Einkaufsspaß
Das Wochenende nahte und die Familie – Der Pfalzgraf, die Kurpfälzerin und die edle Hündin Frida – überlegten bereits Freitags wie diese freie Zeit am besten zu nutzen sei.
„Lasst uns morgen in ein Einkaufszentrum fahren“ meinte die Kurpfälzerin „ich bräuchte ein paar Schuhe und ein Geburtstagsgeschenk für meine Freundin“. Der Pfalzgraf schloss sich dieser Idee sofort an – er wusste dass ihn anlässlich dieses Bummels auch das erste Bier im Freien an diesem schönen Frühlingstag erwartete. Frida war dagegen, ein Spaziergang im Wald und ein Flirt mit einem netten Rüden wären ihr lieber gewesen. Doch sie wurde demokratisch überstimmt und fügte sich knurrend in ihr Schicksal.
Doch zuerst musste der Freitagabend überbrückt werden. Der humane Anteil des Trios tat dies – wie schon so oft – mit dem Hören schöner Musik und dem Genuss feinen roten Weines. Die animalische Fraktion ahnte bereits Übles und ließ sich mit hängenden Ohren und angeschmiegter Rute unter dem Tisch nieder. Hunde habe ein Gefühl für kommendes Unheil.
Das Unheil brach auch alsbald über die Familie herein. Beim Leeren der ersten Flasche Rotweines schmetterte noch Pavarotti seine Arien durch die Lautsprecher, bei der zweiten und dritten Flasche tanzte die Kurpfälzerin Foxtrott zum Hardrock während der Pfalzgraf sein schütteres Haupthaar headbangend wirbelte. Anschließend ertönte dunkler Gothic durch die Wohnräume. Ein untrügliches Zeichen, dass die Kurpfälzerin ihren alkoholischen Zenit bereits überschritten hatte.
Bis morgens früh dauerte die kleine Party an.
Der nächste Morgen: Die einzige, welche über keine körperlichen Fehlfunktionen zu klagen hatte war Frida. Sie hatte sich nächtens lediglich an frischem Wasser gelabt. Der Pfalzgraf hingegen fühlte sich etwas mitgenommen. Seine Zunge war schwerer als seine müden Glieder. Die Kurpfälzerin hingegen voller Tatendrang und bester Stimmung. Konnte es sein, dass sie noch immer trunken war?
Sie duschten den Schweiß der durchzechten Nacht von den Körpern, nahmen ein deftiges Frühstück ein und machten sich auf den Weg. Den Weg zum Einkaufsspaß.
Angekommen durchschritten sie die Ladenpassagen und schauten in die Auslagen der Schaufenster. Der kurpfälzische Blick erhaschte bereits nach wenigen Metern ein Geschäft mit Handtaschen. Dies schien nicht verwunderlich, da die Dame, dem weiblichen Geschlecht zugeordnet und dies ihr genetisch bedingt in die Wiege gelegt war. Der Pfalzgraf heuchelte, wie alle Männer dies in einer solchen Situation tun Interesse, während Frida liebevoll die herunterhängende Hand einer anderen am Schaufenster stehenden fremden Dame ableckte.
Nun geschah das Unvorstellbare: Die Kurpfälzerin führte ein nettes, wenngleich unverbindliches Gespräch mit dieser fremden Frau über Hunde und Handtaschen. Wer die Kurpfälzerin kennt weiß jedoch, dass diese eher einer Konfrontation, denn einer Konversation mit fremden Menschen zugeneigt ist.
Der Pfalzgraf und Frida schauten sich verwundert an. Der gegenseitige Augenkontakt ergab Übereinstimmung: Der Alkoholpegel des vorigen Abends war noch nicht abgebaut.
Dem Weg der Ladenpassage folgend erreichten sie das erste Schuhgeschäft. Das Objekt der weiblichen Begierde. Nach langem Herumstreunen durch die ausgestellten Waren sah die Kurpfälzerin etwas was ihr Herz entflammte: Schuhe nach ihrem Geschmack.
