Jägerin der Nacht  *Hass…* Teil 16
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So, das war es nun also, das war also John, der richtige, wahre John?
Lanas Augen sahen immer noch leer und verlassen aus, fast so als wäre ihre Seele weit weg von der Wirklichkeit. Aus und vorbei… schoss es durch Daniels Kopf. Sie würde nie mehr das Mädchen sein, das sie einst gewesen war. Dieses Erlebnis hatte ihre Seele beschmutzt.
„Lana, Schätzchen?“, flüsterte er ihren Namen, so als hätte er Angst, sie zu erschrecken, und vielleicht verspürte er diese Angst auch. Lana blickte ihn kurz an, aber sie sah ihn nicht wirklich, es schien fast so, als schaute sie durch ihn hindurch.
„Möchtest du was essen?“, fragte er sie leise.
„Keinen Hunger…“, murmelte sie und senkte den Blick, alles an ihr fühlte sich so widerlich an, es war nicht mehr ihr Körper, sie wollte diesen Körper nicht mehr haben!
„Du musst doch aber was essen, du wirst sehen, es wird dir gut tun! Glaub’ mir!“, versuchte er sie zu überzeugen, doch er ahnte schon, dass dies sinnlos war.
„Duschen…“, murmelte sie wie ein Kleinkind, welches zum ersten Mal einen Schmetterling sieht und dann dessen Namen ausspricht, zum allerersten Mal...
Daniel nickte wissend. „Ja, super Idee, du gehst duschen, und dann siehst du gleich alles ganz anders, du wirst sehen, es wird dir danach viel besser gehen!“.
Besser gehen? Wie sollte eine Dusche gegen dieses Verbrechen helfen? Wie sollte ein bisschen heißes Wasser diesen ganzen Seelenschmerz hinweg spülen? Das war nicht möglich. Nichts könnte ihr jemals diesen Schmerz, diese furchtbare Erinnerung nehmen, leider.
Daniels Augen wurden traurig, sie tat ihm leid, John war ein Schwein, ein Schwein welches mit seinen Verbrechen einfach so davon kommen würde, und das war nicht fair.
Vorsichtig erhob Lana sich, und Daniel tat es ihr gleich, er führte sie ins Badezimmer, das war wohl in dieser Hütte der einzige Raum, der in jeder Ecke vor Sauberkeit glänzte, wenn Daniel eins nicht mochte, war es ein dreckiges Badezimmer.
Er legte ihr ein großes weiches Handtuch aufs Waschbecken und lächelte sie sanft an.
„Wenn du noch etwas brauchst, dann sag’ Bescheid und ansonsten, lass es dir hier gut gehen und nimm dir so viel Zeit wie du brauchst!“, mit diesen Worten ging er zur Tür und ließ Lana alleine im Zimmer.
Erst drehte sie den Schlüssel im Schloss herum, dann jedoch öffnete sie das Schloss wieder, sie wollte nicht eingeschlossen und gefangen sein, auf keinen Fall wollte sie dies!
Das heiße Wasser umspielte sanft ihre Haut, es fühlte sich verdammt gut an, und zuerst beruhigte es sie auch irgendwie, aber dann brach sie wieder in Tränen aus, die sich mit dem Duschwasser vermischten. Sie weinte jedoch nicht verzweifelt, sondern ruhig und stetig, die Tränen flossen einfach so aus ihr heraus.
Eine Stunde war vergangen, dann hörte Daniel, wie das Wasser abgestellt wurde, schnell eilte er in Richtung Badezimmer, er hatte ganz vergessen, ihr Kleidung raus zu legen, ihre eigenen Klamotten wollte sie sicher nicht wieder anziehen. „Ich hab’ dir vor die Tür ein Hemd und eine Hose von mir gelegt, komm’ dann am besten zu mir in die Küche…“
Und genau dorthin machte er sich auch wieder, um den Pfannkuchenteig weiter zu brutzeln. Der Duft verbreitete sich schon verführerisch im ganzen Haus.
