Kurzgeschichte
Vampir

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"Vampir"
Veröffentlicht am 22. Februar 2010, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Vampir

Vampir

Beschreibung

Na ja, das übliche eben :-)

Vampir

Regen prasselt gegen die Fensterscheiben, die Tropfen trommeln dagegen und scheinen Einlass in die absolute Dunkelheit meines Schlafzimmers zu fordern. Der Wind heult um die Häuserwände, kriecht durch die Ritzen des Gemäuers. Ich wickle meine Bettdecke fester um mich, fühle mich wie in einem schützenden Kokon. Mit weit geöffneten Augen starre ich an die Zimmerdecke, in die Finsternis. Das Pochen meines Herzens dröhnt mir ungewöhnlich laut in den Ohren, klingt wie rhythmische Trommelschläge, die mit jeder Sekunde an Intensität zunehmen. Vielleicht höre ich sie deshalb so laut, weil in meinem Kopf völlige Leere herrscht. Ich habe jeden Gedanken verbannt, sie alle hinter mentale Gitterstäbe gesperrt, aufrechterhalten von der Hoffnung. Der Hoffnung, dass er mich diese Nacht nicht heimsuchen wird.

Doch als ich das Knarren der untersten Stufe höre, die leisen Schritte auf der Treppe, stirbt die Hoffnung. Die Gitterstäbe wackeln, Gedanken drücken gegen sie, reißen an ihnen, bis sie nachgeben. Dann sind sie wieder in meinem Kopf. Die Stimmen, die mich anschreien mich mehr anzustrengen. Stimmen, die mir vorwerfen, dass ich nicht alles gebe, dass ich zu schlecht bin. Und die Angst. Die Angst, die mich beherrscht, allgegenwärtig ist. Die Angst, die ihre Klauen in mich geschlagen hat, die mein ständiger Begleiter ist. Angst vor der Zukunft, vor dem was ich bin, was ich sein werde. Angst vor meinen Entscheidungen, vielleicht sogar Angst vor mir selbst.

Die Schritte verstummen, haben den oberen Treppenabsatz erreicht. Augenblicke später senkt sich die Matratze am Fußende meines Bettes, das Bettgestell keucht unter dem zusätzlichen Gewicht. Es hat die Tür nicht geöffnet, es öffnet niemals Türen. Manche Kinder haben Angst vor dem Monster unter dem Bett, dem Monster, das nicht existiert. Mein Monster ist real. Es sitzt auf meinem Bett und ich weiß, es starrt mich an. Ich kann es nicht sehen, will es nicht sehen, habe noch nie versucht es zu erkennen. Denn ich weiß längst was es ist. Ein Vampir. Er saugt mir nicht das Blut aus wie die Untoten in Märchen und Legenden. Er ist nicht der romantische Retter als der er in Romanen von einfältigen Frauen dargestellt wird. Das, was er mir entzieht, ist vielmehr meine Kraft. Meine Kraft, die ich zum Leben brauche. Meine Freude, mein Willen zu Überleben. Mein Vampir stiehlt mir das Einzige, was mich in dieser trostlosen Welt über Wasser hält.

Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“, wispere ich. Noch immer schreien die Stimmen in meinem Kopf, schreien lauter und immer lauter. Irgendwann wird sich eine dieser Stimmen heraus kristallisieren, wird am lautesten schreien. Dann, und genau dann, wird er anfangen mich aus zu saugen. Eine Vorgehensweise, ein Ritual, das ich tief in mir verinnerlicht habe. Ich kenne den Ablauf, dieses Gefühl. Kenne es viel zu gut.

Du lässt es immer zu.“

Seine Stimme ist rau, rauchig und aufgrund des Sturms, der außerhalb dieser vier Wände tobt, kaum zu verstehen. Jedes Mal gibt er mir diese Antwort und ich verstehe sie immer noch nicht.

Geh doch einfach! Ich brauche meine Kraft, bitte geh!“ Ein verzweifeltes Flehen, das niemals erhört wird.

