Prost Neujahr
Und wieder war ein Jahr vergangen. War 2009 es ein gutes Jahr? Wohl schon.
Das neue Jahr sollte in wenigen Stunden beginnen und entsprechend gefeiert werden, damit es nicht schlechter, sondern noch besser als 2009 werden solle. Doch wie? Eher besinnlich im engen Kreis oder in Form einer gewaltigen Fete mit Freunden?
Der Pfalzgraf und die Kurpfälzerin beschlossen diesen Jahreswechsel im sehr engen Kreis – nämlich allein – und urgemütlich zu zelebrieren.
Sie wollten sich ein leckeres Essen bereiten – sie einigten sich auf Fondue – etwas Nettes im Fernsehen anschauen, danach – gegen Mitternacht – den Nachbarn auf der Straße ein schönes neues Jahr wünschen und den Abend mit allerlei sexuellen Aktivitäten kuschelnd im Bett ausklingen lassen.
Soweit die Planung.
Am frühen Abend bereiteten sie ihre Sylvestermahlzeit vor. Die Kurpfälzerin schnitt das Fleisch und erhitzte das Öl, während der Pfalzgraf einen guten Tropfen entkorkte und leckerere Saucen anrichtete. Der Tisch war schön gedeckte – Kerzen beleuchteten die Szenerie.
Sie schalteten den Fernsehapparat an um sich von einem anspruchsvollen Programm unterhalten zu lassen:
Auf dem Bildschirm erschien ein älterer kleiner Herr mit schlecht sitzendem Toupet und einem penetranten Grinsen im Gesicht. Die TV-Zeitschrift wies ihn als Andy Borg und die Sendung als Silvesterstadl aus. Schunkelnde Menschen im Publikum versuchten – wie in einem Wettbewerb – diesen umherhüpfenden Wicht im Dauergrinsen zu überbieten.
Unseren beiden Zuschauern war das Grinsen jedoch unvermittelt vergangen. Nichts gegen Fröhlichkeit, aber dies ging entschieden zu weit. Selbst ihre Hündin Frida verkroch sich in ihrem Körbchen und hielt sich mit einem gequälten Gesichtsausdruck die Schlappohren zu.
„Lass uns auf diesen Schock einen Ouzo trinken“ sagte der Pfalzgraf und seine bessere Hälfte erwiderte: „Gerne und dann schnell umschalten“.
Der Ouzo tat gut. Was sie nun erwartete jedoch weniger: Champagnermelodien mit Andre Rieu. Nichts gegen Champagner. Aber umsehr mehr gegen diese Art, wie hier österreichische Walzermelodien - welche unser Pfalzgraf ohnehin nie mochte - von einem Belgier im schlecht sitzenden Frack unters Volk gebracht wurden. Und wieder dieses Dauergrinsen. Noch mehr unechte Fröhlichkeit.
„Frau - Schnell noch einen Ouzo“ rief unser Pfalzgraf angewidert „mir wird übel“. „Aber einen Doppelten“ erschallte die Antwort.
Sie begannen mit dem Essen. Die drei Ouzos begannen langsam zu wirken. Unser Held hatte Mühe die Flamme unter dem Kupferkessel in ausreichender Größe zu entfachen, sodass nach wenigen Bissen das Öl wieder abkühlte und die Filetstücke mehr gelangweilt in lauwarmem Öl herum schwammen, als in fröhlicher Hitze umherzutanzen.
Die Hündin verzichtete diesmal aufs Betteln am Tisch. Sie hatte Angst die Pfoten von den Ohren zu nehmen. Eventuell könnte Patrick Lindner noch immer singen.
Sie prosteten sich mit schwerem Rotwein zu. Die Dame des Hauses trug den Kupferkessel zurück zum Herd, während der Herr wiederum sein Glück in den TV-Kanälen suchte.
Das unvermittelte Grauen schrie ihm entgegen. Das Grauen in Form von DJ-Ötzi. Er war bei den größten Apres-Ski Hits gelandet. Wieder dummdreist grinsende Partyunterhalter. Schlimmer konnte es nicht kommen. Dachte er.
Ein neuer Schock für unser Pärchen erforderte wiederum einen alkoholischen Gegenpart. Sie tranken ihre Rotweinkelche gemeinsam aus und schenkten nach. Die Flasche ging schnell zur Neige.
