Zum Siebzigsten oder Nachdenken
Am Anfang stehen die Tatsache und der Vorsatz. Ich überlege bei der Arbeit was ich dazu schreiben kann. Große Worte sind völlig fehl am Platz. Wie war das damals? 1992? Da hatte der Vater seinen großen Tag. Am Anfang steht viel Aufregung um diese 24 Stunden. Dabei sind die genauso schnell rum, wie jeder normale Tag. Geschenke sind der Ausdruck dafür, dass die Jubilarin geehrt wird. An solch’ einem Tag denkt man an Erlebtes und redet drüber. Welchen Zeitraum 1929 - 1999 umfasst ist schwer zu beschreiben. Hat sich die Technik auch ungeheuer verändert, der Mensch ist fast gleich geblieben. Wir können heute stolz auf Muttern sein, die den PC bedient Dank der fachkundigen Anleitung durch den Enkel Fabian. Als unsere Mutter geboren wird, ist sie die jüngere Tochter von Selma und Willy. Alle haben gesungen: „Was kann der Siegesmund dafür...“ und mit Sicherheit konnte er was dafür. Das Häuschen ist neu und die Straße noch ein unbefestigter Weg. Der Vater ein Tüftler und die musische Mama - das gab die richtige Mischung. Spielkameraden waren da und Schwester Margot mit dem Hang zum Sport. Langewiesen war die verträumte Kleinstadt mit den langen Pfützen. Mit dem „Groß werden“ kam die neue Zeit, ein neues „Reich“. Vom Landdienst in Auma beim Bauer Senf hat Mutti immer geschwärmt. Die Anfänge eines Tagebuches sind erhalten. Isolde hieß die „Führerin“ und trotz rauer Strümpfe und kalten Wassers muss es schön gewesen sein. Das kleine Fotoalbum mit dem Rest der Armbinde und den Lederknoten haben wir Jungens bewundert, wie Reliquien. Später kam die Lehre im Vulkanwerk, im Zylinderschleifwerk - da musste man schon in die Stadt Ilmenau fahren. Zum Bahnhof war es nicht weit, aber auch das Fahrrad war sicherlich das damalige Transportmittel. Fotos von damals zeigen die Schwestern auf Skiern, richtigen, schweren Holzlatten mit Lederbindung - es gab noch richtigen langen und kalten Winter. Der ging aber auch vorbei, wie der 2. WK und das Dritte Reich. Das die Kontakte zur Familie Weißleder im Unterende schon bestanden bevor Rudi aus Ägypten heimkam, ist kein Gerücht. Doch der braungebrannte Junge in der Kakiuniform - wer da nicht schwach wurde... Aus der Schwäche wurden Wolfgang, Jürgen und Ilona. Aus Wolfgang und Marion - Fabian und Ilja, aus Jürgen und Monika - Sandra und aus Ilona und Uli - Stefan und Sascha. Die kleine Familie zog nach Ilmenau, vorher einmal zum Test und dann auf den „Rasen“. Mutti hat beim Prof. Bock gearbeitet und wir Burschen erinnern uns an das Weihnachten mit dem Studenten aus China - Wang Tso Tsung. An das Ferienlager der TH erinnern wir uns und einmal war Mutti dabei und der Günther Patschke war Lagerleiter. Welches Bild habe ich von der Mutter im Gedächtnis. Niemals erlebte ich sie als Übermutter oder eine die Alles wusste. Auch nicht mit dem Zeigefinger, wir fanden immer zu ihr, wenn irgendetwas los war.
