Beschreibung
Viele glauben, dass Engel und Teufel ausschließlich gut und böse sind. Ich möchte hier eine Geschichte erzählen, die etwas anderes behauptet. Ob sie am Ende wahr ist oder nicht ... Nun, das muss jeder für sich entscheiden. =)
Die Lösung eines Problems
Die Sonne schien hell und klar auf die kleine Stadt „Merging“ und es herrschten traumhafte Temperaturen an diesem Sommertag. Keiner hetze sich ab und jeder erfreute sich des Lebens.
Merging war dafür bekannt geworden, dass hier die wenigsten Streitereien und Missverständnisse auf der ganzen Welt stattfanden. Es war sogar so, dass Streithähne von überall angereist kamen, damit sie hier ihre Probleme lösen konnten. Und jeder reiste auf die eine oder andere Weise wieder zufrieden ab.
Jedoch achtete die Stadtverwaltung darauf, dass nicht zu viele zeitgleich angereist kamen. Es wurde ein strenger Terminplan für Einreisende geführt. Damit sollte gewährleistet werden, dass die natürliche Ruhe dieses Ortes nicht gestört wurde.
Dies war gar nicht so schwer, wie man glauben könnte, denn Merging lag in einem von hohen Bergen umgebenen Tal. Es gab nur eine Öffnung und die war gerade groß genug, dass eine Zufahrtsstraße, bestehend aus zwei Bahnen, hindurch passte.
In dieser Öffnung wurde eine Kontrollstelle errichtet, die immer genau wusste, wie viele Menschen gerade im Ort waren und ob noch Besucher, ohne die Harmonie des Ort zu stören, verträglich sind.
In einem der wenigen Cafés saß ein hagerer Mann von unheimlicher Gestalt. In einen schwarzen Anzug, der so neu aussah, dass er in der Sonne schwarzes Licht zurückzustrahlen schien, trank er genüsslich einen Kaffee. Passend zur restlichen Kleidung hatte der Mann einen weit ins Gesicht gezogenen schwarzen Hut auf, der seine Augen gänzlich verdeckte. Seine Haut jedoch stand in starkem Kontrast zu seiner dunklen Kleidung. Sie sah aus, als wäre sie schon längst nicht am Leben und war so bleich, dass man meinte, die Knochen sehen zu können. Das zum Zopf gebundene, pechschwarze Haar rundete die unheimliche Erscheinung ab. Trotz dieser Blässe sah der hagere Mann keinesfalls aus, als hätte er keine Kraft. Vielmehr umgab ihn eine Aura von ungeheurer Macht.
Aber dies kümmerte nur die wenigen Besucher, die von Außerhalb waren. Die Einheimischen hatten schon vor langer Zeit damit aufgehört andere Menschen zu bewerten oder sich in deren Probleme einzumischen. Sie folgten einem einfachen Motto: „Wer Probleme hat, wird nach Hilfe fragen.“
Der in schwarz gekleidete Mann saß schon seit einigen Stunden dort und schien auf irgendjemanden geduldig zu warten. Die Kellner hatten nur ein wenig gestutzt, als sie ihn das erste Mal bemerkten, da keiner seine Ankunft zuvor registriert hatte. Es schien geradezu so, als wäre er aus dem Nichts an dem Tisch aufgetaucht.
Als eine Kellnerin ihn freundlich begrüßt hatte und nachfragte, was der Herr denn zu trinken wünsche, ertönte eine starke, aber doch gleichzeitig einnehmende und sinnliche Stimme in ihren Ohren. Sie hörte, wie die Stimme Kaffee verlangte und sie wollte nichts sehnlicher als ihr diesen Wunsch erfüllen.
Nach wenigen Augenblicken stand eine heiße Tasse schwarzen Goldes vor ihm auf dem Tisch. Die ganze Zeit über hatte sich der Mann nicht gerührt, zumindest hatte keiner irgendeine Bewegung beobachten können. Selbst als er sich bedankte und die Kellnerin entließ, war keine Regung in seinen Gesichtszügen zu entdecken.