Ich würde gehen, wenn du es zulassen würdest.“

Ich lasse dich gehen!“, schreie ich hoffnungslos, schreie so laut, um die Stimmen in meinen Kopf zu übertönen. Sie sollen schweigen, schweigen, damit er verschwindet! Ich halte mir die Ohren zu, als könnte ich sie dadurch ausblenden, als würde mein Vampir dadurch verschwinden. Doch sie sind in meinem Kopf, werden für immer in meinem Kopf bleiben. Mein Vampir wird nie im Leben von meiner Seite weichen. Mein Monster gehört zu mir. „Ich lasse dich gehen, hörst du? Ich lasse dich gehen!“ Als würde ich es durch die ständige Wiederholung dazu bringen können.

Du verstehst nicht.“ Seine kalte Hand legt sich auf die meine, wie jedes Mal. Diese Kälte lässt mich in meinem Kokon erzittern, der mich nicht beschützt, es nie gekonnt hat. „Du verstehst nicht, wenn du alles im Dunkeln lässt.“

Ich will das Licht aber nicht einschalten.“ Meine Stimme bebt, sie bricht. Tränen füllen meine immer noch weit aufgerissenen Augen, strömen seitlich mein Gesicht hinab, tropfen auf das Kissen.

Und die Stimme werden lauter, sind kaum noch auszuhalten, mein Kopf droht zu zerspringen. Ich will sie nicht mehr hören, ich will nicht!

Dann werde ich es für dich tun.“

Obwohl der Druck auf meiner Matratze unveränderlich bleibt, höre ich den Lichtschalter klicken, die Birne flackert, dann ist mein Zimmer erhellt. Das künstliche Licht lässt mich endlich das sehen, was ich nicht sehen will. Mein Monster, meinen Vampir. Sein Körper, der eines Mannes. Nichts Angst einflößendes, nichts vor dem ich mich fürchten muss. Seine Hände, seine Haut sind bleich wie der Mond. Meine Augen wandern hinauf, hinauf zu seinem Gesicht. Zu dem Gesicht, das nicht existiert. Der Aufschrei bleibt auf dem Weg zu meinem Mund stecken. Stattdessen starre ich ihn an, unfähig meinen Blick von dem, was ich dort sehe, abzuwenden.

Keine Augen, keine Nase, nichts. Nichts, das ein Gesicht zu einem Gesicht macht. Nur ein Mund. Aufgesprungene, spröde Lippen, zu einem grotesken Grinsen verzerrt. Gelbe Zähne, Reißzähne von denen Speichel in seinen Schoss tropft.

Warum hast du kein Gesicht?“ Ich kann mich selbst kaum hören.

Ich habe viele Gesichter“, erwidert er, verzieht seinen Mund zu einem noch breiteren Grinsen, noch absurder. Schauer jagen mir über den Rücken. „Zum Beispiel dieses Gesicht.“ Schon blicke ich in das Gesicht meiner Mutter, erkenne es, trotz des Mauls und der Fänge, die sich nicht verändert haben. „Oder dieses.“ Ich sehe in die Augen meines besten Freundes. Wieder wechselt er seine Maske. „Dies ist das Gesicht deiner Angst.“ Es ist mein Gesicht.

Erschrocken keuche ich auf, dann starre ich wieder das Gesicht an, das keines ist.

Stimmen in meinem Kopf werden penetrant, unerträglich. Noch ist keine hervor gestochen.

Warum hast du heute noch kein Gesicht?“

Der Mund mit den Fangzähnen lächelt, eine Art Lächeln und doch keines. „Du hast dich einfach noch für keines entschieden.“

Während er diese Worte ausspricht, übertönt eine Stimme alle anderen, hebt sich hervor, lässt fast mein Trommelfell platzen. Im gleichen Augenblick verändern sich seine Züge, mein Vampir erhält ein Gesicht.

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Hörbuch

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Robin

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Gast Coole Geschichte mit Spaß hast du noch mehr geschichten
Vor langer Zeit - Antworten
Gast So wat hab ich schon mal gelesen :-))
Vor langer Zeit - Antworten
Claire Re: Re: -
Zitat: (Original von Robin am 12.06.2010 - 13:07 Uhr)
Zitat: (Original von Claire am 11.06.2010 - 15:27 Uhr) Hey...
Echt gut geschrieben, voll die Spannung :-)
Freu mich auf weitere Geschichten...