„Riecht lecker…“, erschreckte ihn plötzlich die Stimme von Lana, die im Türrahmen stand, sie trug seine Sachen und hatte nasse Haare.
Er wandte sich ihr kurz zu und lächelte sie an, er war erleichtert, sie schien sich etwas gefangen zu haben. „Ich hoffe, du magst Pfannkuchen zum Frühstück? Ich finde, es gibt nichts Besseres!“, er stellte den Teller mit den fertigen gebratenen Kuchen auf den Esstisch und ging dann zur Kaffeemaschine.
„Setz dich doch, ich mach’ uns noch schnell einen Kaffee, und dann komm’ ich zu dir!“
Lana tat was er sagte, und als sie auf die lecker duftenden Pfannkuchen schaute, stellte sie fest, dass sie wirklich Hunger hatte.
„Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe!“, entschuldigte sie sich.
Daniel, der gerade dabei war, Wasser in die Kaffeemaschine zu füllen, hielt inne in seiner Bewegung. „Bist du blöd! Dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen, du weißt genau, dass ich immer für dich da bin!“, sagte er leicht gekränkt.
Die Maschine fing an, blubbernde Geräusche zu machen und arbeitete vor sich hin. Daniel setzte sich zu Lana und musterte sie besorgt. Er wollte mit ihr darüber reden, aber er hatte Angst davor, sie hatte sich doch gerade erst wieder beruhigt.
„Isst du Sirup oder Nutella zu deinen Pfannkuchen?“, fragte er sie, er saß ihr direkt gegenüber und blickte ihr aufmerksam in die Augen.
„Nutella…“, sagte sie knapp und lächelte.
Nun grinste er auch. „Gut, dann muss ich nicht noch einmal aufstehen!“
Er legte ihr einen Pfannkuchen auf den Teller und dann einen auf seinen.
„Wenn du willst, kannst du so lange hier bleiben, wie du möchtest!“, bot er ihr an, während er sich Nutella auf den gebackenen Teig strich und ihn dann zusammen rollte.
„Ich weiß, das ist sehr lieb von dir, aber es geht nicht, ich kann meine Mutter nicht alleine lassen…“; kurz war es still, dann sah Lana wieder bedrückt aus, ein kurzes Seufzen entwich ihr. Sie spürte noch immer einen unangenehmen Schmerz zwischen ihren Beinen, instinktiv presste sie ihre Beine ganz eng aneinander.
„Er soll leiden…“, rutschte es ihr unbewusst und leise von den Lippen.
Daniel sah sie verwundert an, doch er konnte es verstehen, dass sie so dachte.
„Er soll genau so ein Leid ertragen, wie ich es musste…“, fuhr sie fort und starrte nachdenklich auf ihren dampfenden Teller.
„Es gab eine ganz kurze Zeit, da hätte ich es ihm fast geglaubt dass ich seine Gefährtin wäre, aber jetzt… Jetzt wo er mir so etwas angetan hat, glaube ich dies nicht mehr. Im Gegenteil, ich hasse ihn, ich verachte ihn und ekle mich vor ihm!“, ihre Stimme wirkte traurig.
Daniel wusste nicht so recht, was er sagen sollte, was sollte er ihr darauf hin nur sagen?
Er wusste es nicht, und er wusste nicht, was mit John auf einmal los war.
„Ich verstehe das nicht“, gestand er und schaute nun auch auf seinen Pfannkuchen, wo das Nutella schon hinunter rann, flüssig und heiß.
„Was verstehst du das etwa nicht, dass ich so empfinde?“, ihre Stimme klang vorwurfsvoll.
