Kurzgeschichte
Die Teekanne

Es ist Abend, ich stapfe durch den Schnee und atme die eisige Kälte. Ein sternklarer Winterhimmel weist mir den Weg. Sirius funkelt wie ein Diamant, und gerade jetzt, als ich für einen Moment innehalte, blitzt von dort aus eine Sternschnuppe auf und saust in weitem Bogen pfeilschnell gegen Osten. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, das muss ja wohl ein gutes Omen sein…

Ich bin unterwegs – unterwegs zu dir, möchte dich überraschen. Meine frierende Hand trägt eine Tasche. Die Mütze habe ich weit ins Gesicht herunter gezogen und um den Hals trage ich einen gestrickten Schal. Eine dicke Winterjacke spendet mir genügend Wärme. Da ich keine Handschuhe anhabe, muss ich die Tasche abwechseln mal links, mal rechts tragen, um jeweils die andere Hand in der Jackentasche wärmen zu können…

In deinem Haus brennt Licht. Nun stehe ich vor der Tür und drück einfach auf den Klingelknopf. Kurz darauf höre ich schnelle Schritte. Die Außenbeleuchtung geht an, ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Langsam geht die Tür auf und dein Gesicht schaut mich fragend an. Ich grüße freundlich: „Guten Abend!“ Du erkennst mich nicht, erwiderst meinen Gruß und fragst: „Was möchten sie?“ Ich schmunzle und antworte: „Sie überraschen. Darf ich reinkommen?“ Du bist zwar sehr skeptisch, aber mein Auftreten hat nichts Beängstigendes an sich, und so darf ich eintreten. Du nimmst mir meine Jacke ab und bittest mich ins Wohnzimmer. Dort stelle ich die Tasche auf den Tisch, wir setzen uns…

Dann beginne ich zu sprechen und duze dich dabei: „Ich habe dir etwas mitgebracht.“  Bedächtig öffne ich die Tasche, hebe vorsichtig eine altmodische blaue Teekanne mit weißen Schnörkelverzierungen heraus und stelle sie mitten auf den Tisch. Auch zwei Tassen im gleichen Design habe ich dabei. Du verstehst nicht, was vorgeht. Ich gieße Tee ein und biete dir eine Tasse an.

Wir schauen uns an, ich lege die kalten Hände um meine Tasse und genieße die Wärme. Du tust es mir gleich und schenkst mir wieder einen fragenden Blick: „Wer bist du?“ Höre ich deine Stimme.
„Ich bin ein Freund der Menschen, bin im Winter immer mit meiner Teekanne unterwegs und überrasche Leute, genauso wie dich. Zum Tee möchte ich dir meine Zeit schenken.“
Jetzt funkeln deine Augen, Freude strahlt mir entgegen, und du beginnst du zu reden…, ich höre dir zu. Hin und wieder gieße ich etwas Tee nach. Ich bin da – einfach für dich da. Geborgenheit umgibt dich, es tut so gut, zu reden…

„Tit tit tit, tit tit tit“, dein Wecker klingelt. Du machst das Licht an, die Teekanne schwirrt immer noch in deinen Gedanken herum: „Ach wie schade, dass der Wecker gerade jetzt klingeln musste, da der Traum doch so schön war. Dieses Gespräch voller Freundschaft und Harmonie…“
Verschlafen bewegst du dich in die Küche, um Tee zu kochen und traust deinen Augen nicht. Auf dem Küchentisch stehen eine dampfende, blaue Teekanne mit weißer Schnörkelverzierung und zwei Tassen im gleichen Design. Daneben liegt ein Notizzettel, darauf steht: „Genieß den Tee…, ich komme wieder!“

Lächelnd gießt du dir eine Tasse Tee ein, und freust dich auf den Tag…