Morgentoilette
Ist es interessant, wenn ein erwachsener Mann sich morgens in Bad begibt um seinen Körper zu reinigen? Eigentlich nicht.
Und dennoch kann eine doch so lapidare Tätigkeit zu einem wahren Abenteuer mutieren.
8.00 Uhr in der Früh. Den Sand war bereits aus den Augen und die Essensreste aus den Zähnen entfernt. Er schaute sein Spiegelbild an. Ein unrasiertes Etwas mit fettigem, ungekämmtem Haar grinste ihm verwegen entgegen. Die Nase, in Richtung seiner Achselhöhlen gestreckt, sagte ihm: „Gehe sofort duschen“.
Doch zuvor das Antlitz verschönern: Sein pfalzgräflicher Kinnbart sollte von glatter Haut umrandet sein. Somit war auch eine Rasur angesagt. Gut gelaunt und bester Dinge ergriff er den Rasierer und schaltete das Radio ein. Da er am gestrigen Abend dem Alkoholteufel abgeschworen hatte fühlte er sich frisch und beschwingt. Als im Radio „Good Morning Sunshine“ lief, swingte er im Takte mit, während der Rasierer behände auch die letzten ungewollten Bartstoppel aus seinem Gesicht entfernte.
Doch der Song war zu gut – er swingte zu sehr. Der Rasierer glitt aus und schnitt eine tiefe, einer Ackerfurche gleiche Vertiefung in seine graumelierte Manneszierde. Der Bart war zerstört. Er fluchte das böse F-Wort und rasierte sich gänzlich.
Ein glattes, jedoch durch den fehlenden Bart etwas pausbäckiges Gesicht schaute ihm entgegen. Durfte er sich – jetzt ohne Kinnbart – überhaupt noch Pfalzgraf nennen, sinnierte er während er den Morgenmantel ablegte um sich unter die Dusche zu begeben.
Das angenehm warme Wasser über seinem Körper gab ihm seine Lebensgeister und seine gute Laune zurück. Er räkelte sich unter dem Strahl und schäumte seine Haarpracht mit Shampoo ein. Mit Schaum vor den geschlossenen Augen gab er sich seinem Glück hin.
Jedoch nicht für lange.
Plötzlich wurde das Wasser kalt. Schlagartig und eiskalt. Und nur noch ein Rinnsal tröpfelte lustig aus dem, in seiner Hand befindlichen Duschkopf. Er war schockiert und richtete den Duschkopf weg von seinem jetzt frierenden Körper.
Da stand er nun vom Schaume erblindet und überlegte wem er diese Misere wohl zu verdanken habe. Viele Menschen leben in dem Haus, in welchem auch sein pfalzgräfliches Domizil liegt. Wenn zwei oder mehrere Menschen gleichzeitig duschen, so verweigert das warme Wasser allzu gerne seinen Dienst. Also: Der duschende Feind saß nahe im eigenen Haus.
Sollte er ihm die Reifen seines Automobiles aufschlitzen oder gar seinen Hund auf ihn hetzten? Nun – zum Ersten wusste er nicht um welchen Mitbewohner es sich handelte und zum Zweiten wollte diese Person auch nur ihren Körper reinigen und stand wahrscheinlich ähnlich frierend und eingeschäumt wie er unter der Dusche. Man könnte höchstens einen Club der frierenden, eingeschäumten Duscher gründen.
Das Wasser blieb kalt – er blieb blind. Er wollte nur noch schnell aus der Duschkabine um sich die Augen auszureiben. So steckte er den Duschkopf blindlings auf die hierfür vorgesehen Vorrichtung. Zumindest wollte er dies. In seiner Blindheit verfehlte er jedoch sein Ziel und das tröpfelnde Teil knallte schwer auf den Boden. Es hätte auch die Emaillebeschichtung der Duschkabine treffen und beschädigen können. Dies tat es nicht. Es traf und beschädigte vielmehr den ohnehin schon durch eine Verstauchung angeschlagenen kleinen Zeh des Pfalzgrafen.
Wieder entrann das böse F-Wort seinen Lippen. Nur diesmal lauter.
Raus aus der Dusche. Schnell und ohne Rücksicht auf fehlende Sicht. Dies war sein einziger Gedanke. Doch er unterschätzte die Höhe der Kabine, stolperte und 95 kg Pfalzgraf landeten, mit dem Knie zuerst an der Toilettenschüssel. Diese massive Einwirkung menschlichen Fleisches auf die Verankerung der Toilettenbrille veranlasste jene ihren Dienst zu versagen und die Toilettenbrille aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. So landete die Toilettenbrille auf dem Fußboden.
Sein dritter Aufschrei mit dem bösen F-Wort an diesem Morgen klang nahezu hysterisch.
Da stand er nun. Sein Knie schmerzte – in seinem kleinen Zeh pochte das Blut – die Augen brannten vom Seifenschaum und er fror am ganzen Körper. Dazu trug er auf dem Kopf noch immer die Shampoo-Krone. Der Duschkopf war wahrscheinlich defekt und die Toilettenbrille abgerissen.
Plötzlich jedoch ein Geräusch wie laufendes Wasser. Sollte der Feind seinen Duschvorgang eingestellt haben? Er öffnete seinen Augen; Sie brannten ja ohnehin schon und er erblickte tatsächlich wie sich ausreichend warmes Wasser aus einem Schlauch, welcher zu früheren Zeiten einmal den Duschkopf trug, erfloss.
Jetzt aber schnell, bevor ein anderer Hausbewohner seine Dusche betritt. Schließlich hat das Haus viele Bewohner und es 8.00 Uhr morgens. Er wusch sich so schnell er konnte. Gerne hätte er noch unter dem warmen Wasser verweilt. Aber er hatte Angst. Seine Augen waren von Seife errötet und von Panik geweitet.
Zumindest konnte er sich nun frisch rasiert und den Körper gereinigt auf den Weg zum Baumarkt machen um dort gleich zwei Duschköpfe und Toilettenbrillen zu erstehen. Schließlich ist auch morgen ein Tag an welchem er gegen 8.00 Uhr duschen wird.