Humor & Satire
Bahnfahrt ...

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"Bahnfahrt ..."
Veröffentlicht am 11. Februar 2010, 12 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig Liebe mbH ISBN 978-3-944907-00-0 Querfeldein ISBN 978-3-944907-02-4 Beide Bücher leider komplett ausverkauft. Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir: Quertextein und hinterm Komma links ISBN 978-3944907215 Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/
Bahnfahrt ...

Bahnfahrt ...

Beschreibung

Leider weitestgehend authentisch ...

Bahnfahrt ...

 

„Verehrte Fahrgäste, wegen der Betätigung einer Notbremse sind wir zu diesem außerplanmäßigen Halt auf freier Strecke gezwungen. Wir werden uns bemühen, das Problem so schnell wie möglich zu beheben und informieren Sie, sobald es weitergeht.“

„Sehr witzig“, brummelt der Mann an meiner Seite. „Wenn es weitergeht, merke ich das auch von selbst ...“

Innerlich nicke ich. Was soll's, denke ich, bis zum Arzttermin ist es noch eine gute Stunde hin; selbst wenn wir jetzt dreißig Minuten lang die schneebedeckte Landschaft links und rechts der Gleise bewundern dürfen, komme ich noch pünktlich. In der S-Bahn ist es warm und das mitreisende Publikum zu beobachten, verspricht interessant zu werden. Passt schon.

 

Die Tür zwischen Fahrgastraum und Cockpit öffnet sich und mit wütender Miene schreitet der Lokführer den Mittelgang entlang, argwöhnisch jede Notbremsevorrichtung beäugend, auf der Suche nach dem betätigten Exemplar und dem möglichen Übeltäter, den entweder das ins Gesicht geschriebene schlechte Gewissen verraten wird oder der in den Augen blitzende Schalk. Ist sein Blick auf dem Hinweg noch entschlossen gewesen, wirkt er auf dem Rückweg eher ratlos ...

 

Die Tür schließt sich wieder, ebenso wie meine Augen. Warum die Wartezeit nicht für ein paar Momente der Entspannung nutzen?

 

Tapp, tapp. Von hinten höre ich Schritte. Ein kleiner Mann mit extrem hohem Haaransatz, geschmackvoll gemustertem Anorak (rosa Schneeflocken auf orangefarbenem Grund) und farblich dazu abstechendem giftgrünem Rucksack nähert sich entschlossen dem Lokführerstand, klopft energisch gegen die Tür, gestikuliert wild und bekommt ein Schulterzucken zur Antwort. Verkniffenen Mundes macht er sich auf den Rückweg.

 

„Verehrte Fahrgäste ...“ Ich zucke zusammen. Zehn Minuten sind seit der letzten Ansage vergangen. „Verehrte Fahrgäste, die Störung lässt sich nicht so leicht beheben, wie wir zunächst gehofft hatten. Bitte erschrecken Sie nicht, wir werden jetzt das Licht ausschalten. Vielen Dank.“ Erschrecken, weil das Licht ausgeschaltet wird? Nachmittags um drei? Ja nee, iss klar ... Und wofür, zum Teufel, bedankt sich die Stimme aus dem Off?

 

„Von wegen Notbremse“, lässt sich mein Nachbar wieder vernehmen. „Hat überhaupt nicht geruckelt, der Zug. Hat nur zweimal von unten irgendwas gegengeschlagen. Wer weiß, welches technische Problem die in Wirklichkeit haben. Typisch Deutschland, liegen mal fünf Zentimeter Schnee, kackt alles ab. In Sibirien fahren die Züge auch bei minus 40 Grad und hier ... da, wusste ich's doch!“

Was er eigentlich „wusste“, kann ich nicht nachvollziehen, aber mein Blick folgt dem seinen. Auf einem Feldweg nähert sich ein Servicewagen der Bahn und ein Techniker mit Helm (!) über der Wintermütze und weithin leuchtender Warnweste steigt aus. Gemeinsam mit dem Bahnführer spaziert er anschließend an unserem Fenster vorbei, eine Hand in der Jackentasche vergraben, die andere samt Handy am Ohr. Festgefroren wahrscheinlich, denn dort bleiben die Hände auch die nächsten zwanzig Minuten.

