert, aber auch irgendwie leblos.
   Versuchte der Wald etwa, ihn aufzuheitern? Ein schwaches Lächeln huschte über Tamarils schmale Lippen, als er nach draußen in den Wald trat und mit einer Hand über die silberweiße Borke eines Baumes strich.
   „Danke,” flüsterte er kaum hörbar.
   Dies war wirklich sein Wald, der Ort, an den er gehörte. Warum nur hatte ihn diese Geschichte so mitgenommen? Er kannte weder das Land, noch das Volk, das dort lebte, wirklich. Es mochte alles nur ein Traum, ein unwirklicher Schein sein. Es bestand gar kein Grund, die Geschichte weiter zu schreiben.
   Kaum, dass er diesen Gedanken beendet hatte, verblasste das Licht.
   Tamaril trat von dem Baum zurück und sah sich um. Das Leben, das eben noch alles durchströmt hatte, schien sich von ihm zurückzuziehen und zwischen den Bäumen zu verschwinden.
   „Wollt ihr, dass ich weiterschreibe?” fragte er laut.
   Das Echo seiner Worte strich ihm wie ein sanfter Windhauch über das Gesicht.
  „Ihr wollt es wissen, nicht wahr?” setzte Tamaril wieder an.
   Der Wald um ihn herum veränderte sich kaum wahrnehmbar, aber es reichte aus, um zu verstehen.
   Tamaril nickte sich selbst zu, als er zurück ins Innere trat. „Ja, eigentlich sollte es nicht gerade so enden.”
   Er nahm die Feder zur Hand und schrieb weiter.

*****

   Ayala öffnete die Augen und schloss sie gleich wieder. Das Licht der Sonne, das sich einen Weg durch die Wolken gebahnt hatte, brannte auf sie herab und stach ihr in die dunklen Augen.
   Sie versuchte sich mühsam aufzurichten und stellte fest, dass sie noch stehen konnte.

*****

   „JA!”
   Tamarils Hand fuhr zu seinem Mund, doch das Wort war bereits aus ihm hervorgeschlüpft. Nun gut, es freute ihn eben, dass sie noch lebte. Warum auch nicht?
   Tamaril erlaubte einem schrägen Grinsen um seine Lippen zu spielen, als er weiterschrieb.

