Draußen schneite es jetzt schon seit Stunden und langsam brach die Dunkelheit herein. Yuki stand am Fenster und beobachte die Schneeflocken, wie diese langsam zu Boden gleiten. Heute war der Weihnachtsabend, doch sie war wie immer alleine. Ihre Eltern waren einfach zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt, als mir ihrer Tochter Weihnachten zu feiern. Ihr letztes Weihnachten mit ihren Eltern hatte Yuki als sie 10 Jahre alt war. Nun war sie schon 16 und sie hatte sich daran gewöhnt. Yuki sah mit ihren azurblauen Augen den Schneeflocke weiter beim zu Boden fallen zu. Plötzlich tauchte in der eintretenden Dunkelheit ein kleiner Schatten wenige Meter vom Fenster auf. Kurz erschreckte sich Yuki. Der Schatten war so plötzlich erschienen, als wäre er aus dem Nichts gekommen. Von der Größe her würde Yuki den Schatten für ein Kind halten, doch sie konnte es nicht genau erkennen. Wenn der Schatten wirklich ein Kind war, was machte es dann zu dieser späten Stunde und dazu auch noch am Weihnachtsabend alleine draußen? Ohne weiter darüber nach zu denken, zog sich Yuki ihre brauen Winterstiefel an und ging nach draußen.Sie musste gar nicht weit gehen, als sie auch schon vor dem Schatten stand. Es war tatsächlich ein Kind gewesen, das da stand. Es war ein Junge mit kurzen haselnussbraunen Haaren und smaragdgrünen Augen.
„Was machst du denn so spät noch hier draußen Kleiner? Hast du dich verlaufen?“, fragte Yuki den Jungen.
Der Junge sah sie nur an und schwieg. Hatte der Junge vielleicht nicht verstanden, was Yuki ihm gesagt hatte?
„Lass uns ins Haus gehen. Es wird hier langsam kalt hier draußen“, meinte Yuki und deutet auf das Haus hinter sich.
Der braunhaarige Junge sah zu dem Haus und Yuki bekam ein leichtes Nicken als Antwort. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen ging Yuki gemeinsam mit dem fremden Jungen. Es wunderte sie etwas, dass ein Kind sich hier her verlief. Das Haus ihrer Eltern lag außerhalb der Stadt und so kam auch nur selten einfach jemand hier vorbei. Im Haus versorgte Yuki den kleinen Jungen erstmal. Sie wickelte ihn in eine warme Decke und machte ihm eine heiße Schokolade.
„Wie heißt du denn?“, fragte Yuki ihn schließlich, doch sie bekam wieder keine Antwort.
Ein leise Seufzen entfuhr Yuki. Was sollte sie nur mit diesem Jungen machen. Sie strich sich eine Strähne ihres langen rotbraunes Haares zurück und dachte etwas nach. Vielleicht sollte sie ihn einfach zur Polizei bringen.
„Lass es bleiben“, ertönte plötzlich die Stimmer das kleinen Jungens.
Also konnte er sie wohl verstehen und auch sprechen. Yuki sah ihn an.
„Was soll ich lassen?“, fragte sie.
„Einfach alles.Hör auf nett zu mir zu sein.“
„Aber warum denn?“
„Weil das einfach nicht zu einem Menschen passt. Menschen sind egoistisch und denken in erster Linie immer nur an sich selbst. Ich hab das schon eine ganze Weile beobachtet. Auch die Weihnachtszeit ändert nicht viel daran. Sie schenken zwar anderen etwas, verlangen dafür aber auch eine Gegenleistung.“
Yuki sah den Jungen mit leicht geöffneten Mund an. Wovon sprach dieses Kind nur? Er hatte wohl ein völlig falsches Bild von den Menschen.
„Sagst du mir jetzt deinen Namen?“; fragte Yuki.
„Ich habe keinen wirklichen Namen. Alle nennen mich nur Weihnachtsengel“, antwortete der kleine Junge.
In Yuki machte sich immer mehr Verwunderung breit. Was war nur los mit diesem Jungen? Hatte er sich vielleicht den Kopf gestoßen und wusste nicht wer er war?
„Ich bring dich am besten zur Polizei. Die werden dich dann nach hause bringen“, meinte Yuki.
„Die können mich nicht nach hause bringen. Immerhin lebe ich im Himmel“, entgegnete der braunhaarige Junge.
„Ist auch wirklich alles ok bei dir?“
„Du glaubst mir das nicht oder? Na gut.“
Der Junge stand auf und dreht Yuki den Rücken zu. Es dauerte einige Minuten, bis es plötzlich puff machte und zwei kleine weiße Flügel auf dem Rücken des Jungen erschienen waren. Yuki wich ein paar Schritte zurück. Weihnachtsengel drehte sich zu ihr und grinste leicht. Yuki atmete einmal tief durch und sah den Jungen an.
