Nika ist noch sieben Jahre alt und wurde schon mit ihrem neugeborenem Bruder ohne Namen ihrer Mutter entrissen. Ihre Reise beginnt sie ohne zu wissen, was sie da soll, wohin und warum. Sie folgt nur den Worten: "[...] Vertraue mir, Nika.". Sie kamen von einem Mädchen, dass sie im Wagen getroffen hatte, welcher sie zu einem Außenposten brachte
„Hallo.“, Miray lachte Nika an und bat sie sich neben sie zu setzen. Der Hof war mit einer Schicht von schwarzen Wolken bedeckt, das Gras war schwärzlich angehaucht. Schien nicht besser zu sein, als in der Stadt. „Sei nicht traurig, glaube mir, du wirst deinen kleinen Bruder wiedersehen und er wird sogar einen Namen haben.“, Miray lächelte und richtete ihre Aufmerksamkeit den Begutachter, der stolzierend durch die Reihen der Mädchen ging. Nika fragte sich, wie viel der Mann für das lüsterne Starren eigentlich bekam.
Plötzlich versteifte er, stellte sich gerade hin und legte die Hände an die Seiten, die Rechte angespannt an die Schusswaffe. Die Kinder neben Nika und Miray fingen an zu murmeln und sahen sich verloren um, sie verstanden es nicht, genau wie Nika. „Was ist hier los? Du schaust so, als würdest du wissen, was da geschieht.“, sie stupste Miray an. „Ah, ja ja.“, sie nickte hastig und sah sich um. „Miray?“, Nika sah sie verwirrt an.
„Gute Nacht, Sir!“, schrie der Begutachter plötzlich auf und sah mit steifem Blick nach vorne.
Ein schwarzer Schatten senkte sich mit einem Flügelschlaggeräusch über den Köpfen der Kinder nieder.
Dieser Mann, nennt eine Krähe Sir?
Nika sah fragend auf den wieder gekommenen Riesenvogel, der die Flügel wieder ausbreitend, sich vor die Kinder setzte und den Schnabel öffnete.
Schwarze Klauen blitzten am Boden auf und im Schnabel bewegte sich eine rotschwarze und spitze Zunge.
„Oh…“, kam es vom Begutachter, der anscheinend bemerkt hatte, dass es wirklich nur ein Vogel war, und nicht der Fürst in der Form des Vogels. Sofort tat er so als wäre nichts geschehen, doch man sah ihm seine Unruhe an. Er wollte nicht ausgelacht werden von Kindern oder besser gesagt, nicht den Fürst verärgern, dass er ihn mit einem für ihn niedereren Wesen verwechselt hatte. Doch die Kinder hielten sich zurück.
Nika sah zu Miray, die ihre Nägel aus ihrem Oberschenkel rauszog und zu Nika sah. „Entschuldige mich, ich scheine zu übertreiben.“, sie lachte zweifelnd. Nika sah sie fragend an und legte den Kopf zur Seite. Sie war komisch, Nika schien in ihr zusehen, dass sie etwas verbarg. „Wieso bist du so aufgeregt ihn zu sehen, diesen Bas-“, Miray legte die Hand sofort auf Nikas Mund, als sie erahnte, was diese sagen wollte, „Willst du etwa sterben!“, zischte die Ältere von beiden sie an und zwinkerte ihr zu. „Vertrau mir, ich werde es schon hinbiegen, so wie ich es will.“, es schien schon so, als redete Miray mit sich selbst, als sie den Satz langsam beendete.
„Ruhe, Weib!“, knurrte der Begutachter sie an und kam näher an die beiden heran. Nika wich zurück, doch Miray hielt sie an der Hand fest. „Bleib ruhig.“, forderte sie von Nika, für die das alles neu war.
„Du siehst nicht aus wie…ein Mädchen.“, die Augen des wirklich fetten Mannes wurden enger, er wischte sich über sein fettiges Gesicht und sah Miray genau an. Doch sie hatte nur fest ihre Zähne zusammen gebissen und sah verkrampft hinauf zum Mann. „Nun gut, mal sehen was er sagen wird.“, der Begutachter spuckte sich in die Hände. „Ihr drei, ihr werdet zur Gruppe Zelionus gehen. Die fünf gehen zur Gruppe Lio…Ihr zwei geht zur Gruppe Kentaures…“, Nika sah zu Miray, sie verstand nun gar nichts mehr. Gruppe Kentaures? Was war das? Doch Miray nickte nur, legte einen Finger auf ihre Lippen und sah wieder nach vorne. Ob sie es Nika später erklären würde, wusste Nika nicht.