*****

   Alles schmerzte. Ayala sah an sich herab, auf die schlammverkrustete Kleidung, wo sich Dreck und getrocknetes Blut aus der Wunde in ihrer Seite vermischten. Das Haar hing ihr ins Gesicht und klebte am Blut an ihrer Wange. Als sie versuchte es zurückzuschieben, zuckte ein erbärmlicher Schmerz durch ihren Arm. Er war offensichtlich verstaucht, wenn nicht gebrochen.
   Ayala kämpfte gegen die Tränen des Selbstmitleids. Nie hatte sich die junge Falamar so elend gefühlt. Es schien kein Wunder zu sein, dass der Shakarie sie für tot gehalten und zurückgelassen hatte, sie selbst war sich nicht völlig sicher, ob sie wirklich noch lebte. Dass ihre Wunden bei näherer Untersuchung nicht allzu tief waren und aufgehört hatten zu bluten, änderte nichts an ihrer Stimmung.
   Vielleicht waren es auch weniger die körperlichen Schäden, die sie davongetragen hatte, sondern vielmehr die völlige Hilflosigkeit, mit der sie dem gnadenlosen Shakarie gegenüber gestanden hatte.
   Der Shakarie! ...Was hatte der überhaupt hier getan? Und wo war er jetzt?
   Ayala sprang vorwärts und hätte beinahe vor Schwindel den Halt an dem schlüpfrigen Hügel verloren.
   Sie musste sofort zurück zum Dorf und Alarm schlagen. Dass ein Shakarie-Soldat sich so weit nach Süden gewagt hatte, konnte nichts Gutes bedeuten.
   So schnell es ging, machte sich die Falamar an den Abstieg, doch jeder Schritt sandte Wellen des Schmerzes durch ihre verletzte Hüfte. Schließlich, als die Sonne, die zum Zeitpunkt ihres Erwachens hoch am Himmel gestanden hatte, sich dem Horizont zuneigte, näherte sie sich dem Waldrand mit dem kleinen Dorf dahinter.
   Ayala schluckte. Es war so still! Oder kam ihr das nur so vor? Die Vögel sangen wie immer, der Wind rauschte in den Blättern und sogar einige Eichhörnchen waren in der hereinbrechenden Dämmerung unterwegs. Trotzdem lief es Ayala eiskalt über den Rücken als sie aus dem Wald hervortrat.
   Keine Stimme war zu hören. Keine Kinder spielten im Licht der untergehenden Sonne, bevor ihre Mütter sie in die Häuser riefen.
   Und dann sah sie es. Nahe eines Hauseingangs nahe des Stadtrands lag ein seltsames Bündel. In einer Lache Blut.
   Ayala schlich näher heran, unfähig den Blick von der reglosen Gestalt abzuwenden. Als sie nur noch wenige Schritte von dem toten Falamar trennten, sah sie, dass nicht einmal das Gesicht noch erkennbar war. Alles was sie noch ausmachen konnte, war, dass es eine Frau gewesen sein musste.
   Ayala ertappte sich dabei, dass sie angestrengt darüber nachdachte, wer ihrer Bekannten dies wohl sein mochte. Plötzlich durchfuhr sie endlich die Erkenntnis was geschehen war und nacktes Entsetzen verdrängte alle Neugier.
   „Jara!” Ayala fuhr auf der Stelle herum und humpelte blindlings auf das kleine Haus zu, in dem sie die letzten Monate verbrachte hatte. Sie wagte nicht nach rechts oder links zu sehen, schloss fast die Augen, als sie durch das Dorf rannte und sich wie eine Ertrinkende durch die Tür rettete.
   In einem der hinteren Räume fand die junge Falamar schließlich die Heilerin. Jara lehnte über einem zerbrochenen Schemel und schien völlig reglos.
   Ayala stürzte auf sie zu und zog sie herum. Blut lief der alten Falamar aus dem Mund, aber zu Ayalas Erleichterung öffnete sie die Augen.
   „Aya, oh mein Kleines, ich hatte schon nicht mehr zu hoffen gewagt, dass sie dich nicht finden,” flüsterte Jara matt.
   „Scht, du musst jetzt nicht sprechen. Ich bringe dich in Sicherheit und dann wird alles gut.” Ayala traten die Tränen in die Augen, als sie sah, wie Jara heftig den Kopf schüttelte, aber sie redete weiter als könne dies das Unheil abwehren. „Du wirst sehen Jara, alles wird gut. Alles wird gut...” Ihre Stimme sank zu einem Schluchzen herab.
   „Wo... wo sind die Kinder?” brachte Jara heraus.
   Ayala starrte sie verständnislos an.
   „Sie sind... hier zu mir herein geflohen. Sie wollten, dass ich sie beschütze. Oh, Kleines, ich habe versagt. Sie brauchten... sie brauchten meine Hilfe und ich habe versagt...” Jara wurde immer leiser, bis ihre Stimme kaum noch hörbar war. „Lauf weg, Aya, lauf, damit sie dich nicht finden, damit wenigstens du entkommen kannst.”
   Die alte Falamar krümmte sich zusammen und hustete qualvoll.
   Auf einmal richtete sich Jara noch einmal auf und packte Ayalas Handgelenk. „Du musst mir schwören, dass wenigstens du am Leben bleibst!”
   Ayala sah ihre Lehrerin entsetzt an. „Ich...” flüsterte sie, „...ich schwöre es dir.”
   Jara atmete wieder ruhiger und lehnte sich zurück. „Das ist gut. Lauf sofort und lauf schnell. Die Shakarie... sie sind nicht wie wir. Sie haben kein Mitleid.” Ein ersticktes Schluchzen entfuhr ihr. „Die Kinder...”
   Jara schloss die Augen und hörte auf zu atmen.

