Begegnung im Regen
Mies gelaunt machte sich Mario auf den Heimweg vom Fußballtraining. Heute hatte seinen Mannschaft einen neuen Trainer bekommen. Ausgerechnet den jungen Mann, den er heute am Schultor gesehen hatte. Viktor war sein Name. Mario konnte sich nicht helfen, aber er mochte der Kerl einfach nicht. Und dann hatte es zu allem Überfluss auch noch angefangen zu regen. Unter seinem dunkelblau gestreiften Schirm stand Mario an der Ampel und wartete, dass sie endlich auf grün umsprang. Da rannte jemand in ihn rein.
"Kannst du nicht aufpassen", knurrte Mario, denn das eigentlich nicht ausmachte, und sah zu der Person.
Vor ihm auf dem Boden saß Maron, die durch den Zusammenstoß hingefallen war. Ihre Kleidung war total durchnässt und sie drückte eine Plastiktüte an sich. Sie musste schon eine Weile durch den Regen gelaufen sein, so nass wie ihre Sachen waren. Plötzlich war all die schlechte Laune von Mario verschwunden und er reichte Maron die Hand.
"Hast du dir was getan?", fragte er, doch Maron blieb regungslos.
Weder antwortete sie ihm, noch nahm sie seine helfende Hand an. Sie blieb einfach auf dem nassen Boden sitzen.
"Na komm schon. Der Boden ist doch nass und kalt."
Mit einem sanften Ruck zog er Maron wieder auf die Beine. Vorsichtig strich Mario ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er merkte, wie sie leicht zitterte.
"Du solltest deine nassen Sachen ausziehen, bevor du krank wirst", meinte er, nahm Marons Hand und zog sie hinter sich her.
Sie wehrte sich nicht und folgte ihm einfach. Eigentlich hatte sie Viktor ja nur seine Wechselkleidung, die er vergessen hatte, bringen wollen, als sie vom Regen überrascht worden war und sich auch noch verlaufen hatte. Vielleicht war es Glück gewesen, dass Maron ausgerechnet Mario getroffen hatte. Wer weiß, wem sie sonst an so einem verregneten Abend begegnet wäre. Als sie Marios Wohnung erreichten, schloss er auf und sah zu Maron.
"Fühl dich ganz wie Zuhause."
Vorsichtig betrat Maron die Wohnung und sah sich um. Es war ruhig, so als wäre niemand außer ihnen hier. Maron fragte sich, ob Mario hier wohl ganz alleine ohne seine Eltern lebte. Gerne hätte sie ihn gefragt, doch sie konnte ja nicht. Außerdem war es sicher auch nicht angebracht ihn danach zu fragen.
"Ich gebe dir am besten etwas zum Anziehen von mir, wenn es ok für dich ist", meinte Mario und sah sie mit seinen hellgrünen Augen an.
Maron nickte schwach und nieste leicht. Auf Marios Gesicht erschien ein leichtes Lächeln.
"Und am Besten mache ich dir dann noch eine schöne heiße Tasse Tee", sagte er und ging in Richtung seines Zimmers.
Maron folgte ihm nur langsam, noch immer drückte sie die Plastiktüte mit den Sachen ihres Bruders an sich.
"Hier bitte. Ich hoffe das geht", meinte Mario, der seinen halben Schrank ausgeräumt hatte, und reichte Maron ein etwas größeres Shirt.
Zögernd nahm Maron es an sich.
"Ich mach jetzt den Tee und bring dir dann noch ein Handtuch. Du kannst solange hier bleiben", mit diesen Worten verliess Mario das Zimmer.
Maron sah ihm noch kurz nach, dann stellte sie die Tüte ab und zog sich langsam aus. Währenddessen stand Mario in der Küche, kochte Tee und wunderte sich über sich selbst. Warum hatte er dieses Mädchen nur mit nach Hause genommen? Ein leise Seufzten entfuhr ihm und mit der Hand strich er sich eine schwarze Haarsträhne aus den Augen. Dann hörte er ein Rascheln und Knacken und fuhr herum. Vor ihm stand jetzt Maron in seinem für sie zu großem alten Fußballtriko, dass ihr fast bist zu den Knien ging.
"Ich hab doch gesagt, du kannst in meinem Zimmer warten."
Doch Maron schüttelte den Kopf und setzte sich an den Tisch.
"Du sprichst wohl nicht mit jedem", meinte Mario.
Maron sah kurz zu ihm, dann nahm sie ein Stück Papier und einen Stift, die auf dem Tisch langen und schrieb etwas auf. Mario beobachtete das ganze etwas verwundert und bekam dann einen Zettel von Maron unter die Nase gehalten.
Dort stand: Ich kann nicht sprechen. Schon seit meiner Geburt habe ich nicht ein einziges Wort gesprochen.
Mario sah von dem Blatt auf und sah Maron an.