Kurzgeschichte
Eine unterkühlte Unterhaltung

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"Eine unterkühlte Unterhaltung"
Veröffentlicht am 16. Januar 2010, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Laßt jedem Individuum, gleich welches Aussehen, welche Interessen, welche Religion und welcher Herkunft die Möglichkeit der freien Entfaltung seines Lebens und gönnt ihm die Suche nach seinem eigenen Glück. Freut euch wenn Menschen fröhlich sind und tröstet sie bei Trauer. Versucht die Gedanken anderer Menschen zu begreifen und behandelt jeden, wie Ihr behandelt werden möchtet. Vielleicht wird die Welt dann besser.
Eine unterkühlte Unterhaltung

Eine unterkühlte Unterhaltung

Eine unterkühlte Unterhaltung

 

 

Eigentlich wollte er nur seinen Hund ausführen. Es war der gestrige Tag. Ein Wintertag. Die Temperaturen unter Null und ein eisiger Wind blies von Osten.

 

Herr und Hund kamen überein, den Lauf kurz zu gestalten. Nur wenige Minuten, damit Frida, die Hündin ihren Darm entleeren konnte. Dann schnell wieder heim ins kurpfälzische Domizil um sich vor offenem Feuer auf Bärenfellen zu räkeln und die Kälte durch warmes Met zu wieder vertreiben.

 

Also sollte er sich ankleiden. Dicke Felle wären angesagt gewesen. Doch, da der Gang nur kurz sein sollte, gewandete er seinen Oberkörper lediglich mit einem langärmligen, jedoch nicht allzu dicken Wams. Dann Beinkleider bis knapp unter die Waden gezogen und die Gamaschen geschnürt.

 

Er sah an sich herab – Sollte er ein Korsett anlegen? Der pfalzgräfliche Bauch wäre weniger in Erscheinung getreten. Aber was sollte es? Niemand würde ihn sehen. Die kurpfälzischen Äcker wurden um diese Jahreszeit nicht bestellt und – falls doch -  sein arbeitendes Gesinde sollte denken was es wollte.

 

Die beiden überquerten schnellen Schrittes die Zugbrücke und begaben sich ins Fronland. Schnell erkannte er, dass er die falsche Kleidung trug, aber ein Pfalzgraf ist Manns genug auch sibirische Kälte für kurze Zeit zu überstehen.

 

Kaum auf dem Ackerland angekommen – er wollte fast schon wieder umkehren, da Frida ihre Notdurft kurz und schmerzlos entrichtet hatte – ein schrilles Läuten in der linken Tasche seines Beinkleides.

 

Unmittelbar wurde ihm gewahr, dass er sich doch im einundzwanzigsten Jahrhundert befand und er ein Mobiltelefon mit sich führte. Er nahm die virtuelle Hörmuschel zur Hand und meldete sich standesgemäß: „Pfalzgraf hier – was sei Euer Begehr?“

 

Eine erotische Damenstimme am anderen Ende der nicht vorhandenen Leitung flötete: „Ich bin lohnabhängige Proletarierin im Dienste eines großen pfälzischen Depeschendienstes und ich möchte ein Interview mit Euch machen“. Sie nannte auch ihren Namen, welcher jedoch in einem plötzlich auftretenden Ostwind unterging.

 

Ihm war kalt.

 

Dennoch – die Damenstimme war nett und angenehm und so fragte er, um was es sich handele. „Ihr wollt doch an einem der kommenden Samstage eine Lesung Eures neuen Buches in einer edlen Taverne Eurer Geburtsstadt zelebrieren – Ich möchte Euch darüber gerne befragen“ säuselte es ihm entgegen.

 

Zwischenzeitlich kroch die Kälte die pfalzgräflichen Waden empor und setzte sich in Höhe seiner Oberschenkel fest.

 

„Euer neues Buch“ hatte sie gesagt. Er hatte doch nur eines geschrieben. Eine Wortwahl welche ihn mit Stolz erfüllte. Gern war er bereit Auskunft zu geben.

 

„Wie seid Ihr an das Schreiben gekommen?“ – „Diese Stimme“ sinnierte er. „Wie mag die Dame wohl ausschauen?“ Sollte er sie mit seinem Charme umgarnen und ihr nette Schmeicheleien ins Ohr flüstern, sodass sie heute Nacht nicht mehr ruhig schlafen könne?

 

Nein – Er hatte andere Sorgen. Die Kälte kroch langsam höher. Bis in die pfalzgräfliche Intimzone. Dies erwies sich als körperlich höchst unangenehm und vertrieb alle aufgekommenen Gedanken auf eventuell geplanten Minnesang.

 

Er gab die gewünschte Antwort und antwortete in einer – wie er hoffte, charmanten Art auf alle weiteren gestellten Fragen. Was er lesen würde und wie lange sein Auftritt geplant sei.