 

Schritte von hinten. Ein giftgrüner Rucksack auf rosa-orangefarbener Jacke schiebt sich in mein Blickfeld. Klopfen an der Cockpittür, wildes Gestikulieren, Schulterzucken, verkniffener Mund.

 

„Verehrte Fahrgäste, das Problem lässt sich leider nicht vor Ort lösen. In wenigen Minuten erwarten wir eine Lok, die uns nach Hannover schleppen wird.“

 

Allgemein erleichtertes Aufseufzen. Die Sekunden tropfen zäh. (Hach, hätte nie gedacht, dass ich mal eine Verwendung für diese schöne, lyrische Formulierung finden würde ...) Langsam wird es kalt, Licht- und Heizungsfunktion sind vermutlich gekoppelt? Tatsächlich rauscht nach zehn Minuten auf dem Gegengleis eine Lok vorbei, fährt bis zur nächsten Weiche und dockt dann offensichtlich von hinten an unseren Zug an, denn wir – hurra – bewegen uns 20 Zentimeter vorwärts ... und dann wieder rückwärts. Nix iss ... Lokführer und Servicemann inspizieren die Räder, klopfen mit einem Hämmerchen dagegen und telefonieren jetzt beide.

 

Schritte von hinten. Giftgrüner Rucksack, Klopfen, Gestikulieren, Schulterzucken ...

Mein Gegenüber und ich grinsen uns an. Muss wahnsinnig wichtig sein, der Mann.

 

„Papa, ich muss mal!“

„Jetzt nicht, Laura-Marie, Zugklos sind immer so dreckig.“

„Junger Mann, Kaugummi gehört aber eingepackt, bevor man es in den Mülleimer schmeißt.“

„Ey, Alter, was  hörstn da fürn Schrott? Voll grottig ...“

„Papa, ich muss aber W I R K L I C H ! ! !“

„Hi, Mama, vergiss die Lasagne, ich ziehe mir bei Mäckes einen Hamburger rein.“

„Tut mir leid, Herr Xantner, aber den Anschlusszug nach München werde ich nicht schaffen, wir müssen unsere Sitzung voraussichtlich ...“

 

Auch ich habe zwischenzeitlich meine Prepaidcard um etliche Euro erleichtert, um im Logistikcenter der Arztpraxis auf mein Späterkommen hinzuweisen, in der Hoffnung, der Termin, auf den ich fünf Wochen gewartet habe, möge mir wundersamerweise auch noch mit mehrstündiger Verspätung gewährt werden.

„Haben Sie eine ungefähre Vorstellung, was den Zeitraum betrifft?“, werde ich gefragt. Vorsicht, Vorsicht, wenn ich jetzt so antworte, wie ich gerne möchte, bekomme ich garantiert keinen neuen Termin mehr für diesen Tag. Heiße ich Grube, oder was?

 

Schritte von hinten. Rucksack, Klopfen ... (KEIN WITZ!)

 

„Verehrte Fahrgäste, in circa fünfzehn Minuten wird auf dem Nebengleis die uns auf dieser Strecke nachfolgende S-Bahn halten. Wir werden eine Brückenverbindung herstellen und ich werde Sie in Ihren neuen Zug geleiten (!), der Sie zu ihrem Fahrziel bringen wird.“

„Es hat uns gefreut, Sie als unsere Gäste begrüßen zu dürfen. Bitte beehren Sie uns bald wieder ...“, füge ich leise hinzu und mein Gegenüber kichert.

 

Die versprochenen fünfzehn Minuten bekommen Junge ... so dass sich der giftgrüne Rucksack wieder bemüßigt fühlt, zu klopfen, zu gestikulieren und ... (wieder KEIN Witz ! ! !)