Erschrocken sah Daniel sie an und schüttelte sofort den Kopf. „Schätzchen, natürlich verstehe ich deinen Hass und deine Wut! Ich verstehe nur nicht, wie so etwas aus ihm werden konnte! Er war damals so anders!“
Das leise aber intensive Ticken der Wanduhr machte John fast verrückt, er saß auf dem Sofa, sein Haar völlig verstrubbelt und die Augen stur geradeaus gerichtet.
Was habe ich getan? Was habe ich ihr nur angetan?
Seine rechte Hand fuhr durch sein Haar, er fühlte sich so kaputt, so als hätte er nächtelang durchgefeiert.
Vorwürfe hämmerten durch seinen Kopf, sowie etliche Frage: Wieso, Warum?
Doch er konnte sie sich nicht beantworten. Es tat ihm so furchtbar leid ,und er wünschte sich, er könnte es wieder gut machen, doch wie sollte er dies jemals schaffen? Sie hasste ihn, er hatte ihr etwas Furchtbares angetan.
Ist es die Sache wert? Ist es das alles wert? Ewiges Leben, Reichtum, Macht?
Aber ich bin nicht mehr ich…
Er seufzte und fuhr sich noch einmal durch sein Haar, wieder das Ticken der Uhr.
Tick …Tack…Tick… Tack….
Sei nicht albern! Die Schlampe hat’s verdient und das weißt du genauso wie ich!
Wild schüttelte John seinen Kopf.
Nein! Niemand hat so etwas verdient und erst recht nicht sie!
Ein grelles Lachen durchfuhr seinen Kopf und hämmerte sich in seinem Gehirn fest.
Du müsstest dich nur einmal selber hören! Du klingst wie ein Weichei, du klingst, als würdest du sie lieben! Aber vergesse nicht! du kannst und darfst nicht mehr lieben! Auch das war der Preis dafür, oder hast du es vergessen?
Wieder schüttelte John den Kopf und fixierte einen dunklen Fussel auf dem Teppich zu seinen Füssen. „Nein!“, presste er mühsam hervor.
Also hör’ auf dich wie ein Narr zu benehmen! Du hast nichts Unrechtes getan, du bist schon fast an deinem Ziel, nicht mehr viele Seelen, mein Lieber, nur noch ganz wenige trennen dich von deinen Wünschen!
Die Sonne färbte den Horizont in ein warmes Orange, es wirkte beruhigend, friedlich und voller Hoffnung. Lana seufzte, sie lehnte sich auf der Bank noch weiter zurück und starrte in den Himmel hinauf.
Warum? Warum nur? Ihre Augen wirkten matt, ein Schleier aus Tränen hatte sich wieder darin breit gemacht. Aber sie erlaubte es ihnen nicht, herunter zu tropfen.
Wie lange saß sie nun schon auf dieser Bank im Wald?
Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren und es erschien ihr auch nicht wichtig.
Langsam verstummten die Laute des Tages, und eine beruhigende Stille legte sich auf der Welt nieder.
Was habe ich getan? Was habe ich getan dass du mich so bestrafst, Gott?
Sie senkte ihren Blick und starrte nun in den Wald hinein, der sich dunkel hinter dem Waldweg erstreckte.
Habe ich etwas verbrochen? Ich werde vom Teufel geführt…
Sie seufzte…
Was denke ich da nur?
Sie spürte den Hass in sich hoch kommen, eine brodelnde Wut kochte in ihr auf und schob sich über ihre Traurigkeit und ihre Selbstzweifel.
Töten sollte ich ihn!
Sie presste ihre Lippen fest zusammen, ja sie sollte ihn töten, und dieser Gedanke, setzte sich tief in ihr fest.
Plötzlich durchfuhr sie ein furchtbarer Schmerz, der ihren Körper erzittern ließ, es fühlte sich an, als würde man direkt in ihr Herz stechen und den Dolch immer weiter hineinschieben.
„Nein!!!“, schrie sie auf und verkrampfte sich am ganzen Körper.
