Biografien & Erinnerungen
Die Porsches III

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"Die Porsches III"
Veröffentlicht am 16. Februar 2010, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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einer der auf dem Weg ist ...
Die Porsches III

Die Porsches III

Ich jedenfalls hatte eine sehr schöne Kindheit, und ich erinnere mich gern. In der Schule war ich stolz, die jüngsten Eltern zu haben. Wir fuhren jedes Jahr in den FDGB-Urlaub. Dafür sorgte Mutti. Und wenn meine Eltern mal allein fuhren, war ich bei Oma und Opa. Das hat mir auch immer gut gefallen. Sie wohnten damals noch in Massen. In dem Bauernhaus hatten  sie eine Küche und eine Stube, später kam ein Schlafzimmer dazu. Mir gefiel es dort sehr. Zu Weihnachten machte Oma immer prima Gänseschmalz. Außerdem buck sie leckeren Kleckselkuchen und einen Apfelstrudel, der jeder Österreicherin Ehre gemacht hätte. Der Teig war so dünn, dass das Muster des darunter liegenden Tuches durchschien – so muß er sein – sagte Oma. Was mir nicht gefiel war die Zinkbadewanne am Freitagabend. Ich fand, dass es zuviel Mühe ist, das Wasser extra heiß machen zu müssen – aber ich durfte immer als Erste baden . Und das Plums-Klo über`n Hof konnte ich gar nicht leiden. Schließlich kam ich aus einer Wohnung mit Zentralheizung und Wasserklosett. Besonders liebte ich die beiden Katzen von Opa. Eine schwarz-weiß-rot gefleckte und eine schwarz-getigert. Das Beste aber war der Hund vom Bauern. Es war ein Drahthaardackel, der zur Jagd eingesetzt wurde. Das Tier war so scharf, dass er stets im Zwinger oder in der Scheune gehalten wurde. Denn auf dem Hof war auch eine Wäscherolle, die von vielen Hausfrauen des Ortes genutzt wurde. Distel hieß der Hund. Und wenn ich kam, jaulte er so lange laut und vernehmlich, bis ich endlich zu ihm kam. Ich durfte sogar mit ihm auf die Straße. Er zog mich zwar immer hinter sich her, aber mir kam keiner zu nahe. Mit dem Hund war ich sicher. Wenn ich da war, durfte sich Distel frei auf dem Hof bewegen. Ich sehe noch heute das Bild vor mir, wo ich mein Puppenzeug auf der Bank neben der Haustür ausgebreitet habe. Distel sitzt daneben. Oma kommt. Sie sagt etwas und ich reagiere wohl nicht richtig. Sie macht eine Handbewegung, die der Hund wohl als Bedrohung für mich auslegt und er schnappt nach Oma. Sie hat mich nie geschlagen – aber so ein Ding ! Meine Oma wird angegriffen ! Nun – es ist nichts passiert – der Hund hat nicht gebissen und Oma hat sich nur erschrocken – aber in Erinnerung ist es mir doch geblieben.

Oder die vielen Spaziergänge mit Vati. Mit Kopfrechnen nach Schnelligkeit. Unsere vielen Fahrten mit dem Fahrrad und dem Moped. Besonders schön, die abendliche Ausflüge, wenn wir auf Pirsch gingen. Rotwild zu beobachten hat einen besonderen Reiz. Oder die Mondscheinwanderung zu dritt bei Vollmond in der verschneiten Bürgerheide (dem Finsterwalder Forst). Der Schnee glitzerte, der Mond strahlte, und rundum Ruhe. Da ist noch ein Skiausflug. Es ist ein stürmischer Tag – kein Mensch auf der Straße. Vati und ich fahren mit den Skiern zum Segelflugplatz. Es ist nicht weit, aber sehr anstrengend bei dem Sturm. Der Segelflugplatz erstreckt sich über eine Anhöhe. Dort, auf dem höchsten Punkt angekommen, macht Vati seine Jacke auf, breitet sie mit den Armen aus wie Flügel und läßt sich vom Wind nach unten pusten. Natürlich habe ich es ihm nachgemacht – ein unvergeßliches Ereignis besonders weil Mutti, und das wußten wir ganz genau, für unser leibliches Wohl sorgte, so dass wir uns bei der Heimkehr mit Leckereien und heißen Getränken stärken konnten.