„Ok du bist also ein Weihnachtsengel und trotzdem hast du keinen richtigen Namen?“, fragte sie.
Das Grinsen verschwand aus Weihnachtsengels Gesicht und er sah Yuki mit deinen smaragdgrünen Augen an.
„Du glaubst mir?“, fragte er verwundert.
„Sicher. Ich meine du hast Flügel und die sehen ziemlich echt aus. Ich hab zwar nicht mehr an Engel geglaubt, aber wie es aussieht bist du einer“, entgegnete Yuki.
„Du bist ein eigenartiger Mensch. Du bist nett zu mir und verlangst aber keine Gegenleistung von mir. So jemanden wie dich habe ich noch nie getroffen.“
„Aber jetzt hast du ja einen getroffen. Nicht alle Menschen sind so wie du denkst. Aber sag mir, was machst du hier auf der Erde?“
Eine leichte Röte erschien auf Weihnachtsengels Gesicht.
„Ich bin runter gefallen“, murmelte er leise.
Yuki sah ihn an und lächelte sanft.
„Und jetzt kommst du nicht mehr zurück?“, fragte sie.
Weihnachtsengel nickte nur leicht. Es war ihm etwas peinlich einfach aus dem Himmel gefallen zu sein.
„Ich werde dir helfen, wenn du willst“, meinte Yuki.
„Du kannst mir nicht helfen. Ich muss einfach nur warten, bis mich jemand holt“, antwortete Weihnachtsengel.
„Und wie lange wird das ungefähr dauern?“
„Kommt drauf an. Es ist gerade viel los da oben. Vielleicht bemerken sie mein Verschwinden erst morgen früh.“
„Und du hast wirklich keinen richtigen Namen?“
„Nein den muss ich mir erst verdienen, aber da hab ich keine Lust drauf.“
Yuki schwieg und dachte kurz nach.
„Ich will dich aber nicht Weihnachtsengel nennen. Das ist mir auch zu lang. Ich gebe dir jetzt einfach einen Namen“, meinte Yuki schließlich.
„Du kannst mir doch nicht einfach einen Namen geben“, erwiderte Weihnachtsengel.
„Doch das kann ich. Ich werde dich Tenshi nennen. Das bedeutet übersetzt Engel.“
Ein kurzes Lächeln huschte über Tenshis Lippen. Diese Mädchen war wirklich nett zu ihm und er fing an sie zu mögen.
„Weihnachtsengel“, ertönte plötzlich eine laute Stimme von draußen.
Sowohl Yuki als auch der, der gerufen worden war, zuckten zusammen.
„Sie kommen dich wohl doch schon holen“, meinte Yuki und sah zu Tenshi.
„Scheint so“, antwortete Tenshi.
Gemeinsam gingen die beiden nach draußen und dort stand ein Mann mit langen weißen Haaren und rötlichen Augen. Auf seinem Rücken hatte der fremde Mann zwei riesige weiße Flügel.
„Oberengel Misaki“, sagte Tenshi und ging zu dem Mann.
„Weihnachtsengel, da lässt man dich nur eine Sekunde aus den Augen und du fällst auf die Erde“, meinte Misaki.
Misakis Blick fiel nun auf Yuki, die etwas Abstand von den beiden hielt.
„Es es Zeit sich zu verabschieden Weihnachtsengel“, sagte Oberengel Misaki zu Tenshi.
Dieser nickte und ging wieder zu Yuki.
„Ich muss jetzt gehen“, sagte Tenshi leise.
„Ist schon ok. Es war schön dich kennen zu lernen Tenshi und ich hoffe, du denkst jetzt nicht mehr ganz so schlecht von den Menschen“, entgegnete Yuki mit einem leichten Lächeln.
„Nein tu ich nicht. Ich weiß jetzt, dass es auch Menschen wie dich auf dieser Erde gibt. Bitte bleib so wie du bist.“
„Ja mach ich und ich danke dir Tenshi. Dank dir war ich Weihnachten nicht allein.“
Mit diesen Worten ging Yuki zurück ins Haus. Tenshi sah ihr nach und lächelte schwach.
„Ich denke es ist Zeit, dass du einen Namen bekommst Weihnachtsengel“, meinte Misaki.
„Wirklich?“, fragte dieser und sah zu dem Oberengel.
„Ja wie möchtest du denn heißen?“
„Tenshi“, antwortete Tenshi sofort.
Auf dem Gesicht des Oberengels erschien ein sanftes lächeln.
„Also gut Tenshi. Lass uns nach hause gehen“, sprach der Oberengel.
Er nahm Tenshis Hand und war kurz darauf mit diesem in der Dunkelheit der Nacht verschwunden.