Als wir, mein Mann, der kleine Hund und ich, also Familie Schmölzer, vor einigen Jahren eine neue Unterkunft suchten, sind wir Herrn Bert begegnet.
 Er war oder ist sicher immer noch, nur halt ein bisschen älter, ein sehr freundlicher Herr. Mitte bis Ende 50 und wirklich sehr nett. So war jedenfalls mein erster Eindruck. Gut ich muss gestehen, dass schon sein erster Satz leicht frivol und auch ganz schön keck war.
Der Gatte und ich waren müde, sehr müde vom vielen Häuser und Wohnungen anschaun, nur so kann ich mir heute erklären, warum wir überhaupt bei Herrn Bert gelandet sind.
Das Haus entsprach genau dem, was wir uns vorgestellt hatten und das Allerbeste war, Her Bert mochte unseren kleinen Hund. Ja und wer meinen Hund mag, der hat mich schon geknackt, der hat mein Herz erreicht und dem schenke ich das meinige. Natürlich nicht so mit Herz-Schmerz, sondern Zuneigung, Vertrauen, Wohlwollen, schlicht meine ganze Offenheit, liegt dann so einem Menschen zu Füßen.
Der Mietvertrag wurde geschlossen und einige Wochen später standen wir mit Sack und Pack vor dem Haus. Natürlich wurden wir überschwenglich mit Frühstück und Getränken empfangen. Toll, dachte ich, was haben wir das gut getroffen. Das Hündchen war auch sehr angetan, wobei ich sagen muss, sie war immer der gute Menschenkenner, auf sie war Verlass.
Herr Bert wuselte den ganzen Tag im Haus rum und erklärte uns dies und das, versprach hoch und heilig, am nächsten Tag noch einiges zu richten und „natürlich, Frau Chef, werde ich mit dem Sohn als allererstes einen Zaun um den Grund machen“. *Frau Chef* sagte er zu mir und *Herr Chef*,  zu meinem Mann. Natürlich waren und sind wir keine *Chef`s*, aber der Gute wolle uns halt eine Freude machen.
Den Abend genossen wir, endlich allein, bei einem Glas Wein und stellten beide fest, - wir haben es gut getroffen- . Ja so ein Glück hat nicht jeder. Um 24 Uhr klingelt das Telefon. Auch das hatte Herr Bert für uns organisiert. Schön, oder?  Ich nehme den Hörer ab und da säuselt er mir ganz liebevoll ins Ohr „liebe Frau Chef, sie müssen sich die Sterne anschaun und sehen sie nur im Garten, wie die Steine silbern und bunt vom Mondlicht beschienen werden. Das ist so romantisch, ich musste Ihnen das nur ganz schnell sagen, ehe Sie zu Bett gehen. Gute Nacht und gute Verhütung“. Mein Mann lacht und sagt: „Da haben wir ja einen romantischen Hausherrn erwischt, wir haben wirklich Glück“. Das mit der Verhütung, naja war halt auch ein kleiner Scherz, man ist ja nicht so.
Am nächsten Morgen, der Liebste fährt schon um 7 Uhr ins Büro und ich versuche die Umzugskartons zu leeren. Wer öfter umzieht, der weiß wovon ich rede. Kurz nach 7 ringeling, die Haustürglocke. Wer mag so früh läuten? Kein Mensch kennt uns und kein Mensch weiß, dass wir schon da sind. Bestimmt irgendein Nachbar, der Hallo sagen will.