Meine Eltern und meine Großeltern hatten, solange ich zurückdenken kann, keinen großen Bekanntenkreis. Zu Festen wie Geburtstagen oder Weihnachten blieben wir stets unter uns. Bis auf gute Bekannte, die ebenfalls Umsiedler waren. Und es wurde – ganz klar – immer über die alten Zeiten gesprochen. Vati und Opa arbeiteten bei Kjellberg, Mutti und Oma bei Feintuch. Opa war in der  Elektrodenfertigung und fuhr Gabelstapler. Vati arbeitete im Automatenbau. Er war ein anerkannter Fachmann, der als Praktiker bei der Entwicklung von Schweißautomaten herangezogen wurde. Er bekam dafür mehrere  hohe Auszeichnungen. Die größte Auszeichnung für ihn selbst war ein Besuch bei Manfred von Ardenne in Dresden.

In der Tuchfabrik war Mutti in der Abteilung, die Fehler in den Stoffen reparierte.  Man muß sich das wie Laufmaschen in Strümpfen vorstellen. Mit Nadel und  Faden werden sie per Hand ausgebessert. Und das im Akkord ! Und Mutti war immer eine von den drei Besten. Sie hat zu meiner Kinderzeit viel, sehr viel gestrickt, und ich habe alles immer gern getragen. Aber Knöpfe annähen, Wäsche ausbessern oder so etwas, war nicht ihr Ding – kein Wunder, nicht wahr?

Oma arbeitete in der Appretur. Der Abteilung, wo die Stoffe aufbereitet werden und ihren letzten Schliff bekommen. Eine schwere Arbeit. Aber sie hat sie gern gemacht und mehrmals das Aktivistenzeichen bekommen, genau wie Vati. Tante Mariechen, ihre Schwestern und Traude gingen nach dem Westen. Sie leben noch heute in der Nähe von München. Meine Eltern blieben in der Wohnung Friedenstr. 76 und ich bekam nun mein eigenes Zimmer. Es war das Zimmer, in dem wir zuvor zu dritt gewohnt hatten. Schön für mich waren vor allem die vielen Westpakete, die ganz besonders zu Weihnachten so zahlreich bei uns eintrafen, dass jeder Paketzusteller meine Mutti schon kannte. Besonders in Erinnerung habe ich farbige, durchsichtige Folie, die wir in Rollen bekamen. Warum so wichtig für mich? Nun – immer kurz vor Beginn eines neuen Schuljahres ging ich mit meinem Bücherzettel ins Geschäft und holte mir die Bücher für das neue Schuljahr ab. Ich durfte mir immer alle Bücher kaufen! Das empfand ich stets als Auszeichnung, und es machte mich immer ganz stolz. Und nun kam Vati ins Spiel. Es war schon ein richtiges Ritual. Jedes Buch wurde in diese Folie eingeschlagen – ganz exakt. Es sah immer aus, als hätte man das Buch so gekauft. Das sah schick aus und war einmalig in der Klasse. Die Penne besuchte ich in Doberlug-Kirchhain. Das bedeutete tägliche Fahrt mit dem Zug oder dem Fahrrad. Heute steht die Penne in Finsterwalde und ich hätte einen Schulweg von fünf Minuten zu Fuß – aber das ist Geschichte. Studiert habe ich dann drei Jahre in Freiberg und auch für mich war es , wie für Earny, eine sehr schöne Zeit. Ich bin noch heute meinen Eltern dankbar dafür, dass sie mir nie vorgeschrieben haben, welchen  beruflichen Weg ich einschlagen sollte, sondern von Anfang an die Entscheidung mir überlassen haben.

Am Ende des Studiums lernte ich Earny kennen. Wir heirateten  1975. Und hier schließt sich der Kreis.

 

Natürlich gibt es in jeder Familie  gute und nicht so gute Zeiten.

Was bleibt und was zählt, sind die Erinnerungen. Und ich erinnere mich, dass für meine Großeltern und meine Eltern die Familie stets das Wichtigste war.

In ihrem Schoß war man sicher und half sich gegenseitig – ohne Abstriche.

Das ist ein gutes, schönes und manchmal auch sehr wichtiges Gefühl.

Ich bin dankbar dafür, es erfahren zu haben und werde es weiterleben –

für meine Familie und im Sinne derer, von denen ich dies gelernt habe.

 

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Boris
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