*****

   Entgegen ihres Versprechens blieb Ayala noch lange Zeit neben ihrer toten Meisterin sitzen und weinte.
   Als sie schließlich die Kraft fand, den Raum zu verlassen, war die Nacht hereingebrochen und sie wagte nicht, den kläglichen Schutz der Hütte zu verlassen.
   Dunkelheit kroch in die Stube und schloss die junge Falamar ein, aber Ayala wollte nicht riskieren ein Feuer zu machen. Sie kauerte sich in eine Ecke und letztlich sank sie für einige Stunden in einen unruhigen Schlaf.
   Als sie aus ihren verstörenden Träumen hochschrak, war es noch immer stockdunkel. Panik drohte sich in ihr auszubreiten. Was, wenn die Shakarie herausfanden, dass es noch Überlebende gab? Zumindest eine Überlebende.
   Der Gedanke, dass sie wirklich allein sein mochte, trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie wollte zurück zu Jara kriechen, bei ihr bleiben, auch sterben, alles, nur nicht allein sein. Doch dann kam ihr das Versprechen in den Sinn, dass sie der alten Frau gegeben hatte und sie klammerte sich an diese Worte. Auch wenn sie kaum die Kraft aufbringen würde, das Tal zu verlassen, sie musste es wenigstens versuchen. Das hatte sie geschworen.
   Mit diesem Gedanken kam wieder Leben in sie.
   Sie musste fort, so bald wie möglich, spätestens sobald sich das erste Licht zeigte. Hastig begann sie in der dunklen Hütte herum zu huschen und einige Vorräte zusammenzusammeln, sowie ihre Verletzungen notdürftig zu versorgen. Kaum dass sie fertig war, ihr Bündel zu schnüren, warf sie einen Blick nach draußen und bemerkte ein rosiges Schimmern am Horizont. Ohne noch länger zu zögern und ohne zurückzublicken eilte Ayala aus dem Haus.
   Dann blieb sie wieder unsicher stehen. Sollte sie nach anderen Überlebenden suchen? Sie machte einen zögernden Schritt auf das Nachbarhaus zu, doch der metallische Geruch von Blut ließ sie zurückweichen. Sie versuchte zu rufen, doch als ein leiser krächzender Laut über ihre Lippen kam, klang er in ihren Ohren so laut, dass sie sich panisch wieder in den Schatten eines Hauses flüchtete.
   Nein, sie wagte es nicht. Sie würde ihr Glück allein versuchen müssen und hoffen, dass, wer auch immer überlebt haben mochte, vielleicht sie fand oder zumindest einen sicheren Weg aus dem Tal.
   Sie selbst hatte darüber nachgedacht, zu einem der anderen Zufluchtsdörfer im Süden zu gehen, doch schließlich war sie zu dem Schluss gekommen, dass die Shakarie bestimmt die naheliegendsten Fluchtwege überwachten. Also beschloss sie den Weg nach Norden einzuschlagen und das Dorf auf dem selben Weg zu verlassen, auf dem sie gekommen war.
  Jedoch entschied sie den Umweg am Waldrand entlang in Kauf zu nehmen um das Grauen nicht noch mehr ansehen zu müssen. Doch auch hier stieß sie auf die Körper von Falamar, die vor den Angreifern in den Wald zu fliehen versucht hatten. Doch anscheinend hatten auch die Shakarie Verluste gehabt, denn zwischen den Erschlagenen entdeckte sie auch eine in eine graue Kapuze gehüllte, verkrümmt daliegende Gestalt.
   „So sind sie dann im Tod doch gleich,” flüsterte sie tonlos. Aber was mochten die Shakarie nur für ein gefühlloses Volk sein, wenn sie nicht einmal ihre Toten mitnahmen, um sie zu begraben, sondern sie einfach den Aasfressern überließen? Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke: Sie war nicht anders. Die Zeit drängte und wenn es sie auch noch so schmerzte hätte Jara bestimmt nicht gewollt, dass sie ihr Leben für ihr Begräbnis aufs Spiel setzte.
   Sie stand einige Sekunden unschlüssig da, dann setzte sie sich in Bewegung und ging stoisch den Waldrand entlang. Ohnmächtige Wut hielt sie davon ab, wieder in Tränen auszubrechen.
   Nach einigen Minuten hatte sie das Dorf hinter sich gelassen.