Behäbige fünfunddreißig Minuten später können wir endlich umsteigen. Aufmunternd lächele ich dem Zugführer zu, dessen Stimme mich wohl noch im Traum verfolgen wird, und mit knapp zweistündiger Verspätung erreiche ich mit hängender Zunge die Arztpraxis. Eine Putzfrau ist bereits dabei, die Spuren etlicher Winterstiefel von den Marmorfliesen zu tilgen und mein Mut sinkt angesichts der verwaisten Stühle im Empfangsbereich. Aber – oh Wunder – der PC ist noch in Betrieb und wie aus dem Nichts taucht auch eine freundliche Arztsekretärin auf, die anstandslos meine Erklärungen akzeptiert und mich bittet, noch einen Moment Platz zu nehmen. Eine Dreiviertelstunde später verlasse ich schließlich die Praxis, nicht ohne hinter mir noch das deutliche Klicken des Schlüssels zu vernehmen.

 

Ermattet sinke ich im nächstbesten Lokal auf einen Stuhl und beiße dankbar in das „vom Haus“ gereichte Weißbrot. Schnell habe ich mich entschieden; eine Portion Souflaki und ein Glas trockener Weißwein werden meinen Lebensgeistern sicherlich aufs Wunderbarste zur Wiederauferstehung verhelfen. Zufrieden klappe ich die Speisekarte zu und lehne mich entspannt zurück, als mein Blick auf den Garderobenständer fällt. Rosa Schneeflocken auf orangefarbenem Grund ... Muss ich noch erwähnen, dass sich fast zeitgleich ein giftgrüner Rucksack in mein Blickfeld schiebt?

 

 

 

 

 

 

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Hörbuch

Über den Autor

Gunda



Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig

Liebe mbH
ISBN 978-3-944907-00-0
Querfeldein
ISBN 978-3-944907-02-4

Beide Bücher leider komplett ausverkauft.

Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir:
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ISBN 978-3944907215

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Gunda Re: ;-)) -
Zitat: (Original von Christina_Maverik am 12.04.2010 - 22:04 Uhr) Wie äußerst verlässlich uns die Bahn doch den Tag versauen kann.
Dein giftgrüner Rucksack ist wirklilch zum schreien komisch. Eine tolle Geschichte mitten aus dem Leben, die so sicher öfter passiert.
LG Christa




Und das Beste daran ... sie ist auch, bis auf wenige Details, weitestgehend authentisch, Christa ...

Danke für deinen Marathon durch meine Gedichte. Den einen oder anderen Kommi werde ich dir jetzt noch beantworten.

Lieben Gruß
Gunda

PS: Wann gibt es von dir mal wieder etwas Neues???
Vor langer Zeit - Antworten
Christina_Maverik ;-)) - Wie äußerst verlässlich uns die Bahn doch den Tag versauen kann.
Dein giftgrüner Rucksack ist wirklilch zum schreien komisch. Eine tolle Geschichte mitten aus dem Leben, die so sicher öfter passiert.
LG Christa
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Cool... -
Zitat: (Original von DJSPotlight am 21.02.2010 - 09:18 Uhr) Und, wie könnte es anders sein, schon wieder einmal überzeugend einfallsreich und leider realitätsnah herüber gebracht was es heißt Bahn zu fahren. Wohl einer der Gründe weshalb ich mein Auto über alles liebe, aber auch dort hats seine Tücken...
Die Kurzgeschichte ist äußerst ermunternd und bereits nach wenigen Zeilen wurde aus dem Schmunzeln ein hämisches Gelächter. Leider, ich bin ja ehrlich, flaut die Geschichte zum Ende hin ein wenig ab und man liest, zumindest ich, bis zum Ende weiter, wartend auf den nicht mehr kommenden Lacher.
Dennoch, liebe Gunda, ist dieses Werk erstaunlich schön und erschreckend wahr und deshalb so gut! 5 Schneeflocken schüttel ich dir da aus meinem Bettzeug, die Kinder mögens mir vergeben, dass nicht mehr Schnee draus wird!

Greetz

Der DJ



Die Kinder mögen es dir verzeihen, ich bin dir sehr dankbar dafür, denn von Schnee habe ich inzwischen die Nase voll ...