Dennoch schien es der Kellnerin, als deuteten seine Lippen für sie persönlich ein leichtes Lächeln an. Eigentlich sah der hagere Mann schon die ganze Zeit über so aus, als würde er leicht in die Luft hinein lächeln. Wenn es jedoch so war, hatte es nichts mit seiner Umgebung zu tun.
Plötzlich aber regte er sich. Nur leicht war die Bewegung, doch für seine Umgebung so überraschend, dass sie jeder wahrgenommen hatte. Doch das war nicht alles, obwohl es nur eine geringfügige Rührung des Körpers war, war es eindeutig in welche Richtung die Bewegung ging. Die Einheimischen, ausgenommen der Kellnerin, die den Herren bedient hatte, ließen sich nicht von ihrer natürlichen Ruhe abbringen und reagierten auch nicht weiter darauf.
Die Anderen jedoch folgten mit ihren Augen der Bewegung und entdeckten einen Mann in einem weißen Anzug und einem Spazierstock, der aus purem Silber zu sein schien, der langsam und mit himmlischer Eleganz den Weg zum Café entlang schritt. Mit jedem Schritt den der Mann dem Café näher kam, wurden die Augen der Schaulustigen größer. Denn der Anzug war von so reinem Weiß, dass einige ihre Augen abwenden mussten. Diejenigen, die diesem Glanz widerstehen konnten, sahen ein Gesicht von makelloser Schönheit, anders konnten sie es nicht beschreiben.
Als der Mann im weißen Anzug jedoch bei dem Tisch des hageren Mannes ankam, wandten sich alle - wie auf ein geheimes Zeichen hin - von ihnen ab und taten so, als wäre alles wie immer.
„Du magst immer noch diese übertriebenen Auftritte, nicht wahr Gott?“ sagte der hagere Mann weiterhin ohne sich von der Stelle zu rühren.
„Alte Laster legt man schwer ab, Luzifer. Das solltest du doch am besten wissen“ entgegnete Gott mit einem strahlenden Lächeln.
Luzifer hauchte eine Rußwolke aus, richtete sich nun endlich auf und sah Gott mit seinen Saphiraugen an. Das tiefe, blaue Strahlen dieser Augen war beruhigend und gleichzeitig von hoher Intelligenz und Tücke zeugend. Gott setzte sich Luzifer gegenüber und sah ihm mit seinen Rubinaugen entgegen, die von Allmacht und Strenge zeugten.
„Warum hast du Rubinaugen gewählt? Du hast doch früher immer den Regenbogen als Spiegel nur Welt benutzt. Woher der Sinneswandel?“ fragte Luzifer ein wenig verwundert.
„Ich habe erkannt, dass ich alt werde. Rubin lässt das Blutvergießen auf Erden nicht mehr so stark erscheinen. Aber das Gleiche könnte ich dich fragen. Du hattest doch früher immer Onyx in deinen Augen. Sehen wir nun nicht mehr alles so schwarz?“ kicherte Gott wie ein Schulmädchen.
„Die Antwort kennst du schon, du alter Kasper. Das finstere Mittelalter ist vorbei und ich musste mich ein wenig anpassen. Außerdem ist die Welt nicht mehr so schlimm, wie sie es damals gewesen ist“ entgegnete Luzifer nicht ohne sein Lächeln um einen Millimeter zu erweitern.
So wie diese zwei Gestalten dort saßen, hätte man meinen können, dass jemand einen Film drehte. Denn es sah so aus, als würden Licht und Dunkel an einem Tisch sitzen und sich darauf vorbereiten sich gegenseitig zu zerfleischen. Die Besucher, die nicht in Merging heimisch waren, machten unbewusst einen großen Bogen um diesen Tisch. Die Einheimischen jedoch schienen sich weiterhin nicht daran zu stören und verrichteten wie gewohnt ihr Tagewerk. Die Kellnerin, die schon zuvor Luzifer den Kaffee gebracht hatte, stellte nun ein Stück Kuchen mit einer Tasse Tee vor Gott und ging ohne einen weiteren Gedanken daran zu vergeuden, warum sie dies gerade gemacht hatte, zurück zu ihren anderen Gästen.