„Nein, hör’ auf!“, spukte sie die Wörter hinaus, während sie fühlte, wie eine fremde Macht versuchte, ihren Körper in Stücke zu reißen.
Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, und sie sackte zusammen, rutschte von der Bank und rollte hilflos auf dem Boden herum.
Der Schmerz schien sie schier zu zerfetzen, und dann brannte ihre Haut, und das Brennen fraß sich unter ihrer Haut zu ihren Organen hin, es fühlte sich an, als würde sich ihre Lunge, ihre Niere verformen.
Sie schrie vor Pein auf, und ihr Schrei hallte durch den Wald, doch niemand würde ihr zur Hilfe eilen, niemand würde ihren Schrei hören. Der Wald war menschenleer!
John sah in den Rückspiegel seines Autos und schaute sich selber ganz fest in die Augen.
Du musst dich bei ihr nicht entschuldigen, sie hat keine andere Wahl, sie muss dir gehorchen, sie braucht dich…
Ein kleines zögerliches Grinsen legte sich auf sein Gesicht, dann schnallte er sich ab und stieg hinaus. Die warme Abendluft umfing ihn freundlich, und er atmete tief durch, sog den Sauerstoff tief in seine Lunge hinein.
Dann trat er zur Hütte und klopfte zweimal kräftig an.
Daniel öffnete die Tür sofort, fast so als hätte er nur darauf gewartet.
Doch sein Blick verriet, dass er ganz und gar nicht mit John gerechnet hatte.
„Hey Daniel!“, begrüßte John ihn, seine Stimme klang dabei sonderbar kalt. Daniel nickte kurz, er hatte nicht mit John gerechnet, aber dann auf einmal überwältigte ihn plötzlich der Hass und wischte all seine guten Manieren fort.
Grob packte er John an seinem Hemdkragen und schnürte ihm die Luft ab.
Damit hatte der Anführer keinesfalls gerechnet, und er war so überrascht, dass er gar nicht reagieren konnte, blitzschnell war Daniel aus der Hütte getreten und hatte John brutal gegen die Wand gedrückt, seine Augen loderten vor Zorn.
„Du mieses Schwein!“, drang es drohend aus seiner Kehle hervor, es klang fast wie ein Knurren.
John der nun langsam wieder begriff, was hier nun gerade passierte, ließ dies natürlich nicht kalt. Doch er konterte nicht mit einem Gegenangriff, er wehrte sich nicht.
„Was ist in dich gefahren?“, fragte er stattdessen verwundert.
Daniel glaubte, er höre nicht richtig, und er hoffte, dass John noch rechtzeitig begreifen würde, dass er nicht zum Spaßen aufgelegt war.
„Du elender Dreckskerl!“; knurrte er stattdessen nur wieder und schnürte ihm den Kragen noch enger um den Hals.
John schaute Daniel fest in die Augen, sein Blick wirkte völlig beherrscht.
„Lass mich gefälligst los, Daniel!“, brachte er nun mit ruhiger Stimme heraus.
Doch sein Gegenüber wollte wohl nicht darauf eingehen, er ignorierte diese Worte einfach. „Dafür solltest du in der Hölle schmoren, du bist echt das Letzte, und nun sag’ etwas dazu, bevor ich dich in den Boden ramme!“, Daniels Stimme glich immer mehr einem Knurren.
„Ich sage es dir ein letztes Mal, lass mich los!“, nun fiel es John deutlich schwerer, ruhig zu bleiben.
„Ich denke nicht einmal daran, was willst du machen, mich töten?“, spukte Daniel ihm entgegen, und dabei funkelten seine Augen spöttisch.
„Wenn es sein muss!“, murmelte John leise und packte Daniel ebenfalls ruckartig an der Kehle, die er nun mit seiner Hand regelrecht zusammen drückte.
Daniels Gesicht verzerrte sich zu einer schmerzverzerrten Grimasse.
Fortsetzung folgt
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