Die Kälte lässt mich frösteln. Es ist furchtbar nebelig und dunkel. Die gesamte Atmosphäre fühlt sich gefährlich an und jagt mir Angstschweiß auf die Stirn. Ich kann weder erkennen, wo ich mich befinde, noch weiß ich , wie ich an diesen Ort gekommen bin.
Schon weit aus der Ferne höre ich das Grollen. Eins, zwei, drei - ber mir donnern Flugzeuge hinweg. Wie aus dem Nichts stoßen sie aus den Wolken hervor. Die Flugzeuge scheinen alt zu sein. Sehr alt und so laut, dass es mir in den Ohren schmerzt.
Meine Angst schleicht sich hinterhältig über meinen Rücken an, lässt mir Schauer durch den Körper fahren und mich kaum noch atmen.
Ich beginne zu rennen. Schnell, ich muss schnell laufen, denn das atmen fällt mir immer schwerer, meine Beine fühlen sich an wie Watte und mit meinen Armen versuche ich zu rudern. Plötzlich stolpere ich und sehe sie. Da genau vor mir, im Nebel steht sie. Ich strecke meine Arme nach ihr aus und rufe nach ihr: "Mama!" schreie ich, "Mama!" immer und immer wieder. Endlich dreht sie sich um, lächelt mich an und ist verschwunden. Ich kann sie nicht mehr sehen, ich drehe mich um meine eigene Achse, suche mit meinen Augen nach ihr.
Stand sie nicht gerade noch da? Habe ich es mir nur eingebildet?
Ich möchte wieder nach ihr Schreien, doch meine Stimme bleibt stumm. Nicht ein kleiner Laut rührt sich aus meiner Kehle.
Meine Brust wird vor Verzweiflung schwer.
Ich drehe mich abermals um und bemerke, wie sich meine Beine erneut in Bewegung setzen.
Ich blicke nach hinten und sehe ihn. Er rennt, er rennt auf mich zu. Er kommt immer näher, aber ich kann ihn nicht erkennen. Ich erkenne ihn nie. Ich merke wie meine Angst meinen Körper bleiern fühlen lässt.
Obwohl ich mir nicht sicher bin, spüre ich, dass es ein Mann ist.
Ich versuche schneller zu rennen, die letzte Luft in meine Lungen zu pressen, und noch einmal an Geschwindigkeit zu gewinnen.
Ich blicke vorsichtig hinter mich. Gleich hat er mich eingeholt. Ich renne blind durch den Nebel und hoffe ihm zu entkommen - wie jedesmal.
Mittlerweile keuche ich, das atmen schmerzt in meiner Brust, mein Herz hämmert so laut, dass ich meine es in meinem Kopf hören zu können. Es rauscht, es pocht. DOG DOG DOG. scchhhhhschhhhhh.
Ich muss stehen bleiben, ich kann nicht mehr.
Nun hat er mich. Er packt mich und ohne ein Wort zu verlieren weiß ich, dass aus ihm der pure Hass spricht. Ich kann seine Abneigung förmlich riechen. Er riecht nach Mann, nach Schweiß, nach Hass.
Er holt aus und ich spüre den Schmerz wie einen Blitz durch meinen Körper zucken. Er sticht tief zu, sehr tief. Es schmerzt fürchterlich. Es muss ein großes Messer gewesen sein, denn in der Klinge, die er hinter meinem Rücken hält, sehe ich mein maskenhaftes, angewidertes und Angst verschmerztes Gesicht. Der Nebel verfliegt langsam und ich beginne zu kämpfen.
Ich reiße mich los. Das Blut läuft mir bereits die Beine herunter, ich huste, aber gewinne an Kraft und kann mich von ihm befreien.
Eigentlich möchte ich rennen, doch ich sehe, dass mein Verfolger bereits verschwunden ist. Ich sehe mich um. Er ist weg. Genauso schnell verschwunden wie alles andere bisher. Genauso schnell verschwunden, wie er auftauchte.
Ich torkle eine lange mit seichtem Licht durchflutete Strecke entlang, bis ich auf einem Berg stehe. Mittlerweile scheint die Sonne und bis auf den starken Schmerz in meinem Rücken hat sich jedes schlechte Gefühl verflüchtigt. Keine Angst, keine Verachtung, keine Hast. Hier oben wartet wieder jemand auf mich. Es ist wieder ein Mann, doch dieser lächelt. Er scheint lange auf mich gewartet zu haben. Er breitet seine Arme aus und bereitwillig lege ich mich in sie hinein. Ich spüre seinen beruhigenden Herzschlag an meine Brust klopfen, seinen lieblichen herben Duft, der mich noch ruhiger werden lässt. Er hält mich fest, sehr fest, und küsst mich auf die Stirn. Glücklich wie nie zuvor lasse ich alles geschehen. Mein ganzes Sein fühlt sich von unendlicher Liebe durchflutet.
Ich fühle mich geborgen - beschützt, geliebt, unendlich geliebt.
Gemeinsam sehen wir in die Ferne. Wir betrachten die Sonne und entdecken zu spät, dass sie sich als etwas anderes entpuppt.
Es breitet sich rasant aus, diese Welle erfasst mich. Sie ist heiß, rot, glüht, vereint alle Gefühle die ich jemals verspürt habe, dann wird alles grell. Ich spüre wie ich sterbe. Mein Körper scheint zu zerreissen. Zuerst fühlt sich alles warm an, dann wird es heiß, kurz darauf bitterkalt. Nur kurz zittere ich, dann ist es still. Ich habe keinerlei Gefühl mehr.
Bin ich nun Tod?
Es ist still, dunkel, ich kann nichts sehen, nichts hören, weder riechen oder sonst wahrnehmen.
Jetzt habe ich wieder einen furchtbaren Druck auf meiner Brust, so, wie Anfangs. Als alles begann, unaufhörlich begann zu rollen und ich nichts dagegen tun konnte.Ich fühle mich schwebend wie auf einer anderen Ebene.
Ich wimmere und weine. Werde fast hysterisch vor Angst. Ich rufe, nein ich schreie. Ich schreie nach jemandem. Ich weiß nicht nach wem. Es bleibt ruhig. Nichts rührt sich, ich fühle mich verloren.
Als ich aufwache bin ich schweißgebadet. Mein Rücken schmerzt und mechanisch fasse ich mir auf die Brust.
Ich habe es geschafft - wieder einmal. Ich habe mich gezwungen aufzuwachen. Habe mich gezwungen ins Leben zurückzukommen.
Ich scheine wirklich geweint zu haben, mein Kissenbezug ist nass und auch meine Augen schmerzen.
Nun finde ich keinen Schlaf mehr und stehe auf.
Später am Tag scheint die Sonne hell, doch ich traue mich nicht mehr, sie zu genießen.
Schon lange nicht mehr.