*****
   
   Jorcan kämpfte gegen die steinerne Müdigkeit in seinen Gliedern, als er sich hinter der im Nebel undeutlich zu erkennenden Gestalt vor ihm her schleppte.
   Das Gras unter seinen Füßen war ungewohnt, doch hatte der junge Prinz andere Dinge im Kopf, als auf solche Kleinigkeiten zu achten.
   Es war nur wenige Stunden her, dass er die Männer seiner Eskorte bei den anderen Soldaten weiter unten im Tal zurück gelassen hatte, nachdem sie die letzten Tage beinahe ohne Pause marschiert waren, um hierher zu kommen. Charn, der Krieger, den sein Vater als Anführer des Trupps eingesetzt hatte, war der Meinung gewesen, es sei das Beste,  wenn der Prinz sich im Basislager, wo er trocken und sicherer sei - das hatte Jorcan trotz seiner Erschöpfung beinahe laut auflachen lassen - ausruhen würde.
   Der junge Shakarie hatte genug mit Befehlshabern seines Vaters zu tun gehabt, um zu wissen, dass Charn wohl kaum eine Träne vergießen würde, sollte seinem Prinz etwas zustoßen, doch hielt er es für besser, den Schein zu waren.
   Wie man ihm hastig berichtete, hatte der Trupp bereits ein Dorf ausgelöscht, war jedoch auf unerwarteten Widerstand getroffen. Jorcan hatte abgewinkt, als man ihn über Einzelheiten unterrichten wollte. Er würde sich darum kümmern, dass der nächste Schlag effektiver ablaufen würde... Sobald er etwas geschlafen hatte.
   Charn hatte einen seiner Soldaten zu sich gewunken und ihn angewiesen Jorcan zum Basislager zu führen. Und da waren sie nun. Mitten in den Bergen von Falamar, umgeben von grünem Wald, stapften sie durch kniehohes Gras, durchsetzt mit Blumen, deren Namen Jorcan nicht kannte, denen er aber mit Vorsicht begegnete.
   Sein Vater hatte in dem Punkt recht: Er hasste es, wenn ihm etwas nicht vertraut war. Und dieses verdammte Land der Falamar zählte ganz sicher dazu.
   Ein umgestürzter Baumstumpf versperrte ihm den Weg und als er alles andere als elegant darüber geklettert war, konnte er seinen Führer schon nicht mehr im Nebel ausmachen. Er wollte nach ihm rufen, doch der Name kam ihm nicht mehr in den Sinn. Hastig eilte er mit zusammengebissenen Zähnen vorwärts und blieb an einer Wurzel hängen, die sich um seinen Fuß gewickelt zu haben schien. Er drohte zu stürzen, bekam aber noch einen Ast zu fassen und lehnte sich schwer atmend an den nächsten Baum.
   „Mylord?”
   Jorcan blickte auf und stellte erleichtert fest, dass sein Führer zu ihm zurückgekehrt war. „Es ist nichts,” erklärte er brüsk, kaum dass die erste Erleichterung verflogen war. „Mir ist nur diese Umgebung zuwider.”
   In den blauen Augen seines Gegenübers blitzte es amüsiert auf, bevor lange Wimpern sie vor seinem Blick verbargen. Verblüfft sah Jorcan noch einmal genauer hin. „Ihr... Ihr seid eine Renian,” stellte er verdutzt fest.
   „Überrascht es Euch so sehr, dass Euer Vater eine Frau auf diese Mission geschickt hat?” Sie schien zu lächeln, doch war ihr Ton seltsam ernst.
   „Ehrlich gesagt, ja. Die Männer sind auf sich allein gestellt in der Wildnis unterwegs und eine Frau dabeizuhaben, könnte zu Rivalitäten führen. Auch wenn die Renian Elitekämpferinnen sind, bin ich mir nicht sicher, ob das dieses Risiko aufwiegt.”
   Sie sah ihn nicht an als sie leise erwiderte: „Ich schätze eure Ehrlichkeit, Mylord, doch seid Euch immer dessen bewusst, dass Frauen nicht das einzige sind, was Rivalitäten hervorruft. Auch Macht lockt nur allzu leicht, gerade wenn die Möglichkeit besteht, den Prinz persönlich auszustechen.”