Nein, kein Fremder oder sonst irgendwer, es ist mein Hausherr, der mit einem Apfel in der Hand vor mir steht. „Ich dachte sie freuen sich über etwas frisches aus dem Garten, da bin ich gleich hier hoch zu Ihnen gefahren“, er streckt den Arm aus und hält mir den Apfel direkt vor die Nase. „Vielen Dank, aber Sie müssen doch nicht extra so früh am Morgen herkommen, na kommen Sie doch erst mal herein, sie mögen doch sicher einen Kaffee“, bitte ich ihn ins Haus.  Er setzt sich nieder und schaut mir zu, wie ich in der Küche an der Maschine rumwusele. Da steht er auch schon direkt hinter mir, nimmt mir den Krug aus der Hand, natürlich nicht ohne, wie zufällig an meinem Rücken zu kleben. Er füllt Wasser ein und dann setzt er sich wieder hin. „Ach wissen Sie“, sagt er „ich war ja schon viel früher hier, aber der Herr Chef war noch im Bad und dann Sie, da wollte ich doch nicht stören“. Woher weiß er denn, dass wir im Bad waren??? Natürlich, weil jeder Mensch am Morgen ins Bad geht, folgere ich. Es ist das normalste von der Welt. Was für ein rücksichtsvoller Mensch er doch ist. Â
Herr Bert ist sehr fleißig und arbeitet den ganzen Tag. Ich wäre nicht ich, wenn ich ihm nicht, ein Mittagessen, den Nachmittagskaffee und auch noch ein Abendbrot servierte. So viel Fleiß muss belohnt werden. Schließlich macht er es ja für uns und unser Wohlbefinden. Nett, wirklich ausnehmend nett.
Am späten Abend ruft er noch einmal an und fragt sorgenvoll, ob ich denn auch noch etwas Essen für den „Herrn Chef“ übrig ist, er habe jetzt doch ein schlechtes Gewissen, weil er doch so sehr gut und viel bei mir gegessen hat. „Nein, nein, machen Sie sich keine Sorgen, es ist wirklich noch genügend da“, beruhige ich ihn.
Als um ½ 7 am nächsten Tag das Telefon klingelt, ist mir schon klar, wer das ist. „Darf ich Ihnen denn heute die Gegend zeigen? Sie müssen unbedingt diese schöne Landschaft kennenlernen und dann möchte ich Sie auch noch mit einigen netten Leuten bekannt machen. Sie sollen sich doch hier zu Hause fühlen“. Ich bin überrascht und freu mich natürlich riesig, denn die Gegend und die Nachbarn interessieren mich natürlich sehr und so kenne ich mich ja auch viel schneller aus. „Wunderbar“, sage ich „wann wollen Sie denn vorbei kommen“. „Liebe Frau Chef, ich stehe schon vor der Haustür, ich warte schon ein Weilchen, aber Sie waren noch nicht angezogen und da wollte ich nicht stören“. O, Gott, geht es mir durch den Kopf, wann hab ich mich denn angezogen. Vor fünf Minuten doch erst, davor bin ich wie immer splitterfasernackt durchs Haus gelaufen. Meine Güte ist mir das peinlich, der hat mich doch nicht etwa so gesehen? Als ich die Tür öffne strahlt er mich so unbefangen an, dass mir klar ist, er hat mich nicht gesehen. Ich entspanne mich und wir fahren los. Gemeinsam kaufen wir Blumen und Sträucher für den Garten. Ich bezahle und Herr Bert will mir alles einpflanzen. Ich bin begeistert.
Er ist jeden Tag am Arbeiten und jeden Tag wird unser Heim ein bisschen schöner. Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab, streicht mir die Kellertüren in weiß/blau, so dass alles einen griechischen Charakter bekommt. Jede meiner kreativen Ideen setzt er um. Der kleine Brunnen im Garten wird aktiviert, Platten werden verlegt. Ich oder besser wir bezahlen und er gestaltet nach unseren Wünschen. Wer wünscht sich nicht solch ein Paradebeispiel als Hausherrn, er ist ein Traum. Ok kleine Fehler hat jeder und er hat halt immer irgendwelche sexistischen Sprüche parat. Ich mag es nicht, habe aber inzwischen gelernt sie zu ignorieren.
Natürlich hat er noch die Schlüssel für das Haus, er arbeitet doch immer, ja sogar dann, wenn ich nicht zu Hause bin. Er ist quasi Tag und Nacht für mich am werkeln und an den Wochenenden bringt er seinen Sohn mit, damit alles schneller geht und ich es bald ganz wunderschön habe. Inzwischen haben mir die beiden Herren meine Sauna aufgebaut, Fließen gelegt und eine herrliche Saunalandschaft gezaubert. Der andere Teil des Kellers ist zu einem kleinen aber feinen Fitnessraum geworden. Ein Traum, der nichts mehr an Keller erinnern lässt.