„Wieso wolltest du mich eigentlich nach so langer Zeit wieder treffen?“ fragte Luzifer. „Das letzte Mal als wir uns sahen, war vor etwas mehr als 2.000 Jahren, als ich deinen Sohn prüfen sollte“ kicherte er bei der Erinnerung „Was übrigens ein großer Spaß gewesen ist. Schade, dass die Menschen damals nichts begriffen haben.“
Gott lächelte. „Ja, da hast du recht. Es war ein großer Spaß meinen Sohn auf die Probe zu stellen. Ich war auch sichtlich stolz, als er den Test bestanden hatte.
Aber lassen wir die alten Geschichten. Ich hatte dich um ein Treffen gebeten, weil du das einzige Wesen bist, was meiner Macht gleich kommen könnte und du in ähnlichen Umständen lebst. Es ist komisch dies von mir zu hören, aber ich brauche deinen Rat. Ich habe schon seit geraumer Zeit ein Problem im Himmel und du könntest mir vielleicht helfen.“
Luzifer brach in ein schallendes Gelächter aus. Diamanten, die die Form von Tränen hatten, fielen auf den Tisch vor ihm und das Licht um ihn herum wurde eine Nuance dunkler. Die Besucher des Örtchens schauten kurz zu dem ungleichen Paar herrüber und sahen, wie die Augen der rechten Gestalt in einem bedrohlichen Rot glühten.
„Schon gut, schon gut. Rege dich nicht auf“ sagte Luzifer beschwichtigend, wenn auch noch immer mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Ich habe das nicht böse gemeint. Du hattest einfach nur Recht. Es von dir zu hören, klang einfach zu komisch. Vor allem, wo du mich doch zu Anfang wegen einem schlechten Witz aus dem Himmel gejagt hast und du dich mit den Problemen dort alleine befassen musstest.
Was genau ist das denn für ein Problem?“ wollte Luzifer wissen.
Gott nahm einen Schluck Tee und sagte: „Es geht um die Engel. Sie sind faul geworden. Nachdem die Kriegsspiele mit dir aufgehört hatten, wurden sie immer träger und fetter. Sie meinten, dass sie nichts mehr machen müssten, außer den ganzen Tag zu beten, da es keine Gefahr von Außen gebe. Dies ist schließlich ihre Hauptaufgabe von Anfang an gewesen und nicht das Gekämpfe. Sie haben jeden selbstständigen Willen verloren. Wenn ich einem von ihnen was sage, setzt er dies zu 100 % um. Es ist so langweilig. Es sind keine Engel mehr, sondern Sklaven. Sie verbreiten nicht einmal mehr die Lehren, die ich ihnen angedacht habe. Und warum? Weil sie meinen, dass es keinen gibt, der nicht Gottes Wort folgen würde.“
Luzifer dachte einen Moment nach und gab Gott gegenüber zu: „Es scheint, dass wir ähnliche Probleme haben. Denn meine Teufel sind nicht besser. Sie haben jegliche Angst vor mir verloren und machen nur noch was sie wollen. In der Hölle herrscht das blanke Chaos. Jeder macht das, wozu er gerade Lust hat. Früher haben sie vor meiner Macht gezittert, doch nun lachen sie, weil sie glauben, dass meine Macht schwindet.
Sie haben damit angefangen, als wir die Kriegsspiele zu Gunsten der Menschheit eingestellt haben. Sie glauben, dass wenn ich keine Gefahr für den Himmel bin, wo die Engel jeden Tag träger werden, bin ich erst recht keine für austrainierte Teufel und Dämonen. Sicher habe ich einige von ihnen das Gegenteil gelehrt, aber die Hölle ist groß und Angst ist ein Mittel, worauf man nicht verzichten kann.