   Jorcan lachte humorlos. „Ich bin mir selbst im Klaren, dass Charn mich nicht aus bloßer Freundlichkeit aus dem Lager haben wollte. Jedoch würde er keine Rebellion wagen. Noch habe ich den Ruf einer der besten Taktiker zu sein und die meisten der Männer hier bevorzugen wahrscheinlich, von jemandem angeführt zu werden, der in der Lage ist, die Angriffe zu planen. Nach dem, was ich über den ersten Versuch seinerseits gehört habe, hat der Narr bereits einige gute Männer verloren, und das gegen ein Dorf voller Frauen und Kinder. Ich schätze Eure Aufrichtigkeit ebenfalls, aber seid Euch auch immer dessen bewusst, dass ich sehr wohl in der Lage bin, auf mich selbst aufzupassen.”
   „Ja, Mylord.” Sie schien einen Moment mit sich zu kämpfen, dann sah sie ihn mit Augen an, aus denen nur Bitterkeit sprach. „Vielleicht beruhigt es Euch dann zu hören, dass einige dieser ,Gefahrenquellen’ für den Frieden innerhalb Eures Trupps bereits eliminiert wurden.”
   „Es waren noch mehr Frauen mit auf dieser Mission?”
  „Wir waren zehn.”
   „Wie viele haben den Angriff überlebt?”
   Sie wandte den Blick nicht von ihm ab. „Ich.”
   Jorcan starrte sie für einen Moment ehrlich betroffen an. „Ich habe die Renian kämpfen sehen. Wie kommt es, dass Ihr Euerem Ruf nicht gerecht wurdet?”
   „Charn schickte uns in die Häuser, in denen sich Falamar verbarrikadiert hatten. Anscheinend gab es in diesem Dorf Soldaten, die im Kampf verkrüppelt worden waren und hierher geschickt wurden. Sie haben die Verteidigung organisiert. Wir schlugen vor die Häuser anzuzünden und sie auszuräuchern, aber er hatte Angst Plündergut zu verlieren.” Sie schnaubte verächtlich. „Als ob wir so viel hätten mitnehmen können. Als wir nach dem Sieg einige Häuser durchsucht hatten, rief er uns zurück und ließ uns den Rückzug antreten. Ich konnte nicht einmal richtig Rache nehmen.”
   Jorcan schüttelte nur den Kopf. Charn mochte sich in Schlachten bewährt haben, aber er war völlig unfähig, diese Überfälle richtig zu planen. Die Falamar hätten gar keine Zeit haben dürfen, sich irgendwo zu verbarrikadieren. Das nächste Mal würde er dafür sorgen, dass sich solche Fehler nicht wiederholten. Auf einmal wurde er sich ihrer letzten Worte bewusst. „Rache? Gab es denn überlebende Falamar?”
   „Nein, aber wir durften nicht einmal das verdammte Dorf niederbrennen.”
   Jorcan betrachtete sie prüfend. „Es sind nur ein paar Häuser. Ist Euer Hass schon so groß?”
   „Meine Schwester Ruian liegt noch dort. Ich will den Ort, der sie das Leben gekostet hat, von der Existenz auslöschen.”
   Jorcan nickte und straffte sich. „Ist es noch weit bis zu diesem Basislager?”
   Die Shakarie fuhr beinahe zusammen. „Verzeiht, Mylord, ich vergesse meine Pflichten. Wir haben den Wald bald hinter uns gelassen. Von dort ist es nur noch ein kurzer Aufstieg.”
   Damit setzte sich in Bewegung und führte Jorcan weiter ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen. Tief in Gedanken befreite Jorcan seinen Fuß und folgte ihr, bis sie den Waldrand erreichten. Dort schloss er zu ihr auf und hielt sie mit einer Hand auf der Schulter an.
   „Wie ist Euer Name?”
   Überrascht wandte sie sich zu ihm um. „Rumar, Mylord.”
   Jorcan nickte wieder. „Dann geht, Rumar, und nehmt Rache. Niemand wird Euch dafür bestrafen. Ich werde den Weg von hier schon allein finden.”
   Sie starrte ihn entgeistert an, dann richtete sie sich auf. „Ja. Geht den Hang nur noch etwas in dieser Richtung hinauf, dann werdet Ihr es sicher finden. Ich werde morgen kommen und Euch zurück eskortieren.” Sie bemerkte den Hohn in seinen Augen und blickte zur Seite. „Oder Ihr kommt einfach, sobald Ihr es für richtig haltet.” Sie zögerte einen Moment. „Danke, Mylord.” Abrupt wandte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit des Waldes.
   Jorcan sah ihr nicht nach. Statt dessen setzte er einen schweren Fuß vor den anderen und schleppte sich weiter.