Danke für deine ehrlichen Worte, D.J. :o)

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
DJSPotlight Cool... - Und, wie könnte es anders sein, schon wieder einmal überzeugend einfallsreich und leider realitätsnah herüber gebracht was es heißt Bahn zu fahren. Wohl einer der Gründe weshalb ich mein Auto über alles liebe, aber auch dort hats seine Tücken...
Die Kurzgeschichte ist äußerst ermunternd und bereits nach wenigen Zeilen wurde aus dem Schmunzeln ein hämisches Gelächter. Leider, ich bin ja ehrlich, flaut die Geschichte zum Ende hin ein wenig ab und man liest, zumindest ich, bis zum Ende weiter, wartend auf den nicht mehr kommenden Lacher.
Dennoch, liebe Gunda, ist dieses Werk erstaunlich schön und erschreckend wahr und deshalb so gut! 5 Schneeflocken schüttel ich dir da aus meinem Bettzeug, die Kinder mögens mir vergeben, dass nicht mehr Schnee draus wird!

Greetz

Der DJ
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Liebe Gunda ! -
Zitat: (Original von Gast am 16.02.2010 - 18:59 Uhr)

Tja, das war wohl ein Lapsus von mir!
PARABEL(nicht die Kurve...((schon gar nicht die, die ich jetzt damit kriegen will)) hätte es lauten sollen.
Die FABEL(nich die mitte Tiere) sondern : einer Dichtung, Erzählung zugrunde liegende Handlung in ihren wesentlichen Zügen - die Fabel deiner Geschichte also ist ja nicht neu und zielt zunächst eben gerade darauf, dass sich der Leser ?aha-affektiert? als unfreiwilliger Protagonist erlebter(erlittener) S-Bahn-Tragödien wiederentdeckt. (und sich freut, dat er diesmal nich drinne steckt und et andern ähnlich jing)


Haargenau, mein Lieber, so ein bisschen zielte das Ganze natürlich auch darauf ab, den schadenfroh Kichernden im Leser zu wecken ...



Zitat: (Original von Gast am 16.02.2010 - 18:59 Uhr) Aber das allein macht die famose Wirkung nicht aus. Diese wird durch deinen einzigartigen Erzählstil, die Darstellung und Komposition der fein beobachteten Details erzielt. (Nu musst ick det doch sagen!)
Wie innerhalb geläufiger Rahmenbedingungen oftmals Situationskomik heraufbeschworen wird und wie diese von dir mit diskretem Anschub, lautloser Mühsal, aber überwältigendem Effekt in zentrale Pose gestellt wird ? DAS macht dir keiner nach ! ICH wüsste niemanden !




Hach, ich hätte diesen Teil deines Kommis natürlich in meiner Antwort auch löschen können ... aber ... nö! *geschmeichelt*fühl'*.
Ich nehme das mal so hin ;o)




Zitat: (Original von Gast am 16.02.2010 - 18:59 Uhr)
So, ich habe noch einen Lapsus zu gestehen: Ich dachte bis kurz vor Schluss der Geschichte, der ?giftgrüne Rucksack? wollte sich freiwillig als Übeltäter stellen, jedes Mal, als er an der Tür zum Fahrerabteil klopfte. Aber was hätte das dem Drama gebracht, wenn der Handbremsen-Zieher entdeckt würde - jedenfalls keine entscheidende Wende. Der kleine Mann wäre der entsprechenden Strafe, den Zug jetzt zu schieben, niemals gewachsen gewesen. Der Filmschurke war er also nicht. Dann schien er mir doch zumindest noch für eine bedeutende Nebenrolle geeignet : Der des wandelnden bösen Omens. (Überall wo der ufftaucht, passiert wat). Auch nicht ! Er chargierte lediglich als I-Tüpfelchen-Setzer, als Tröpfken fürt randvolle Fass. Er war der Kitzler (Vorsicht: wieder ein Homonym!) überreizter Nerven, das Öl fürs Feuer, die Inkarnation des Dilemmas, das Sinnbild der Schlamassels, die verkehrteste Antwort auf allgemeine Ratlosigkeit.
Liebe Gundi, hab ich wenigstens DAS richtig erkannt?
Wenn dem so wäre, läge ich mit meiner Interpretation ja doch nicht gänzlich daneben und brauchte mich für meine Schlussfolgerung, mein Fazit?meine fabulöse Parabel nicht in die dunkelste Ecke stellen.


