Zwei Brüder
Es war einmal
Vor langer Zeit
In einem Land
Von hier ganz weit
Lebten zwei Brüder
Genauso verschieden
Wie Tag und Nacht
Waren ihre Gemüter
Als die Eltern sterben
Nur einer wollte erben
„Ich als älterer allein
Darf nur Erbe sein!"
Das elterliche Gasthaus
Hat er sich genommen
Den jüngeren zur Tür raus:
„Du darfst nie wieder kommen!"
Nun war der eine Bruder
Reich durch das Gästehaus
Der jüngere der beiden
Arm, wie die Kirchenmaus
In die Welt hinaus
Zog der junge Mann
Dem Übel zu entkommen
Was ihm ward angetan
Durch Sümpfe und durch Wälder
Führte ihn der Weg
Durch Wiesen und durch Felder
Ohne einen Zweck
An einer großen Lichtung
Ertönte dann ein Schrei
Er lief in diese Richtung
Zur Hilfe schnell herbei
Auf dem Boden umgestürzt
Lag ein schwerer Karren
Darunter war ein Mann
Um ihn herum nur Waren
Er half dem Unglücksraben
Aus ihm geschehener Not
„Wärst du nicht hier gewesen
So wäre ich jetzt tot."
Sie stellten dann gemeinsam
Den Karren wieder auf
Befestigten die Zügel
Und stiegen beide drauf
Des Weges immer weiter
Fuhren sie entlang
Sprachen über vieles
Sitzend auf der Bank
„Ein ganz normaler Fuhrmann
Wirst Du wohl nicht sein
Dafür ist deine Kleidung
Wahrlich viel zu fein!"
„Ein Fuhrmann hat mir gestern
Das Fahren abgesagt
Um Geld nicht zu verlieren
Hab ich mich selbst gewagt.
Ich selber bin ein Kaufmann
Hab Märkte hier und da
In dieser Stadt dann auch noch
Eine große Bar
Zum Dank für seine Rettung
Stellt er ihn bei sich ein.
„Wenn du selber möchtest
Kannst du Verkäufer sein!"
Jahre gingen ins Land
Der Kaufmann wurde Greise
Hielt des Freundes Hand
Sprach dabei ganz leise:
„Kinder hab ich keine
Alt bin ich aber schon
Vor dir war ich alleine
Du warst mir wie ein Sohn!"
Er vererbte ihm sein Reichtum
Als er gestorben war
Der nun sehr reiche Bruder
Trauerte ein Jahr
Ein Geschäftsfeld von vielen
War der Handel mit Torf
Zwang ihn zurück nach Hause
In sein Heimatdorf
„Ich denk so soll es sein
Den Bruder zu besuchen
Ich werde ihm verzeihen
Wenn er will Reue suchen."
Als Bettelmann verkleidet
Ins Gasthaus ging er rein
Von Bruders Blick begleitet
Er ließ ihn nicht allein
Der Bruder kam zum Tisch:
„Sag an, was willst du hier?"
„Ich möchte mit dir sprechen
Bei einem Humpen Bier."
„Es gibt nichts zu bereden
Verschwinde, gehe fort!
Ich werde dir nichts geben
Verlasse diesen Ort!"
„Ich bin hierher gekommen
Dir Bruder zu verzeihen
Doch du scheinst nicht zu wollen
Drum lasse ich es sein."
Nach einigen Wochen
Im Dorf wurd gesagt
Der Herr dieser Lande
Geht auf die Jagd
Zum Gasthaus des Älteren
Kam der König herbei
Reservierte die Zimmer
Bis die Jagd war vorbei
„In zwei Tagen wir wollen
Es ist schon beschlossen
Uns beim Festmahl erholen
Essen, was wir geschossen
Hole du Wirt den Wein
Und auch das Bier
Reich wirst du sein
Das verspreche ich dir!"
Was der Wirt nicht wusste:
Sein Bier und sein Wein
Bestellen er musste
Beim Bruder allein
Weil der Kaufmann es wollte
Ist es geschehen:
Was der Wirt holen sollte
Hat er niemals gesehen!
Der König zum Wirte:
„Wollen wir wetten?
Nun wird nicht mal ein Hirte
Dein Gasthaus betreten!"
Von diesem Zeitpunkt an
Bis ins nördlichste Land
War der Wirt und sein Gasthaus
Nur im Schlechten bekannt
© by A.D. Kissing, 08.12.2007