Kurzgeschichte
Unsichtbar

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"Unsichtbar"
Veröffentlicht am 09. März 2010, 4 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Es tut mir leid, dass ich \\\"Restrisiko\\\" löschen musste, aber es ist jetzt in einer Kurzgeschichtensammlung namens \"Das Unfassbare\" vom ipm-verlag veröffentlicht worden. Wer Interesse hat, kann sich bei mir melden. Unter www.bookrix.de/-schneeflocke kann "Restrisiko" nach wir vor noch lesen. LG Flocke
Unsichtbar

Unsichtbar

So viele Menschen, die Tag für Tag an mir vorbeigehen. Irgendwann habe ich es aufgegeben, sie zu zählen. So viele Augen, die mich streifen, manchmal gar minutenlang auf mir ruhen, und die mich doch nicht sehen. Wäre ich morgen verschwunden, keinem würde es auffallen. Ich bin da, und doch bin ich es nicht.

Anfangs hat es mich noch getroffen, dass mich niemand sah, dass ich für viele, wenn nicht gar alle, nur ein Teil des Mobiliars bin, nicht der Mühe wert, mehr als einen kurzen Blick darauf zu werfen, aus den Gedanken verschwunden, kaum dass ich aus ihrem Blickfeld verschwunden bin. Anfangs habe ich mich darüber ereifert. Die Wut über diese Ignoranz, diese unglaubliche Herablassung mir sowie meinem ganzen Stand gegenüber, hatte sich oft am Ende eines langen Arbeitstages in meinem Magen zu einem harten, eiskalten Ball zusammen geknotet. An manch einem Tag müssen meine Augen regelrecht Funken gesprüht haben, doch auch das ließ nach. Es ist zu viel verschwendete Zeit, zu viel verschwendete Energie. Ich werde nichts daran ändern können, die Menschen sind nun einmal so, wie sie sind, egoistisch, egozentrisch. Sie leben in ihrer eigenen Welt, in der es außer ihnen selbst oft nur eine Hand voll andere Menschen gibt, die ihnen die Mühe wert erscheinen, sich mit ihnen abzugeben und zu beschäftigen.

Inzwischen bin ich müde geworden, alt und verbraucht. Und vielleicht haben sie ja recht, vielleicht bin ich es wirklich nicht wert, eines Blickes gewürdigt zu werden. Vielleicht zählt man ja tatsächlich nur als vollwertiger Mensch, wenn man seine Würde nicht jeden Tag für sechs Euro dreißig die Stunde verkauft, um dann jeden Abend heimzukehren in eine leere Wohnung, kärglich eingerichtet und leicht heruntergekommen, da ich mich nach den langen Schichten selten dazu aufraffen kann, noch einmal mit dem Wischmob über den Fußboden zu fahren oder die Spülmaschine auszuräumen. So stapeln sich die benutzten Teller in der Spüle zu einem tristen Stilleben, und der Fernseher leistet mir Gesellschaft, untermalt einer schlechten Tonspur gleich die Einsamkeit meines Feierabends, denn auch wenn ich mich durch den Bildschirm mit der Welt verbunden fühle, bin ich doch kein Teil von ihr. Ich bin Außenstehender, Zuschauer und Beobachter, so wie ich es sonst auch immer bin.

Die Menschen, die tagtäglich an mir vorbeihasten, sind blind für alles, das außerhalb dieser kleinen Luftblase liegt, die sie ihren Alltag nennen. Kaum einer sieht den wunderschönen Farbton, den der klare Winterhimmel annimmt, kurz bevor am Morgen die Sonne aufgeht. Wie sich das hellrosafarbene Licht auf den Eiskristallen bricht, die jetzt an den Dachtraufen des Einkaufszentrums hängen. Trotz des grauen Betons gibt es Schönheit hier, wenn man genau hinsieht. Im Winter sind es die zarten, filigranen Eisblumen auf den riesigen Fensterscheiben, die am frühen Morgen so wunderschöne Muster bilden, ehe sie die Wärme der Klimaanlage vernichtet. Im Sommer ist es das sanfte Plätschern des Springbrunnens in der Vorhalle, das durch die dann weit geöffneten Türen zu mir nach draußen dringt.

Doch alle hetzen sie nur vorbei, die Augen weit in die Ferne gerichtet, in Gedanken schon längst in ihren stickigen Büros, erhellt vom kalten Schein der Leuchtstoffröhren, ohne Verbindung zur Außenwelt, abgeschottet und in ihre kleine Luftblase gesperrt. Ich dagegen bin frei. Ich sehe alles, ich bin hier, wirklich und wahrhaftig. Ich bin der einzige Sehende in einer Welt voller Blinder, und vielleicht bin ich deswegen unsichtbar.