Natürlich möchte ich dieses wunderbare Ambiente auch nutzen. Ich liebe Sauna und ich liebe Sport. Den letzten Schliff habe ich dem Ganzen, dann noch mit ein paar riesigen Fotos  von Griechenland und natürlich mit blauen und weißen Handtüchern, gegeben.
Sonntagnachmittag, ich bin mutterseelen allein. Heize die Sauna an und freue mich auf ein paar ruhige Stunden. Nackt liege ich auf der Liege, träume vor mich hin und denke über das Leben und seinen Sinn nach. Ein leises kratzen höre ich und schon geht die Tür auf und Herr Bert steht mitten in meiner Saunalandschaft. „Liebe Frau Chef, nicht das sie denken, ich wollte schaun, nein, ich schau ja schon weg. Ich wollte Ihnen ein Stück Torte bringen, es ist doch Sonntag und weil der Herr Gatte nicht zu Hause ist, da dachte ich, ich schau nach Ihnen, ob sie auch alles haben und es Ihnen gut geht. Ich hatte die Hausglocke gezogen, aber nichts hat sich gerührt, da wollte ich die Torte doch wenigstens hier unten in den Keller stellen“.
Die Handtücher liegen alle sehr weit weg. Auf jeden Fall müsste ich aufstehen, um mich zu bedecken.  So ziehe ich nur meine Knie an die Brust, was von vorn natürlich auch nicht besser wird. Sagen kann ich auch nichts, weil meine Stimme irgendwo weit unten im Hals steckt. Ich spür, dass ich  mich zuerst räuspern müsste, das will ich ja nun ganz und gar nicht. Meiner Meinung nach würde das doch total unsicher wirken. Ehe ich mit meinen Ãœberlegungen, wie ich denn diese Sache so gut als möglich bewältige, fertig bin, sagt er auch schon „meine Verehrung“ und ist zur Tür raus.
Vor Wut und Ohnmacht schluchze ich und denke du Arschloch, du blödes Arschloch.
Natürlich erzähle ich es meinem Mann am Abend, aber der lacht nur und sagt: „Geh Schatz, das hat er doch nicht mit Absicht gemacht, er wollte dir eine Freude machen, mehr nicht“. Na gut, wenn das so ist, dann habe ich wohl ein bisschen überreagiert.
Natürlich ist mein fleißiges Helferlein am Montag um 8 Uhr wieder vor meiner Tür. In der Hand hält er einen quietsch bunten, uralten Regenschirm: „Liebe Frau Schmölzer, Sie fahren doch in die Stadt. Gerade eben habe ich im Radio gehört, es soll regnen, ja und da dachte ich mir, bring ihn der Frau Chef rasch vorbei“. Ich atme tief ein und nochmal und sage dann so ruhig es mir möglich ist „Herr Bert, ich habe einen wunderschönen Schirm in meinem Auto, Sie müssen sich nicht immer Sorgen um mich machen, ich komme sehr gut zurecht. Das ist alles sehr nett von Ihnen, aber es tut wirklich nicht not, dass Sie jeden Tag hier oben schauen wie es mir geht. Glauben Sie mir, es geht mir gut, wirklich!“
„Wenn ich Ihnen lästig bin, dann sagen Sie es Frau Schmölzer, ich will Ihnen doch nur zur Seite stehen. Wissen Sie, es gibt so viele schöne Frauen, die von Ihren Männern vernachlässigt werden, die Männer denken nur an Ihre Arbeit und die armen Schönen sitzen allein zu Hause.“.
Da hab ich mich doch wohl verhört, spinnt der denn total. Ich will doch von dem Menschen nicht betreut werden. Hilfe was denkt der sich denn. Ja wie reagiere ich denn jetzt am Besten? Eine direkte Anmache war das ja nun auch nicht, also tue ich so, als hätte ich das ganze nicht so richtig verstanden.
„Herr Bert, ich fahre jetzt dann mal los. Meinen Regenschirm habe ich, sind Sie mir also bitte nicht böse, wenn ich sie nicht rein bitte, aber ich habe um 9 Uhr einen Termin in der Stadt, da darf ich mich wirklich nicht verspäten. Dann mache ich die Haustür zu und schließe ab.
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©UteAnnaMariaSch.
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Fortsetzung folgt
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