Wir könnten natürlich die Kriegsspiele wieder aufnehmen um das Problem zu lösen, aber das hätte keinen Sinn. Wenn diese irgendwann dann wieder aufhören müssen, haben wir wieder das gleiche Problem. Außerdem würde die Menschheit einen hohen Preis zahlen und ich glaube nicht, dass du dies willst oder?“
„Nein“, antwortete Gott „das will ich tatsächlich nicht. Sie sind zwar nicht wirklich weit von der eigenen Zerstörung entfernt, aber mit der Sache will ich nichts mehr zu tun haben. Außerdem würden meine Engel glatt weitere 2.000 Jahre brauchen, bis sie wieder die Form erreicht haben um an den Spielen in der Art teilzunehmen, dass sich deine Teufel und Dämonen nicht vor Beginn der Schlacht beim Anblick der Engel vor Lachen bepissen.“
Gott und Luzifer saßen schweigsam einen ganzen Monat am Tisch und überlegten, wie das Problem zu lösen sein könnte. Bis auf das gelegentliche Bringen von Kaffee und Tee unterbrach sie niemand. Die Besucher wunderten sich zwar, aber da kaum einer länger als zwei Tage in dem Ort bleiben durfte, hatten sie keine wirkliche Gelegenheit sich der Sache näher anzunehmen. Während dessen folgten die Einheimischen bestrebt und unbekümmert ihrem Motto.
„Es wäre alles so einfach, wenn wir irgendwie die Seiten tauschen würden. Ich wäre mir sicher, dass du die Engel sofort wieder dazu bringen würdest sich ihren Aufgaben zu widmen und ich könnte deinen Teufeln ohne große Mühe so viel Angst einjagen, dass sie Jahrtausende sich nicht mehr daneben benehmen würden“ sagte Gott.
„Das würde wieder nur eine kurze Zeit anhalten, da sie sich wieder wie sonst auch benehmen würden, sobald jeder von uns in seiner Domäne angekommen wäre“ entgegnete Luzifer scharfsinnig. „Aber du hast mich auf eine Idee gebracht“ teilte er ihm mit.
"Für uns ist es unmöglich die Seiten zu tauschen. Denn wenn dem so wäre, wäre ich ja in der Zeit Gott und, bei aller Liebe, das willst du doch nicht wirklich oder?“ sagte Luzifer mit einem verschwörerischen Grinsen. „Aber es gibt eine andere Möglichkeit, wie wir unser beider Probleme lösen können“ kicherte Luzifer von seinem eigenen Plan begeistert.
Gott hörte interessiert Luzifers Ausführungen zu und hatte zum Schluss ein breites Lächeln auf den Lippen. „So werden wir es machen!“ stieß er begeistert aus.
Damit verschwanden sie auch so, wie sie gekommen sind. Keiner hatte ihr Verschwinden bemerkt und auch keiner fragte nach der Rechnung für die Getränke, die sie zu sich genommen hatten, denn auf dem Tisch, wo die beiden über einen Monat lang gesessen und gegessen hatten, lagen immer noch die Diamanten, die Luzifer vor Lachen geweint hatte.
Einige Jahre später in der Hölle
Einer der Höllenteufel war gerade dabei seine Axt zu schärfen um sich damit auf die Jagd nach anderen Dämonen zu machen, als er plötzlich eine liebliche Stimme hörte: "Das kannst du doch nicht machen! Die, die du jagen und töten willst, sind von deiner Art. Du würdest dich viel besser fühlen, wenn ihr wieder zu einer Einheit von schrecklichen, fürchterlichen Scheusalen fändet. Luzifer würde es sicher auch erfreuen und du müsstest keine Angst mehr vor Strafen haben."
Der Teufel verstand nicht, was das sollte. Er sah sich hastig in seiner Höhle um, konnte aber nur die Menschenschädel, Engelsfedern und gleich daneben sein Mittagessen entdecken.
Die Stimme erklang aber sanft erneut: "Versetz dich einmal in den anderen Dämon rein. Dieser hat vielleicht Quälgeister zu Hause und eine Furie von Frau. Du würdest es doch auch nicht gefallen, wenn man einfach versuchen würde dein Glück zu rauben."
Nun sprang der Teufel aber auf und schrie mit zornerfüllter und verunsicherter Stimme: "Zeig dich du Sohn einer mehlwürmigen Wanze, dass ich dich lehren kann einen Höllenteufel zu verarschen!"