Wie gefallen Dir diese?“ richtete sie ihre Frage an den überforderten Lebensgefährten. Was sollte dieser antworten? Ein „Nein – sie sind nicht schön“ hätte sie zu weiterem Verweilen aufgefordert. Ein „Ja – wunderbar“ hätte sie ihm nicht geglaubt. Sie wusste dass das Einkaufen von Schuhen nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählt.
So versuchte er es mit Scherzen. Im Hinblick auf ihre geringe Körpergröße und in Erinnerung an den „Herr der Ringe“ bezeichnete er sie als Hobbit und nannte sie Frodo. Dies störte sie jedoch in keiner Weise. Sie musste tatsächlich noch im Alkoholrausch sein. Doch ihre Wahl war gefallen und sie erstand die neue Fußbekleidung. Frida schaute sein Herrchen dankbar an.
Sie verließen den Ort taiwanesischer Handwerkskunst und suchten eine Parfümerie auf. Hier wollte die Kurpfälzerin das Geschenk für ihre Freundin erstehen. Ihre beiden Gefährten schlugen vor draußen zu warten. Das Geschäft war überfüllt und der Verbleib von diesen beiden Parfümmuffeln wäre nicht angebracht gewesen. So schauten sie die Auslagen anderer Geschäfte an.
Es dauerte lange – Sehr lange. Der Pfalzgraf und seine Hündin warten fast eine halbe Stunde. Seine Lebensgefährtin sollte doch zwischenzeitlich etwas Passendes gefunden haben. War sie in dem Geschäft zusammengebrochen? Doch kein Notarzt war inzwischen vorbeigeeilt. Hatte man sie entführt? Die Familie besitzt keine Reichtümer. Hatte sie dort einen anderen Mann gefunden und war mit diesem geflüchtet? Der Pfalzgraf wusste, dass sie ihn liebt. Was war geschehen?
Er konnte nicht ahnen, welches Chaos sich in dieser Parfümerie anbahnte.
Durch den Adrenalinausstoß beim Schuherwerb fand die Kurpfälzerin zu ihrer alten Form zurück. Die chemische Verbindung zwischen Adrenalin und Alkohol im kurpfälzischen Körper verursachte eine Reaktion, welche der Filialleiterin der Parfümerie schlecht bekam.
Diese befand sich zum falschen Zeitpunkt an der falschen Stelle. Pech für die Filialleiterin. Frau Kurpfälzerin war ohnehin etwas angespannt, da sie einen Fehlkauf getätigt und diesen umtauschen wollte. Doch niemand des Personals nahm sich ihrer an. Dann erblickte sie die Filialleiterin und sprach sie an. Diese reagierte falsch. Absolut falsch. Statt mit äußerster Zuvorkommenheit auf die Wünsche der Kundin einzugehen, wies sie diese etwas zu forsch zurück.
Was dann geschah kann der Pfalzgraf nur schlecht beschreiben, da er nicht zugegen war.
Erst als er nach langer Zeit den Laden betrat um nach seiner Angebetenen zu forschen sah er das Dilemma: Die Kurpfälzerin in heftigsten verbalen Streit mit einer völlig überforderten Filialleitern. Daneben verstörte Kunden, welche wohl Angst vor einem Handgemenge hatten und die Angestellten des Geschäftes mit breitem Grinsen im Gesicht. Endlich hatte deren Chefin einen angemessen Sparringspartner gefunden.
Frida und ihr Herr sahen sofort was geschehen war: Frauchen hatte zu ihrer alten Form zurückgefunden. Sie taten jenes, was jeder Andere in dieser Situation getan hätte. Sie ließen die Kurpfälzerin ihren Streit weiter austragen. Sie wussten im Voraus wer hier als Sieger den Ring verlassen würde. Die Filialleiterin hatte von Anfang an keine Chance.
So warteten sie noch ein Weilchen, bis ihre Gefährtin, zwar mental verausgabt doch mit zufriedenem Grinsen im Gesicht das Geschäft verlassen hatte. Drinnen gewahrte sein Blick noch eine völlig aufgelöste Filialleiterin.
Jetzt ging es ihr wieder richtig gut. Die gute Laune steckte auch den Pfalzgrafen und Frida an und so konnten sie endlich den Weg in den Biergarten antreten um in Ruhe bei einem Pils das Geschehene Revue passieren zu lassen.