Hingefallen oder ‘ne schlechte Note (ich rede hier von der 3 - befriedigend), um Geld konnten wir sowieso nicht betteln, da hatte Vater das unumschränkte Monopol. Niemals laut und egozentrisch, aber dabei war Mutti überall und nirgends. Hilfreich und uneigennützig, ich habe nie erlebt, dass sie was gefordert hat. Bis heute ist sie sich selbst treu geblieben und ich denke das „Immer- Funktionieren ohne zu murren“ ist ein Adelsstand in den man nicht geboren wird. Wir haben bei ihr nicht nur Wäsche abgeladen, ohne zu fragen ob da Kraft oder Lust vorhanden ist. In der Erinnerung ist auch der Weg zum Waschstützpunkt in der KBS, am Wallgraben geblieben. Das war so ein „Kollektiv bildendes Erlebnis“, besonders im Winter mit dem Schlitten. Das ansonsten die Wäsche per Hand lief war damals genauso selbstverständlich wie das kreuz und querziehen der Bettlaken in der großen Küche. Immer dann, wenn Mutti mal nicht da war, die seltenen par Male, bemerkten wir, was fehlt. In spartanischer Manier aßen wir von Brettchen und das Geschirr wurde sofort wieder abgewaschen. Einmal blieb in der Erinnerung, dass sie am Wochenende so am Ende war, dass sie meinte: „...bin ich froh, dass Morgen wieder Montag ist und ich zur Arbeit gehen kann...“. Aber die Arbeitszeit war auch mal vorbei und plötzlich waren auch die Kinder aus dem Haus. Leider merkt Mutti nicht, wenn Irgendeiner an sie denkt und als Ersatz hat die Familie ein Telefon. Was würde mir denn wichtig erscheinen an solch einem Tag? Gäste, die kommen und nicht nur bedient sein wollen. Der Blick über die Familie - die ist ganz gut geraten . Ein Stück Gelassenheit, die daraus resultiert, dass der Weg in Ordnung ist. Ein paar Stunden Freude im Kreis derer, die zum Feiern kamen. Vielleicht Kraft für die nächsten Tage und Monate und Jahre. Vielleicht ein stiller Dank an den oder die, die mir die Kraft für den Weg gegeben haben. Die Weisheit zu finden, die man braucht, um nach der langen Zeit in der man stets für Andere da war nun mal für sich selbst zu „Sein“ und sich was Gutes tun. Leicht erscheint manches schlaue Reden, es ist schwer ein paar einfache Worte zu sagen und wichtig erscheint mir das kleine und oft vergessene Wort „DANKE MUTTI“ und neben allen Dingen, die man sich oft selber wünscht, steht Gesundheit oder besser - keine ernste Krankheit. Manchmal gibt es an solchen Tagen Auszeichnung und es gab auch Zeiten, wo es solche Mutterkreuze gab, aber die Familie mit den vielen neuen Gliedern ist wohl die höchste Auszeichnung für eine - für unsere Mutti. Vielleicht sind es auch Gedanken an die Menschen aus dem Interessenverband, die Weißleders, mit denen wir gar nicht verwandt sind und die unseren Weg in den letzten 10 Jahren kreuzten. So unterschiedlich und doch gleich, wie wir feststellten und gar über Ländergrenzen und im fernen Minerva. Für Deine Lust am Reisen und Frohsinn bist Du sicher zu wenig weg gewesen, mit den Enkeln hin und wieder. Mit ihnen bleibst Du jung oder wirst nicht so alt oder denkst nicht daran. Wie wichtig dazu Frieden ist, merkt man ganz besonders heute, wo nicht nur die Sorgen der Sensiblen aufkommen, wenn’s „Vor der Türe“ kracht. Manchmal reichen ein paar blaue Himmelsfetzen mit ziehenden Wolken und ein wenig Frühlingsgrün, um zu spüren das man da ist, denn viele „Wichtigkeiten“ sind schnell zergangen. So ist das Datum eben dieser Tag und er läuft ab, wie eben ein Tag abläuft. Die Person, die da ist und hier im Mittelpunkt steht ist wichtig. Jeder ehrt und verehrt sie auf die seine Weise und wir freuen uns, dass UNSERE Mutti Geburtstag hat.