Die Stimme war aber ruhig. Der Teufel schaute sich noch einmal verstört in seiner Höhle um, konnte aber niemanden entdecken. Er schnaubte und kochte vor Wut und schaute nur zufällig zu seiner rechten Schulter. Ein Schrei des Entsetzens erfüllte seine vier Wände.
Da saß doch tatsächlich ein kleiner Engel auf seiner rechten Schulter und lächelte ihn an.
Der Teufel versuchte ihn zu packen, aber seine Pranke ging durch den kleinen Kerl einfach hindurch. Er rammte die Schulter gegen die Steinmauer, doch nur er schien Schaden davonzutragen.
Der Engel beobachtete die vergeblichen Versuche des Teufels mit einem Lächeln.
Nachdem sich der Teufel ein wenig beruhigte und aufhörte vor Wut, welche er zwischenzeitlich aufgrund seiner Unfähigkeit den Engel zu zerquetschen entwickelte hatte, zu schnauben, versuchte er mit dem Engel zu reden.
"Was, bei allen Höllenwinden des Behemoths, hat ein Engel auf meiner Schulter verloren?! Wenn du dich nicht schleunigst trollst, werde ich deine Flügel als Zahnstocher verwenden."
"Ich bin dein Gewissen" erklärte der Engel in ruhigen Worten. "Du wirst nie wieder allein sein. Wenn mal wieder was nicht richtig verläuft, werde ich auftauchen und dir helfen die passenden Entscheidungen zu treffen." Dem Höllenteufel viel buchstäblich die Kinnlade nach unten, während der Engel ihm mit einem breiten Grinsen "Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit" verkündete.
Zur gleichen Zeit in einer anderen Dimension
Ein Engel wachte gerade auf seiner Wolke auf und machte sich daran in ein tiefes Gebet zu verfallen. Dies war die letzten Jahrhunderte der tägliche Ablauf gewesen. Doch kurz bevor er mit seinem Gebet anfing, vernahm er eine verführerische Stimme: "Warum willst du jetzt beten? Das kannst du doch auch morgen nachholen. Geh lieber nachsehen, ob die anderen Engel der Botschaft des Herrn Gehorsam leisten. Das ich doch auch viel interessanter."
Dieses Unterfangen ist eigentlich völlig unnötig, da alle Engel im Himmel dem Wort des Herrn Gehorsam zollten, doch irgendwie kamen Zweifel bei dem Engel auf. "Du hast von allen Engeln die meiste Zeit mit Gebeten verbracht und der Herr hat dich für deine Liebe und Treue immer noch nicht zu würdigen gewusst. An dir kann es nicht liegen. Irgendwas muss den Herrn davon abhalten und wenn du keine Schuld trägst, müssen die Anderen etwas falsch machen und dich damit in ein schlechtes Licht ziehen" redete die Stimme ihm weiter zu. "Das darfst du nicht weiter zulassen! Auch wenn die Kriegsspiele vorbei sind, darf der Glaube in den Herrn nicht erschüttert werden. Du musst was unternehmen und so auch zeigen, dass du nicht zu diesen anderen Engeln gehörst."
Der Engel überlegte, was er machten könnte, dass der Glaube wieder gestärkt werden würde, aber ihm wollte nichts gescheites einfallen. Da meldete sich wieder diese verführerische Stimme zu Wort und säuselte dem Engel ins Ohr: "Du könntest doch ein Scheinverbrechen verüben. Natürlich darf es nichts schweres sein und der Glaubensüberprüfung dienen. Ein Diebstahl bietet sich da an. Nicht nur gewinnst du damit Gewissheit über den Zustand des Glaubens des Engels, sondern auch noch einen Gegenstand als Entlohnung für deine Mühe."
Dies leuchtete dem Engel ein, aber er verstand immer noch nicht, woher diese liebliche, doch verschlagene Stimme kam. Er sah sich um, konnte jedoch nichts entdecken. Per Zufall schaute er auf seine linke Schulter und entdeckte einen kleinen, von einem Ohr zum anderen grinsenden Teufel, der entspannt da saß.
Der Engel war so überrascht, dass er von seiner Wolke stürzte. Der Fall währte glücklicherweise nicht lange, denn er hatte sich schnell von dem ersten Schock gefangen und schwebte wieder auf seine Wolke zurück. Während der ganzen Aktion hatte sich der Teufel keinen Zentimeter von der Schulter des Engels bewegt.