Hallo Claire,
na, da war ich überrascht, dass du dich zu meinen Geschichten verirrt hast, aber umso mehr hab ich mich über dein Kommentar gefreut!

Liebe Grüße
Lisa


Warum denn überrascht?
Muss mich auch mal ein bisserl umschauen ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: -
Zitat: (Original von Claire am 11.06.2010 - 15:27 Uhr) Hey...
Echt gut geschrieben, voll die Spannung :-)
Freu mich auf weitere Geschichten...


Hallo Claire,
na, da war ich überrascht, dass du dich zu meinen Geschichten verirrt hast, aber umso mehr hab ich mich über dein Kommentar gefreut!

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Claire Hey...
Echt gut geschrieben, voll die Spannung :-)
Freu mich auf weitere Geschichten...
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Du glaubst das doch nich wirklich?Oder doch? - Hast du das wirklich erlebt?Ich möchte sagen das ich Kriemis liebe und lese,aber zu twilight ist das hier irgentwie langweilig!Ich lese jedes Campirbuch das ich in die Finger bekomme.Ein Vampir hat ein Gesicht!Du hast es nicht wirklich erlebt,das weiß ich.Ich wollt dir nur sagen das du Vampirbücher lesen solltst.Da stehen Dinge drinn die dir helfen könnten.Mit schrecklichen Grüßen Bella Swan
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: Sehr beeindruckend -
Zitat: (Original von Windflieger am 23.02.2010 - 09:55 Uhr) Deine Geschichte hat mich tief in ihren Bann gezogen.
LG Ivonne


Hallo liebe Ivonne :-)
Ich danke dir sehr, das hat mich wirklich gefreut!

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: Hey, eine ziemlich... -
Zitat: (Original von PhanThomas am 23.02.2010 - 09:29 Uhr) ... bizarre Geschichte. Man ist sich nicht ganz sicher, ob es diesen Vampir tatsächlich gibt oder ob er nicht doch eher das Sinnbild einer Angst ist, einer Angst, die sich nicht abschütteln lässt, vielleicht weil man sie in jedem Menschen sehen kann, mit dem man zu tun hat. Klasse geschrieben und so unheimlich atmosphärisch! Könnte glatt in einem kleinen Gruselgeschichtenbüchlein stehen. :-)

Liebe Grüße
Thomas

PS: Das Cover ist vom Computerspiel "Vampire - The Masquerade", nicht wahr? Ich hab das Bild mal gezeichnet. Hab's gleich wiedererkannt. :-)


Ähem, ich glaube das Cover ist davon :-) Aber ich kenn mich da ja nicht so aus. Hat mir mein Schwager gemailt, als ich ein Bildchen gebraucht hab ;-)
Und mal wieder einen herzlichen Dank für dein Kommentar :-)

Liebe Grüße
Lisa
Vor langer Zeit - Antworten
Robin Re: Wunderbar... -
Zitat: (Original von Sunnypluesch am 23.02.2010 - 00:12 Uhr) ... kann ich hier nicht sagen, aber schaurig schön. Mal kein Klischee-Vampir und dennoch fesselnd. Von Anfang an bin ich in diesem Zimmer, hin und her gerissen zwischen der Furcht und dem Wunsch, dieses Gesicht zu sehen. Wie schön - oder schaurig? - das am Ende jeder seinem eigenen Vampir ins Gesicht blicken kann.


Hallöchen :-)
Ja, das kann man wohl wirklich nicht sagen, aber ich danke die wirklich sehr für deinen Kommentar. Ich hab mich riesig gefreut, dass es dir gefallen hat. Und ich hoffe dein Vampir ist nicht so schaurig :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Windflieger Sehr beeindruckend - Deine Geschichte hat mich tief in ihren Bann gezogen.
LG Ivonne
Vor langer Zeit - Antworten
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