Unter den Weiden
Als Kinder spielten wir immer unter den Weiden,
unter den Weiden vor unserm Haus.
Wir liebten unsere Weiden. Für uns waren sie ein großes, sicheres Dach.
Ihre abgebrochenen Äste waren unsere Schwerter. Wir konnten darunter so herrlich Krieg, oder Fußball spielen; gegen die Kinder von der anderen Straße. Ja so war es, mit den Weiden vor unserem Haus.
Das Schönste für uns war hoch hinauf zu klettern, in den Weiden vor unserem Haus. Was Tarzan uns zuhause in den schwarz weiß Filmen vormachte, hier konnten wir es erleben. Hier waren wir Tarzan. Wir lebten in den Weiden in den Weiden vor unserem Haus.
Die Ruten nutzten wir als Lianen, um uns hin und her zu schwingen. So bauten wir unsere Lager in die Baumkronen. Wir verteidigten unsere Bäume gegen unsere Feinde, die Kinder aus den anderen Straßen. Ja wir waren die Könige unserer Weiden, der Weiden vor unserem Haus.
Vor zwei Jahren sind sie gekommen, nicht in einer Nacht und Nebel Aktion, nein ganz normal, die Gärtner. Die Bäume waren zu groß. Früher waren sie für uns doch noch viel größer. Aber Gärtner sind gekommen und haben aus unseren Bäumen nur karge, kastrierte Stümpfe gemacht. Es war entsetzlich. Mit den Weiden ist ein Stück Kindheit gestorben. Mit den Weiden vor unserem Haus.
Wenn ich heute aus dem Fenster schaue, runter zu den Weiden muss ich feststellen, dass sie ordentlich nachgewachsen sind. Ich denke, sie werden wohl so in zehn bis hundert Jahren ihre alte Größe erreicht haben. Die Weiden vor unserem Haus.
Und doch, die Bäume sind irgendwie nackt. Es fehlt etwas.
Es fehlen die Kinder; in den Weiden vor unserem Haus.