"Das darf nicht sein, dass sich ein Engel mit einem Teufel abgibt!" kam dem Engel als erstes in den Sinn. Sofort sprach er Bannformeln und zeichnete Göttersiegel, doch der kleine Teufel grinste ihn unbeeindruckt an und winkte ihm frech zu.
Nach einer Weile gab der Engel seine Versuche auf und der Teufel sprach beschwichtigend zu ihm: "Von nun an sind wir zwar unzertrennlich, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich will wirklich nur dein Bestes. Du kannst mir vertrauen, Kamerad."
Bei diesen Worten sah der kleine Teufel so unschuldig aus, dass der Engel nicht anders konnte, als ihm zu glauben und die Natur der Teufel zu vergessen.
So machte sich der Engel auf den Weg den Glauben der anderen Engel zu prüfen und stahl das Schwert Gabriels. Dieses Unterfangen hätte ihn aber beinahe den Kopf kostet, denn Gabriel fand dies gar nicht lustig.
Das Ende einer unüblichen Zusammenarbeit
Viele Jahre später fanden sich Gott und Luzifer wieder im gleichen Café in Merging ein. Ihr Auftauchen war, wie beim ersten Mal, spektakulär, doch von kurzer Geistesdauer. Sie nahmen auch wieder am gleichen Tisch Platz und besprachen die Ergebnisse ihres Experimentes.
„Es hat besser geklappt, als ich es mir erhofft hatte“ fing Luzifer mit einem zufriedenen Lächeln zu berichten an. „Die Teufel und Dämonen haben wieder die größte Angst vor mir. Die Engel auf ihren Schultern sorgen dafür, dass sie nie vergessen, zu was ich in der Lage bin“, kicherte er.
„So ein Gewissen ist doch wirklich eine feine Sache, wenn man es steuern kann. Natürlich gibt es immer noch Dämonen und Teufel, die widerspenstig sind, aber anders wäre es auch zu viel des Guten gewesen. Schließlich ist ein Gewissen ja dazu da, einen nur zu leiten und nicht zu kontrollieren, nicht wahr?“
„Ja, da hast du recht, du alter Fuchs“ lachte Gott posaunenhaft. „Die Idee, den Teufeln ein Gewissen und den Engeln die Versuchung zu verpassen, war schon genial, aber dass die Umsetzung so gut werden würde, hat mich auch ein wenig erstaunt.
Die Engel trainieren wieder und sind lebendig. Es gibt sogar einige auf die ich besonders aufpassen muss. Es macht wieder Spaß im Himmel und sie sind auf dem besten Wege wieder die himmlische Schaar zu werden“ sprach Gott sich lächelnd aus.
„Damit wäre dann dieses Projekt zu Ende“ sagte Luzifer feststellend. „Es hat Spaß gemacht mit dir mal wieder zu arbeiten, aber nun muss ich mich wieder meinen Angelegenheiten widmen. Schließlich hast du immer noch etwas, was ich haben will.“ Bei diesen Worten blickte er Gott mit einem vielsagenden Leuchten in den Augen an.
Gott seufzte und sprach: „Ich hatte gehofft, dass sich dein Verlangen gelegt hätte, aber das war mein Denkfehler. Das was du willst, werde ich dir nicht geben, aber das weißt du schon. Und ich weiß auch, dass du es weiter versuchen wirst zu bekommen.“
„Nun gut“, sprach Gott ein wenig enttäuscht weiter. „Die Zusammenarbeit hat die Früchte getragen, die wir wollten und mehr wollte ich auch nicht von diesem Treffen. Lass es dir gut gehen, du Halunke.“ Mit diesen Worten verschwand Gott.
Luzifer saß noch eine ganze Weile dort und dachte über das Gute und das Böse nach. Teufel, die Engel tragen. Engel, die Verbrechen begehen.
Er musste auflachen, denn der Gedanke, dass Engel und Teufel nur noch einen Schritt vom Menschensein entfernt waren, war zu amüsant.