Prolog
Die Schlacht war verloren, das wusste er. Er und die freien Völker Ostrodiens waren geschlagen. Die Götter hatten gesiegt. Doch sie sollten weder ihn, noch sein Volk versklaven und sie sollten nicht sein Land erhalten. Nein, das würde er mit seiner letzten Kraft versenken!
Dann würde er den Göttern glaubhaft machen, dass er gestorben sei, doch er würde wiederkehren und die Legenden würden ihm dann den Weg weisen! Nun, war es Zeit seinen letzten Trumpf auszuspielen, seinen Körper. In der letzten Nacht war er noch fünf Seelen in fünf verschiedenen Körpern gewesen, doch nun waren die fünf Feuerwesen vereint und würden nun als eine Kreatur des Lichts, der Schatten und der Magie die Götter einen Schlag versetzen, den sie niemals wieder vergessen sollten. Er würde sie um das hart erkämpfte Land bringen.
Ein großer Triumph, der aber sogleich die Niederlage bedeuten würde. Denn indem er seine Magie freisetzte, das Land versenkte und seine Seele in die unerreichbare Zukunft schickte, würde er sein Volk vernichten! Eine Vielfalt von Leben würde zerstört werden, aber der Tod war ein Preis, der jeder zuzahlen bereit war, wenn er nur wusste, war auf den Krieg folgen würde.
Er hatte sich die ganze Schlacht über im Tempel im Vulkan versteckt, nun würde er sich zu seinem letzten Flug erheben, zum Flug in den Tod. Der Drachenphönix richtete sich zu seiner vollkommenen Größe auf und stieß einen markerschütternden Schrei aus, schlug mit seinen zwei goldenen Flügeln und erhob sich in die Luft.
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Es war Nacht, eine warme Sommernacht. Und es stank qualvoll. Der Geruch von Fäkalien schlich durch die fast leeren Straßen von Venedig, der Stadt der Liebe. Er verbreitete sich langsam, aber sehr wohl merklich, durch die engen Gassen dieser einst so prachtvollen Stadt. Die Gebäude hatten sichtlich bereits bessere Zeiten erlebt. Der Schimmel eroberte bereits die Wände der Häuser, die Häuser, die einfach ohne Zwischenraum aneinader gebaut worden waren. Nur die Gassen waren geblieben, die engen und feuchten Gassen, dieser einst so wunderschönen Stadt.
Frank Bezief schlich einsam durch diese Gassen, so wie er es jede Nacht tat. Er ging jede Nacht, dann wenn er endlich mit seinen Arbeiten, die er tagsüber erledigte, fertig war, spazieren. Das Spazieren gehen war seine verborgene Leidenschaft, denn so konnte er seine über den Tag erworbene Sorgen verlieren. So konnte er sich Lösungen für die immer neuen Fragen ausdenken, diese unendlichen Fragen, die ihm schon sein Leben lang das Hirn zermarterten. Er schlich nur spärlich bekleidet durch die engen Gassen der Stadt.
Er liebte diese Stadt, die er eigentlich gar nicht kennen durfte, denn sein Vater hatte ihm damals das Reisen verboten, doch das war ihm egal gewesen! Er war mit seinen damaligen Studienkollegen nach Venedig gereist und sich sofort in sie verliebt. Liebe auf den ersten Blick.
Dann, nachdem er sein Studium über Symbologie und verborgene Wissenschaften beendet hatte, zog er hierher. Er hatte die Stelle im Museum der verborgenen Künste dort erhalten und arbeitete absofort dort. Doch ihm war die Arbeit zu langweilig und kündigte, seitdem erforschte er die Bedeutung alter Schriftzeichen.
Jeden Tag arbeitete er Stunden um Stunden an ein und dem selben Zeichen und nachts ging er dann spazieren. Er genoss jeden Augenblick dieser Ruhe in der Nacht, er genoss sogar diesen elendiglichen Gestank.
Jetzt würde er nur noch über den San-Marco-Platz gehen, wieder in die Straße, in der er wohnte, einbiegen und dann würde er sich schlafen legen.
Er liebte diesen riesigen Platz, doch etwas war seltsam, etwas war anders als sonst. Die Stille. Es war leise, zu leise! Bezief schlich behutsam über den Platz und ihm fiel auf, dass weder vereinzelt noch ein paar Menschen umher eilten, noch die Händler, so wie immer, ihre Läden abschlossen. Der Platz war leer!
Bezief hörte nur noch das Plätschern des Wassers, er spürte nur noch die leichte Brise der Luft, die auf seiner Haut eine Gänsehaut verursachte. Er roch nur den modrigen Gestank des Schimmels und den fast nicht zu ertragenen Gestank der Fäkalien in der Luft.
Doch dann mischte sich ein seltsames Geräusch in das Bild, ein jämmerliches Wimmern, ein wahrlich jämmerliches Wimmern. Bezief bekam es mit der Angst zu tun und zog seinen Dolch, den er stets bei sich trug. Er war gerade am Verschwinden dieses unheimlichen Platzes, da packte ihn seine unergründbare Neugierde. Diese Gier nach Wissen, der er nicht widerstehen konnte!
Und so schlich er nun in Richtung des Wimmerns. Er näherte sich langsam und behutsam der großen San-Marco-Kathedrale, aus deren Inneres das Wimmern zu kommen schien. Er öffnete zwang sich durch den engen Spalt der beiden Torhälften.
Er setzte einen Schritt nach dem anderen, er war immer darauf bedacht nicht gehört zu werden. Er wollte wissen von wem oder was dieses sonderbare Wimmern ausging. Jedenfalls wusste er nun, dass das Wesen von dem das Wimmern stammte sich hinter dem Altar befinden musste.
Doch plötzlich hörte das Wimmern auf, es nahm ein abruptes Ende und Bezief erschrak. Doch nicht aus der Angst heraus entdeckt worden zu sein, sondern aus der Angst heraus das Wesen zu verlieren. Er stürmte los, rannte voller Verzweiflung seine Entdeckung zu verlieren auf den Altar los. Als plötzlich ein lauter Schrei erklang und sich ein Schatten auf Bezief stürzte, handelte er im Affekt. Er stieß den Dolch in das Fleisch des Wesens.
Bezief konnte das Wesen gar nicht erkennen, denn sofort als es starb formte es sich in grünes Licht und das Licht verschwand in einem Amulett. Dieses Amulett hatte das Wesen getragen und dieses Amulett sollte das Schicksal der Menschheit bestimmen. Denn auch Bezief verschwand in jener Nacht, genau wie das Amulett. Es geriet in Vergessenheit, so wie das Wesen, das später als Gurdur, der Wächter des Orakels, bekannt werden würde!