Ich bin unsichtbar, weil mich niemand sieht.

(c) by Schneeflocke

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Über den Autor

schneeflocke
Es tut mir leid, dass ich \\\"Restrisiko\\\" löschen musste, aber es ist jetzt in einer Kurzgeschichtensammlung namens \"Das Unfassbare\" vom ipm-verlag veröffentlicht worden.
Wer Interesse hat, kann sich bei mir melden.
Unter www.bookrix.de/-schneeflocke kann "Restrisiko" nach wir vor noch lesen.
LG Flocke

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schneeflocke Re: Oh -
Zitat: (Original von Robin am 26.03.2010 - 16:09 Uhr) man, das hatte ich eigentlich schon lange gelesen und meinen Kommentar verschwitzt :D. Ich hatte die letzten Wochen wirklich Stress, ich hab sogar das vergessen, bin einfach ein komischer, verplanter Mensch :D
Aber nun zum Text: Großartig, beschreibt es wohl am besten. Wie wir ja wissen, denken wir über die selben Themen nach und auch bei "Unsichtbar" hatte ich wieder das Gefühl, dass du in meinem Kopf herumgewühlt hast, um dann das hier zu schreiben. Ich bin baff, total geplättet und äußert begeistert, liebe Tina. Dein ganzer Stil, deine Wortwahl, alles wird immer besser, du entwickelst dich sichtbar und ich bin einfach nur hin und weg.

Ganz liebe Grüße
Lisa


Hallo Lisa!

Noch einmal Entschuldigung dafür, dass du so lange auf eine Antwort warten musstest...
Freut mich wirklich, dass dir der Text gefallen hat. Ich selbst war ehrlich gesagt nicht ganz zufrieden mit ihm, deswegen freue ich mich umso mehr über dein Lob. Danke!

Liebe Grüße,
Tina
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Oh - man, das hatte ich eigentlich schon lange gelesen und meinen Kommentar verschwitzt :D. Ich hatte die letzten Wochen wirklich Stress, ich hab sogar das vergessen, bin einfach ein komischer, verplanter Mensch :D
Aber nun zum Text: Großartig, beschreibt es wohl am besten. Wie wir ja wissen, denken wir über die selben Themen nach und auch bei "Unsichtbar" hatte ich wieder das Gefühl, dass du in meinem Kopf herumgewühlt hast, um dann das hier zu schreiben. Ich bin baff, total geplättet und äußert begeistert, liebe Tina. Dein ganzer Stil, deine Wortwahl, alles wird immer besser, du entwickelst dich sichtbar und ich bin einfach nur hin und weg.

Ganz liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
schneeflocke Re: Na, -
Zitat: (Original von Luzifer am 09.03.2010 - 19:15 Uhr) also der letzte Satz/Abschnitt klang schon fast wie ein Satz/Gedankenfaden von einem dieser "Blinden". So selbstbezogen und Egoistisch in der Gedankenweise.
Schön dagegen fand ich, wie das LyrIch erst ihre Situation und die Trostlosigkeit in ihrem Denken vermittelt und dann umschwenkt und sagt, dass sie die Schönheit des Lebens sieht und sich an ihr erfreuen kann. Es hat damit nicht so einen aussichtslosen Touch im Gedankengang des Lesers.
Schön, wenn auch nach dem Titel das Thema erwartet wurde *gg*

LG
Luzifer


Hallo Luzifer,
Danke für den Kommentar und die Bewertung!
Ja, mit dem Schluss bin ich selbst nicht so ganz zufrieden, Verbesserungsvorschläge werden immer dankbar angenommen.
Freut mich aber, dass dir der Umschwung gefallen hat. Der war eigentlich nicht geplant, hat sich aber dann mit dem Schreiben so ergeben, und ich bin einfach meiner Intuition gefolgt.

LG
Tina
Vor langer Zeit - Antworten
Luzifer Na, - also der letzte Satz/Abschnitt klang schon fast wie ein Satz/Gedankenfaden von einem dieser "Blinden". So selbstbezogen und Egoistisch in der Gedankenweise.
Schön dagegen fand ich, wie das LyrIch erst ihre Situation und die Trostlosigkeit in ihrem Denken vermittelt und dann umschwenkt und sagt, dass sie die Schönheit des Lebens sieht und sich an ihr erfreuen kann. Es hat damit nicht so einen aussichtslosen Touch im Gedankengang des Lesers.
Schön, wenn auch nach dem Titel das Thema erwartet wurde *gg*

LG
Luzifer
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