*****

   Der Weg, den Ayala einschlug, war derselbe, den sie auch am Vortag gewählt hatte. Ermutigt von dem Gedanken, dass man sie auf diesem Weg nicht angegriffen hatte, als sie in das Dorf zurückgekehrt war, fühlte sie sich darin bestärkt, zunächst den Pass im Norden zu überqueren. Von dort musste sie einen sicheren Abstieg Richtung Osten finden und dann eine Straße, die sie zur Ebene führte. Also kämpfte sie sich gegen Mittag den Berghang empor, als allmählich der Regen wieder einsetzte.
   Der anfängliche feuchte Schleier wurde beharrlich immer stärker, bis Ayala kaum noch sah, wohin sie ging. Alles war durchnässt und der Boden begann schon wieder, ihr ernste Schwierigkeiten zu machen. Mit einem resignierten Seufzer machte sie sich über ihre Alternativen Gedanken.
   Weiter zu gehen hatte im Moment keinen Sinn. Aber der Hang bot auch nicht gerade viele Möglichkeiten sich unterzustellen. Es sei denn... die Höhle, die sie gestern entdeckt hatte. Sie musste jetzt schon recht dicht daran sein, nein, sie war wohl schon daran vorbeigelaufen. Ayala überlegte nicht mehr lange und drehte um. Nicht viel später hatte sie die Höhle erreicht.
   Ihre Augen hatten sie am Vortag nicht genarrt, ein Teil des Hangs war tatsächlich abgerutscht und hatten einen Zugang freigegeben hatte.
   Vorsichtig kletterte die junge Falamar über Steine und Erde, doch statt eines einfachen Erdlochs betrat sie zu ihrer Überraschung einen Gang, dessen Wände glatt und eben waren. Staunend ließ sie ihre Finger über den kühlen Stein wandern und versuchte im düsteren Dämmerlicht zu erkennen, wohin dieser Gang führen mochte.
   Doch kaum hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, da durchfuhr sie neuerlicher Schrecken. Etwas weiter im Berginneren bemerkte sie ein seltsames Bündel. Die Falamar schlich vorsichtig heran und zog eine ausgebreitete Decke beiseite. Ihre Augen wurden groß. Holz? Feuerholz?
   Wer konnte denn hier Feuerholz deponiert haben? Eine Sekunde später schalt sie sich für ihre eigene Dummheit. Warum wohl war ihr ausgerechnet an diesem Hang der Shakarie über den Weg gelaufen? Sie musste direkt in ihrem Lager gelandet sein. Die Frage war nur, ob sie es schon aufgegeben hatten und weitergezogen waren, oder ob sie damit rechnen musste, dass die Vorbesitzer zurück kommen würden.
   Das frierende Mädchen warf noch einen sehnsüchtigen Blick auf das Feuerholz, dann gewann die Angst die Überhand und sie wandte sich zum Ausgang um.