Dopp


Brauchst du wahrlich nicht, Micha, denn du triffst genau. Es gab keinen Übeltäter, denn die Notbremse in ihrer ursprünglichen Funktion wurde wohl gar nicht betätigt, gleichwohl aus irgendwelchen technischen Gründen ausgelöst. Und diesen Mann habe ich keineswegs "erfunden", damit du etwas zu interpretieren hast, es gab ihn wirklich - und für uns Verspätungsgemarterte war es der Lichtblick im Dunkel unseres erzwungenen Stillstands, wenn wieder dieses "Tapp, tapp" zu hören war ...

Lach ... "fabulöse Parabel" ... eine saubere Kurve, die du da gekriegt hast :o))

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gast Liebe Gunda ! - Liebe Gunda !

Tja, das war wohl ein Lapsus von mir!
PARABEL(nicht die Kurve...((schon gar nicht die, die ich jetzt damit kriegen will)) hätte es lauten sollen.
Die FABEL(nich die mitte Tiere) sondern : einer Dichtung, Erzählung zugrunde liegende Handlung in ihren wesentlichen Zügen - die Fabel deiner Geschichte also ist ja nicht neu und zielt zunächst eben gerade darauf, dass sich der Leser ?aha-affektiert? als unfreiwilliger Protagonist erlebter(erlittener) S-Bahn-Tragödien wiederentdeckt. (und sich freut, dat er diesmal nich drinne steckt und et andern ähnlich jing) Aber das allein macht die famose Wirkung nicht aus. Diese wird durch deinen einzigartigen Erzählstil, die Darstellung und Komposition der fein beobachteten Details erzielt. (Nu musst ick det doch sagen!)
Wie innerhalb geläufiger Rahmenbedingungen oftmals Situationskomik heraufbeschworen wird und wie diese von dir mit diskretem Anschub, lautloser Mühsal, aber überwältigendem Effekt in zentrale Pose gestellt wird ? DAS macht dir keiner nach ! ICH wüsste niemanden !

So, ich habe noch einen Lapsus zu gestehen: Ich dachte bis kurz vor Schluss der Geschichte, der ?giftgrüne Rucksack? wollte sich freiwillig als Übeltäter stellen, jedes Mal, als er an der Tür zum Fahrerabteil klopfte. Aber was hätte das dem Drama gebracht, wenn der Handbremsen-Zieher entdeckt würde - jedenfalls keine entscheidende Wende. Der kleine Mann wäre der entsprechenden Strafe, den Zug jetzt zu schieben, niemals gewachsen gewesen. Der Filmschurke war er also nicht. Dann schien er mir doch zumindest noch für eine bedeutende Nebenrolle geeignet : Der des wandelnden bösen Omens. (Überall wo der ufftaucht, passiert wat). Auch nicht ! Er chargierte lediglich als I-Tüpfelchen-Setzer, als Tröpfken fürt randvolle Fass. Er war der Kitzler (Vorsicht: wieder ein Homonym!) überreizter Nerven, das Öl fürs Feuer, die Inkarnation des Dilemmas, das Sinnbild der Schlamassels, die verkehrteste Antwort auf allgemeine Ratlosigkeit.
Liebe Gundi, hab ich wenigstens DAS richtig erkannt?
Wenn dem so wäre, läge ich mit meiner Interpretation ja doch nicht gänzlich daneben und brauchte mich für meine Schlussfolgerung, mein Fazit?meine fabulöse Parabel nicht in die dunkelste Ecke stellen.