Das Öl war wieder heiß. Zumindest so lange bis jeder 3 Bissen verzehren konnte. Was dann kam erinnerte an „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Aber diese Streifen sollte erst morgen zum zwölften Mal laufen.
Umschalten: Oliver Pochers kindliche Fresse nervte in der Lindenstraße, wo gute deutsche Schauspieler sich nicht zu schade waren, sich in Infantilität gegenseitig herumkreischend zu überbieten.
Es folgte die Vernichtung des restlichen Ouzos in einem Satz. Ihren Appetit hatten sie zwischenzeitlich mit halbgarem Fleisch gestillt.
Wieder umschalten. Ein Science-Fiction Film. Etwas was die Kurpfälzerin nicht mochte.
Weiter: „Die neue Hitparade“ verursachte wiederum Übelkeit in RTL2, was sie veranlasste sich einem Obstschnaps zu widmen. Der Ouzo ging ebenfalls zur Neige.
Er zappte nun auf Michael Jackson. Lasst den armen Kerl in seinem Grab doch endlich zur Ruhe kommen. Es gibt keine Tanzszene, welche nicht jeder Bundesbürger während der letzten Monate mindestens hundertmal gesehen hat.
Das Ohnsorg-Theater nötigte sie dann, ebenso wie das Chiemgauer Volkstheater zum Genuss weiterer Alkoholika.
Zwischenzeitlich nahte Mitternacht in schnellen Schritten. Zehn vor Zwölf. Sie schalteten den Fernseher aus, bekleideten sich mit warmen Mänteln – schließlich war es kühl – und betraten die Straße um ihren Nachbarn ein frohes neues Jahr zu wünschen.
Diese luden unsere Freunde noch auf ein Glas Sekt ein. Eine Einladung welche unsere Freunde gerne anzunehmen gedachten. Nach einem Stündlein wollten sie wieder in ihrem Domizil sein.
Dies gelang ihnen, indem sie vorsichtig und langsam, immer das verschwommene Ziel vor Augen, sich an Gartenzäunen entlang tasteten um nach fast zehn Minuten die fünfzig Meter überwunden zu haben. Sie waren doch etwas betrunken.
Der Genuss von Alkohol hat bei verschiedenen Menschen jedoch verschiedene Auswirkungen. Während unser Pfalzgraf seine, zuvor beim Anblick unserer Bundeskanzlerin anlässlich ihrer Neujahrsansprache verlustig gegangene Sexualität wieder entdeckte, würde die Kurpfälzerin zusehend müde.
Während er - zwar angetrunken doch kampfbereit - sich im Bad wusch, um seiner Angebetenen einen wohlriechenden und gereinigten Körper bieten zu können, hoffte er, dass diese sich ihm erwartend in edler Wäsche präsentiere.
Doch diese gewahr im Angesicht ihrer Ruhestatt lediglich eine Möglichkeit ihren müden Körper zwecks Schlaf ins Bett fallen zu lassen.
Er erblickte sein geliebtes Wesen im Bette liegend, jedoch bestand die edle Wäsche welche sie trug aus dem Mantel und den Stiefeln mit denen sie während des Falles einschlafend ins Bett gestürzt war.
Da stand er nun mit seiner Erregtheit. Zwischenzeitlich gesellte sich auch die Hündin Frida zu den beiden um, wie immer, ihre Schlafstatt vor deren Bett aufzusuchen.
Der Pfalzgraf schaute das Tier freundlich an. Doch dieses, die Geilheit im pfalzgräflichen Blick wohl registrierend fasste dies wohl falsch auf.
„Der wird sich doch nun nicht an mir vergehen wollen?“ rätselte es zwischen ihren Schlappohren „Diesem Blick traue ich alles zu“.
„Vorsichtig – nur nicht zu schnell – dann falle ich am wenigstens auf“. Dies dürfte wohl die Gedanken der Hündin gewesen sein, während sie so unauffällig wie möglich wieder in ihr Körbchen schlenderte um ihm, die Rute eng an ihr Hinterteil angelegt, ihm den Rücken zuzuwenden.
Dabei liebte er das Tier doch wirklich nur platonisch.
So begab er sich ausnahmsweise wirklich durch mannigfaltige Duftwässerchen wohlriechend neben seine Kurpfälzerin, küsste ihr die Stirn und schlummerte sanft ein. Während des Einschlafens vernahm er noch, wie Frida mit einem Seufzer der Erleichterung wieder ihren Platz vor dem Bett einnahm.