   Ein Blitz jagte über den Berghang hinweg, gefolgt von dumpfen Donnern. Draußen konnte sie den peitschenden Regen sehen, der das Wasser am Rand des den Höhleneingangs wie einen Sturzbach herabschießen ließ. Wieder grollte tiefer Donner, doch auf einmal war sie sich nicht mehr so sicher, ob das, was sie gehört hatte, nicht einen anderen Ursprung hatte. Sie machte einen weiteren Schritt auf den Ausgang zu und zögerte wieder.
   Ihre Unentschlossenheit rettete ihr wohl das Leben. Ein weiterer Blitz erleuchtete die Höhle und auf einmal sah sie im Eingang eine schlanke Gestalt in einem grauen kaum wahrnehmbaren Umhang stehen.
   Für den Bruchteil einer Sekunde starrte sie den Shakarie entsetzt an, dann ertönte zusammen mit dem Krachen des Donnerns wieder ein tiefes Grollen aus dem Hügel über ihr und um sie herum.
   Der Shakarie erwiderte ihren Blick und seine Hand fuhr unwillkürlich zu dem Amulett um seinen Hals. Eine weitere quälend lange Sekunde sah er sie unschlüssig an, zu überrascht um zu wissen was er jetzt tun sollte.
   Und dann stürzte die Höhle ein.

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ZMistress
Hallo zusammen! Ich bin inzwischen 34 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern, die mich beschäftigt halten. Ich liebe fantasievolle Geschichten und träume auch oft vor mich hin.Ich bin meist recht still, aber wenn mich etwas sehr bewegt, kann ich auch meine Meinung dazu sagen.

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ZMistress Re: -
Zitat: (Original von hanni86 am 31.03.2010 - 19:26 Uhr) Ein Grinsen über das Ende pickt noch immer mitten in meinem Gesicht! Macht richtig Spass das zu lesen.

Nur eine Kleinigkeit ist mir augefallen und zwar, dass du die förmliche Anrede fast immer klein schreibst. Also sowas wie "wie geht es euch" wenn du "wie geht es Euch" meinst. Ist nicht tragisch, könnte aber verwirrend werden, wenn mal mehrere Leute am Gespräch beteiligt sind...


Danke schön. Es freut mich, dass es dir so weit gefällt. Vielen Dank auch für den Hinweis. Es ist mir echt peinlich, dass mir das nicht selbst aufgefallen ist, aber ich habe es jetzt gleich geändert.
Danke fürs Augen offen halten.
Vor langer Zeit - Antworten
hanni86 Ein Grinsen über das Ende pickt noch immer mitten in meinem Gesicht! Macht richtig Spass das zu lesen.

Nur eine Kleinigkeit ist mir augefallen und zwar, dass du die förmliche Anrede fast immer klein schreibst. Also sowas wie "wie geht es euch" wenn du "wie geht es Euch" meinst. Ist nicht tragisch, könnte aber verwirrend werden, wenn mal mehrere Leute am Gespräch beteiligt sind...
Vor langer Zeit - Antworten
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