Lieben Gruß :
Micha Sorbas Dopp
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Mann, ick Döskopp ... -
Zitat: (Original von pekaberlin am 16.02.2010 - 14:16 Uhr) Der Rucksack war bestimmt so "Hände hoch einsfuffzich". Die, die immer in Sportschuhen laufen und sich auf die Zehenspitzen stellen, wenn sie etwas sagen wollen. Oder?
Und der hat bestimmt auch nur Ruck in seinem Sack gehabt!



Warst du dabei, Peter? Du hast nämlich genau getroffen. Der Typ war wirklich mehr breit als hoch. So einer, dessen Nase und Schulterpartie immer schon ein paar Sekunden eher im Ziel sind als der Rest des Körpers ...
Öhm, tja, also über den Sackinhalt kann ich nicht wirklich Auskunft geben, aber immerhin hat er einen Sechserpack 1,5-Liter-Flaschen Wasser transportiert und kein Öttinger :o)

Lieben Gruß
gunda

PS: Ich bin immer ein bisschen hin und hergerissen, WO ich denn nun deine Gedichte kommentieren soll, hier oder beim GdT. Aber die, die dort gerade erscheinen, kenne ich ja von hier schon ...
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Mann, ick Döskopp ... - ... wollte Dir ja noch watt schreiben, zu die Jeschichte, Gunda. Aba denn musst ick Kartoffeln schäl'n und hab det vajessen! Kannste mir nochma Vazeihn?
Find ich schön beobachtet und fein ziseliert! Der Rucksack war bestimmt so "Hände hoch einsfuffzich". Die, die immer in Sportschuhen laufen und sich auf die Zehenspitzen stellen, wenn sie etwas sagen wollen. Oder?
Und der hat bestimmt auch nur Ruck in seinem Sack gehabt!
Hab mich köstlich amüsiert!
Gruß Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Was lehrt uns diese Fabel ? -
Zitat: (Original von Gast am 15.02.2010 - 20:16 Uhr) Der Mensch ist nie zufrieden !

Er wollte nach Wochen dauerndem, nicht ohne innere Unruhe verbrachtem Warten endlich den so wichtigen Arzttermin wahrnehmen. Seinem dringendstes Anliegen an den Tag, hatte dieser doch entsprochen ! Dennoch empfindet er nicht die geringste Dankbarkeit dafür, dass im Wartezimmer der Praxis kein giftgrüner Rucksack auf rosa-orangefarbener Jacke aufgetaucht war....

Tja, Gunda mit diesen Zelen musst du nun vorlieb nehmen, denn was ich eigentlich sagen wollte, hat mir meine Vorrednerin Marion schon "wegstibitzt".


Lieben Gruß:
Micha Sorbas Dopp



Fabel? Hmm, ich habe nochmal ganz genau nachgelesen, aber ich kann keine Tiere in meiner Geschichte entdecken, Micha ;o) Wenn man mal davon absieht, dass der grün Berucksackte Ähnlichkeit mit einem Bullterrier hatte :o)

Wie schön, dass du mir mit deinem KOmmentar aufzeigst, wie dankbar der Mensch doch für die kleinen Freuden des Lebens sein sollte. Vielen Dank, mein Lieber, bei passender Gelegenheit werde ich mich demütigst daran erinnern ... lach.

Lieben Gruß und *freu*, dass du hier vorbeigeschaut hast.

Gunda
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Gunda Re: Lang, aber nicht langweilig -
Zitat: (Original von MarionG am 15.02.2010 - 18:14 Uhr) Liebe Gunda,
keiner kann Pannen, Missgeschicke und den Irrsinn des Lebens so gekonnt in Worte kleiden wie Du. Wirklich sehr amüsant geschrieben. Mich schrecken lange Texte am PC, deshalb kommt mein Kommi auch so spät. Deinen habe ich aber nur so verschlungen, hätte ich mich auch frühen dranmachen können.
Liebe Grüße und *****
Marion




Grins: Als ich den Text fertig hatte, habe ich erstmal ausprobiert, wie viele MyStorys-Seiten daraus wurden ...
Freue mich, dass du durchgehalten hast.:o))

Lieben Gruß
Gunda
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