Biografien & Erinnerungen
Lesen & Schreiben

Schreiben

Buchstabe reiht sich an Buchstabe – es entsteht ein Wort.
Wort reiht sich an Wort – es entsteht ein Satz.
Satz reiht sich an Satz – es entsteht ein Kapitel.
Kapitel reiht sich an Kapitel – es entsteht ein Buch.
Buch reiht sich an Buch – sie füllen ein Bücherregal.
Bücherregal reiht sich an Bücherregal – sie füllen einen Raum.
Raum reiht sich an Raum – es entsteht eine Bibliothek.

Ganz soviel habe ich natürlich noch nicht geschrieben, aber wer weiß, vielleicht schaffe auch ich es einmal, ein Buch zu schreiben.


Lesen

Buchstabe reiht sich an Buchstabe – man liest ein Wort.
... – man liest eine ganze Bibliothek.

Ganz so viel habe ich natürlich noch nicht gelesen, aber wer weiß, vielleicht schaffe auch ich es einmal, mein Buch zu lesen, welches in einer Bibliothek steht.


Lesen & Schreiben

Wie habe ich eigentlich lesen und schreiben gelernt? Das ist schon sehr lange her. Es war eine Klosterfrau, eine Zamser Schwester, Schwester Zitta Wohlgenannt, die mir das beigebracht hat. Damals führten die Zamser Schwestern in unserer Gemeinde die Kindergärten und unterrichteten die Grundstufe der Primarschule. Auch ich kam in den Genuss dieser Lebensschule – die haben das toll gemacht! Während zwei Jahren Kindergarten und drei Jahren Primarschule gaben sie mir den Grundstock fürs spätere Lernen.

Schwester Zitta war wohl die beliebteste aller Klosterfrauen. Sie war klein, trug immer ein schwarzes Klosterfrauenkleid und eine weiße Schleierhaube. Fröhlichkeit strahlte aus ihrem runden Gesicht – eine Frau voller Liebe und Hingabe für uns Kinder. Sie war die Ruhe selbst. Niemand hörte je ein böses Wort aus ihrem Mund, keine Tatzen, keine Schläge und trotzdem herrschte Disziplin. Sie verstand es, uns Kinder spielerisch zu motivieren, bei ihr lernten wir mit Spaß und Freude. Sie war die geborene Lehrerin, mit Herz und Seele.

Mit dem Buchstaben A fing alles an, dann kam das B und dann das C, alles schön der Reihe nach - nicht wie heute kreuz und quer! Bald schon erkannten wir, dass man Buchstaben aneinanderreihen konnte. Wenn man diese dann – zwar anfangs noch etwas holprig – las, gab es ein Wort, das alle verstehen konnten.

Eine völlige Neuheit war die Leseuhr, ein blau plastifizierter Karton in etwa Größe A4 mit mehreren weißen Scheiben. Auf jeder Scheibe waren im Kreis herum alle Buchstaben des Alphabets angeordnet. Jede Scheibe hatte einen kleinen roten Nippel, damit man sie besser drehen konnte. Ich weiß nicht mehr, wie viele Scheiben es waren, die man so in verschiedenen Größen um die gleiche Achse drehen konnte. Im Anzeigefeld standen dann neben einander die Buchstaben und bildeten, wenn man sie richtig gedreht hatte, ein Wort. Ach was hatte ich für eine Freude mit dieser revolutionären Leseuhr!

Eines Tages war es dann soweit, wir lernten den Buchstaben U - ein unvergesslicher Tag -  endlich konnte ich meinen Namen „PAUL“ schreiben.

Mit Eifer ging es weiter, Tag für Tag benutzten wir auch fleißig unsere Schiefertafeln, schrieben darauf mit den Griffeln, dass es nur so  quietschte. Zu Weihnachten bekam ich von meinem Taufpaten ein Kinderbuch geschenkt: „Peter Strubel, der kleine Spatz“ – und ich konnte jedem zeigen, was ich gelernt hatte. Das erste Buch, das ich selber kaufen durfte war: „Purzelchen verreist allein“, erschienen, wie damals alle Kinderbücher, im Schneider Verlag – bis heute hat mich kein anderes Buch mehr beeindruckt.

Wie sagte doch meine Großmutter immer zu mir: „Wer nicht lesen kann, wer nicht schreiben kann, der ist nur ein halber Mann!“

Ich schicke einen lieben Gruß zu dir in den Himmel: „Danke Schwester Zitta, dass Du mir das Lesen und Schreiben beigebracht hast!“

Dein Schüler
Paul