Die Einteilung hatte noch lange gedauert, da der Mann etwas wählerisch war. Doch letztendlich waren alle in der gleichen Gruppe geblieben, die für sie zuerst vorbestimmt worden war.
Nika und Miray durften zusammen bleiben, obwohl die beiden Mädchen sich mit drei Jahren unterschieden und es hier wahrscheinlich, nach Jahrgang aufgeteilt wurde.
Sie mussten einem stummen Wachmann folgen, der in einer glänzenden Silberrüstung, sie zu einem Gebäude brachte. Dort sprach er eine Weile mit dem vor der Tür stehenden Mann. Dann ging es weiter.
Nika traute sich nicht währenddessen Miray anzusprechen und folgte einfach nur dem Schatten des Soldaten.
„Hier sind wir…“, der Mann in der Rüstung stellte sich gerade neben die Tür und diese öffnete sich krächzend. Der Raum dahinter war etwas dunkel, doch als Miray und Nika hineingingen, erhellte er sich mit flammenden Kerzen.
Miray zuckte zusammen, als ein kalter Wind ihre Nackenhaare aufstellte, sie schien schon fast zu knurren, wie ein alter Hund.
Nika rieb sich die Oberarme, ihr wurde kalt in dem dünnen Hemdchen, dass sie anhatte und sah sich in der schwach erhellten Halle um. Denn jetzt erkannte man, dass es nicht nur ein Raum war, sondern eine riesige aus Marmor gebaute Halle. „Miray, lauf nicht weg!“, fuhr Nika auf und griff nach ihrem Arm, doch Miray schoss plötzlich los und verschwand in der vor ihnen stehenden Dunkelheit.
„Zeig dich!“, hörte Nika sie schreien und einen dumpfen Schlag, dann erhellte sich auch der letzte Teil der Halle und Nika erblickte zwei komische Wesen, die Miray fest hielten. „Eh…La-…Bitte, lasst sie los.“, Nika kam näher und die zwei Wesen, die aussahen wie die Mischung zwischen Vögeln und Menschen, ließen Miray los. Die zwei Wesen öffneten ihren Mund, der ein Schnabel eines Kirschkernbeißers ähnelte. Sie hatten beide einen Kopf eines Vogels, auf dem Rücken die Flügel und die Beine aus dem ledernen und die Klauen der Vögel. Doch der Oberkörper war der eines Mannes.
„Nika und Miray?“, die zwei Halbmenschen reichten beiden die Hand und zwitscherten die Namen durch und zwar gleichzeitig.
Nika sah mit großen Augen die zwei identischen Wesen an. „wunderschöne Stimmen…“, murmelte sie bei Halbbewusstsein und sah dem rechten Halbwesen in die Augen. „Miray, was sind sie?“, ohne auf Mirays vorherige Wut einzugehen, wollte Nika es unbedingt wissen, was da vor ihr stand und sie so sehr faszinierte. „Ein Vogelmensch, so nennt ihr es. Wir oder eben andere nennen sie auch gerne Harpyones. Mehrzahl.“, Miray rümpfte die Nase und sah die Halbwesen abfällig an.
„Ihr, mitkommen zu Fürsten.“, Nika hatte schon gleich gewusst, dass diese Dinger vor ihr, die Harpyones, nicht richtig in der Menschensprache reden konnten. Deswegen sprachen sie auch nicht in grammatikalischen Sätzen.
Mit kurzem Zerren und dem kalten Gefühl am Oberarm wurde Nika vom rechten Halbwesen tiefer in die Halle gezogen. „Lass mich los du widerliches Ding!“, fuhr Miray plötzlich auf und schrie.
So schön ihre Stimme auch vor wenigen Sekunden war, so schrecklich und unbarmherzig weh tat sie nun in den schwachen Ohren von Nika und wahrscheinlich auch in den Ohren von den Harpyones.
Plötzlich verschluckte sich Miray oder es schien eben so. Sie griff in ihr Gesicht und strich über ihre Lippen. Erst jetzt erkannte Nika auch wieso. Eine feine Wunde verlief über ihre Unterlippe und ließ Blut runter laufen. Sie schritt mit ängstlichem Blick zurück, sah nach vorne in den Weiterverlauf der Halle. Es schien immer weiter zu gehen und das ohne Ende.
„Ich spüre dich schon! Komm her!“, rief Miray hinauf zur Decke und ihre Stimme wurde widergehallt.
Die Halbwesen sah sich fragend um, dann packten sie Nika und verschwanden hinter eine Säule, als ein kleiner kalter Wind vorbei fegte. Die Säule schien wohl zu Schutze ihrer eigenen Leiber zu dienen.
