Die Freude des Schenkens
Die Freude des Schenkens
"Was haltet ihr davon, wenn wir in diesem Jahr einmal die Weihnachtsgeschenke ausfallen lassen würden?“ Ich schaute in vier fragende Gesichter, die wenig begeistert schienen und versuchte meine Frage zu erklären. „Seht mal, ich habe mir das so gedacht.“ - Dass es nicht so leicht sein würde, meine Enkelinnen davon zu überzeugen, in diesem Jahr einmal auf ihre Geschenke zu verzichten und dafür eine Familie mit mehreren Kindern, die nur ein geringes Einkommen hatte, zu beschenken, war mir schon klar. Aber Versuch macht klug, dachte ich und so fuhr ich fort.
„Wir könnten uns beim Pfarrer erkundigen, welcher Familie es besonders schlecht geht. Ich denke, es gibt hier im Ort einige Familien, die nur mit sehr wenig Geld auskommen müssen und wo die Wünsche der Kinder nicht berücksichtigt werdenkönnen. Wir könnten hier einmal den Weihnachtsmann spielen! „
Ich stellte fest, dass sich bis jetzt meine Überzeugungskraft in sehr geringen Grenzen hielt und sprach weiter: „Wir können es doch einmal ausprobieren, nur in diesem Jahr. Zum nächsten Weihnachtsfest bekommt ihr dann wieder eure Geschenke, ja?“
Ich schaute direkt in die Augen von Annika und Maike und entdeckte, wie es in ihnen arbeitete. Sie schienen zu überlegen. So große Weihnachtsgeschenke gab es von Oma und Opa nicht. Bei vier Enkeln war ein kleinerer Rahmen dafür angelegt. Dafür wurde dann zu den Geburtstagen oft ein etwas größerer Wunsch erfüllt. Wenn aber alle auf ein Geschenk verzichteten, würde schon eine größere Summe zusammenkommen. Damit könnte man ja vielleicht .....
„So gar kein Geschenk Oma!“, unterbrach die achtjährige Janin das Schweigen und auch die 10-jährige Lea konnte sich nicht so richtig mit dem Verzicht anfreunden. „Ihr bekommt doch noch von euren Eltern und anderen Verwandten Geschenke“, versuchte ich sie zu überreden. Es wird euch bestimmt Freude machen, andere zu beschenken, ihr werdet es sehen – lasst es uns einfach mal versuchen! Ich werde mal unseren Pastor fragen.“
Er nannte gleich mehrere Familien und Personen, die Hilfe gebrauchen könnten, deren Einkommen mehr als bescheiden war und denen wir mit einem Geschenk viel Freude bereiten konnten.
Uns wurde klar, dass wir leider nicht allen helfen konnten. „Warum fragen wir nicht mal im Familien- und Freundeskreis nach, ob sie nicht auch „Weihnachtsmann“ spielen und Geschenke spenden möchten. So könnten doch mehr Familien beschenkt werden“, überlegte Annika laut. Sie war jetzt in ihrem Element und wollte, wenn, dann auch vielen helfen. „Ja, das finde ich auch gut“, bemerkte Maike spontan „wir könnten auch bei den Nachbarn fragen, ob sie helfen möchten.“
Ich schaute lächelnd auf meine Mädchen und mir wurde warm ums Herz. Ihre Augen leuchteten und irgendwie wirkten sie nun aufgeregt – sie wollten helfen!
Soviel Hilfsbereitschaft und der eigene Verzicht auf Weihnachtsgeschenke imponierte selbstverständlich allen Familienmitgliedern, Freunden und Nachbarn. Nach dem Motto: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, waren plötzlich alle angetan von dem Vorschlag, anderen eine Freude zu bereiten.
Wir holten unseren Pastor mit ins Boot, der versprach uns zu unterstützten. Er wollte sich vorsichtig nach den Wünschen der bedürftigen Familien erkundigen. Dann verteilte er eine Liste an die freiwillig Helfenden. Wir sollten eine junge Familie mit zwei Kindern, im Alter von vier und sieben Jahren beschenken. Das Mädchen Helen wünschte sich eine Babypuppe mit Kinderwagen und der siebenjährige Sven einen Helikopter mit Fernsteuerung.
Das Einkaufen der Geschenke machte meinen Enkelinnen viel Spaß. Liebevoll verpackten sie die Waren in glänzendem Weihnachtspapier, schmückten die Pakete mit Kärtchen und Schleifen und konnten es kaum erwarten, sie abzugeben.
Und dann wurde es Heilig Abend. Die Kirche war weihnachtlich geschmückt. Ein hoher Tannenbaum stand in der Nähe des Altars, festlich mit vielen Kerzen beleuchtet und Kinder führten die Weihnachtsgeschichte auf.
Am Schluss der bewegenden Weihnachtsmesse sprach der Pastor von einem besonderen Ereignis. Er erklärte, dass Geben wichtiger als Nehmen sei und dass dies Weihnachten ausmache. Er erzählte von der Idee, einmal auf seine Geschenke zu verzichten und somit jemand anderen zu beschenken. Er nannte keine Namen aber wir sahen uns lächelnd an und ich entdeckte dieses freudige Leuchten in den Gesichtern meiner Enkelinnen – ja, das war Weihnachten.
Sonja Rabaza