 

Durch diese nette Gespräch abgelenkt, viel ihm seine Hündin Frida wieder ein. Wo war sie verblieben? Er ertappte seine beste Freundin dabei, wie sie im Felde liegend ein nicht definierbares Teil verzehrte.

 

„Du altes Ferkel – Hör sofort auf“ schrie er in Fridas Richtung, gleichzeitig jedoch auch in seine Hörmuschel. Während Frida weisungsgemäß das Teil ihrer Begierde vor Schreck sofort fallen gelassen hatte, erschien die Dame des Depeschendienstes etwas betroffen. Fühlte sie sich etwa angesprochen?

 

Er versuchte zu erklären, dass er mit dem Hund gesprochen habe und sie nicht gemeint sei. Sie hat ihm wohl geglaubt, als er langatmig erläuterte, dass seine Wortwahl bei Gesprächen mit Tieren eine andere sei, als bei Damen mit einer solch erotischen verbalen Ausdruckskraft.

 

Warum er überhaupt ein Buch geschrieben habe, war die kommende Frage. „Weil ich nicht singen kann – könnte ich dies, wäre ich wohl ein Rockstar“ erklärte er jetzt etwas missmutig, da er fror wie ein armes Schneiderlein.

 

Wieder der Blick zur Hündin. Diese stand unbeweglich da. Wohl am Boden festgefroren. Nun denn – Dann läuft sie wenigstens nicht weg.

 

Während der nächsten Fragen hüpfte er von einem Bein zum Andern.

Er erwartete zuhause seine Kurpfälzerin – Seine edelsten Teile durften nicht eingefroren sein. Wann hört die Quälerei endlich auf? Wann darf ich vor meinen Kamin und mich mit Met laben?

 

Dann zeigte die Dame Erbarmen und wünschte ihm viel Erfolg bei seiner Lesung. Nach viel zu langer Zeit. Er steckte die Hörmuschel wieder in die Tasche seines Beinkleides, schüttelte sich durch und versuchte auch seinen Hund befreien.

 

Der Heimweg erfolgte im Laufschritt. Mensch und Tier versuchten sich aufzuwärmen. Doch während des Laufes versuchte der Pfalzgraf noch immer sich das Gesicht seiner Gesprächspartnerin vorzustellen.

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pfalzgraf
Laßt jedem Individuum, gleich welches Aussehen, welche Interessen, welche Religion und welcher Herkunft die Möglichkeit der freien Entfaltung seines Lebens und gönnt ihm die Suche nach seinem eigenen Glück.
Freut euch wenn Menschen fröhlich sind und tröstet sie bei Trauer. Versucht die Gedanken anderer Menschen zu begreifen und behandelt jeden, wie Ihr behandelt werden möchtet.
Vielleicht wird die Welt dann besser.

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pfalzgraf Re: Mir scheint ... - Sicher hätte der Pfalzgraf den Vorteil der Mobilität nutzen können. Er war nicht einmal vom Klingelton aus seiner Hosentasche überrascht. Vielmehr war er verwundert, dass eine Dame vom Depeschendienst sich meldete um ihn zu befragen. Dies in Verbindung mit seiner Nervosität angesichts seiner kommenden ersten öffentlichen Lesung, ließ ihn angewurzelt stehen.

LG Bernd


Zitat: (Original von Gunda am 17.01.2010 - 19:21 Uhr) ... der Pfalzgraf hat die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt: Ein Mobiltelefon heißt deshalb Mobiltelefon, weil man damit MOBIL ist ... Es wäre also nicht nötig gewesen, wie festgefroren auszuharren während des Interviews ... Aber das der Pfalzgraf ja ein pfiffiges Kerlchen ist, wird er diese Errungenschaft der Technik sicherlich irgendwann im gedachten Sinne zu nutzen wissen.

Wenn ich die Um-die-Ecke-Information richtig deute, dann hast du dein erstes Buch auf den Markt gebracht? Herzlichen Glückwunsch!


lieben Gruß
Gunda

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Gunda Mir scheint ... - ... der Pfalzgraf hat die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt: Ein Mobiltelefon heißt deshalb Mobiltelefon, weil man damit MOBIL ist ... Es wäre also nicht nötig gewesen, wie festgefroren auszuharren während des Interviews ... Aber das der Pfalzgraf ja ein pfiffiges Kerlchen ist, wird er diese Errungenschaft der Technik sicherlich irgendwann im gedachten Sinne zu nutzen wissen.

Wenn ich die Um-die-Ecke-Information richtig deute, dann hast du dein erstes Buch auf den Markt gebracht? Herzlichen Glückwunsch!


lieben Gruß
Gunda
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