Miray stand versteift da, hielt sich an der Unterlippe und sah sich um. Der Wind umfing sie und zerrte an ihrer hautdünnen Kleidung. „Da…bist du ja endlich…“, ihr verschlug es die Sprache als einen jungen Mann auf sie zu kommen sah. Er war drei Meter vor ihr aus einem schwarzen Schatten aufgetaucht und sah sie mit emotionslosem Blick an. Miray schritt sogar zurück.
Nika verspürte die Kälte, die von dem Mann im schwarzen Umhang ausging, obwohl sie fast zehn Meter weg stand und das auch noch hinter einer Säule.
„Du! Du hast meine Familie auf dem Gewissen!“, fuhr Miray auf einmal wieder auf, doch sie hatte nicht genug Mut und Kraft gefasst gegen den Mann vor zu gehen. Denn dieser hob nur den Kopf verächtlich und blickte auf sie hinunter. „Redet nicht so mit dem Fürsten.“, sprach eine Stimme aus der Nähe, doch man sah niemanden, der den Worten gleich, seine Lippen bewegte.
Mit langsamen und leisen Schritten, kam etwas aus einer Ecke. Ein hochgewachsener Mann mit Glatze, einem Buch in der rechten und komische Schriftzeichen im Gesicht, kam an den Fürsten heran und gab ein verachtendes Kichern von sich. Er war dünn und man sah seine knochigen alten Hände das Buch halten, als er es Aufschlug. „Nach meinem wissen, droht dir nun der Kerker. Aber der Fürst hat anderes zu tun, als dich nun zu bestrafen. Uns ist nämlich klar…“, der Glatzköpfige trat näher an Miray heran, die nach Luft rang und einen Schritt zurückwich. „Wer und vor allem was du bist.“, das was unterstrich der Mann mit einem breiten Grinsen, dann sah er zurück zum Fürsten der langsamen Schrittes zum Ende der Halle lief und mit einer eleganten Bewegung sich auf einen steinernen Thron setzte. „Mein Herr?“, der in einem weißen Gewand gekleidete Mann sah zu den Halbwesen zurück und befahl ihnen auch Nika her zu geben.
Nika fing an zu zittern, sie bekam Angst und der Zitteranfall weilte nicht sehr kurz. „T-tun Sie mir bitte nichts!“, stotterte sie und sah dem Mann vor sich in die Augen. „Ich? Ich werde niemandem etwas tun.“, schnaubte er und warf einen Blick in sein Buch. Er schien wohl der Anwalt oder sonst etwas zu sein. Der Fürst auf seinem kalten Thron verfolgte jede einzelne Bewegung, das schwache Licht um ihn herum, ließen tiefe Narben in sein Gesicht zeichnen, als wäre er schon seit Jahren geschunden worden.
„Niemand wird euch etwas antun, aber ihr sollt euch beide bewähren.“, „Aber, mein Fürst!“, der Glatzkopf wandte sich um und sah den Fürsten entsetzt an. Miray lief schon ein breites Grinsen an, das hatte der mit dem Buch wohl nicht erwartet. Nika sah die Halbwesen nochmals an, die sie nach vorn zerrten. „Nicht Angst haben. Er sorgen gut.“, zwitscherte der Linke und nickte nur.
Der Fürst erhob sich wieder und sah Miray an, „Vor allem du wirst nützlich sein…“, seine kalten Augen gaben den Schimmer der Kerzen wieder und trotzdem waren sie so bitterkalt, dass Miray zischen die Kälte versuchte von sich fernzuhalten. „Du wirst bereuen, dass du meine Eltern getötet hast.“, „…Kind, ich habe sie nicht getötet.“. Der Fürst sah zu den Halbwesen und dann zu Nika, die verwirrt hin und her sah und ihre Angst in der ganzen Halle zu schmecken war. Er schritt an sie heran und hob ihr Kinn an. „Ich habe sie befreit.“, flüsterte er ihr ins Ohr und obwohl das das Ende des Satzes für Miray war, hatte es nur Nika gehört.
Mit eleganter Drehung wandte sich der junge Mann um und verschwand in den nächsten Sekunden im Schatten. Der Anwalt oder was er auch war rannte sofort hinterher und rief etwas auf einer anderen Sprache. Die Halbwesen ließen Nika und sahen dann zu Miray. „Euch gehen gut?“, Miray sah ihn verblüfft an. „Ihr seid wohl untergeschmuggelte.“, „Wir nicht wissen, was Kind meint, aber wir bringen zu Zimmer.“ Mit einem zaghaften Lächeln nahm Miray Nika bei der Hand und folgte den beiden Halbwesen.