Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Pfälzer Leberwurst im Umbruch der 68er Revolution.
Es begab sich 1968 in der Bundesrepublik Deutschland. Der Pfalzgraf selbst war bei diesem Happening nicht zugegen. Leider. Gerne wäre er ein Mitglied dieser Performance geworden. Doch es sollte nicht sein.
Dennoch basieren alle hier geschilderten Ereignisse auf realen Gegebenheiten. Der Pfalzgraf konnte sich auf Grund fotographischer Beweiße und glaubwürdiger Zeugenaussagen der Beteiligten vom Wahrheitsgehalt der Schilderungen überzeugen.
Doch lasst mich berichten:
Wir schreiben den Sommer 1968. Einige Freunde, eigentlich völlig unpolitisch und der Kunst üblicherweise weniger zugeneigt saßen, unter Zuhilfenahme einiger Biere, redselig und gutgelaunt in einer Taverne in dem netten westpfälzischen Städtchen namens Zweibrücken.
Sie spielten Karten und vergeudeten ihre Zeit mit Sprücheklopfen und Witzereisen. Die Stimmung wuchs.
Im Laufe des Abends stand plötzlich und unerwartet eine Wette auf dem Plan. Nennen wir die konkurrierenden Wettpaten einfach Martin und Michael. Worum es eigentlich ging weiß heute niemand mehr. Aber der Einsatz ist noch wohlgeläufig. Eines ist bewiesen und auch nach über 40 Jahren unstrittig. Michael verlor die Wette.
Eine Woche später:
Die Anzeige im „Pfälzischen Merkur“ – der Heimatzeitung aller Zweibrücker:
„Am Samstagmittag, 12.00 Uhr findet am Marktplatz ein Happening unter dem Motto „Die gesellschaftliche Bedeutung der Pfälzer Leberwurst in unserer Zeit“ statt – Der Eintritt ist frei“
Der Zeitpunkt für die Wetteinlösung war klug gewählt. Samstags gegen 12.00 Uhr war der Marktplatz in Zweibrücken wohl gefüllt. Frauen und Omas kauften Früchte und Gemüse ein, während ihre Ehemänner den leckeren Pfälzer Wein kosteten. Kinder nervten die Erwachsenen durch unsinniges Herumtoben und – aufgrund der Anzeige angelockt – wagten sich einige Kunstbeflissene zum Ort des erwarteten Happenings. Der Platz war mit Menschen jeglicher Couleur wohlgefüllt.
Dann der große Auftritt:
Fanfaren erschallten aus Lautsprechern. Direkt in der Mitte des Marktplatzes – in Angesicht des herzoglichen Schlosses – betraten die Aktionskünstler die Bühne. Martin und sein Assistent trugen wohlfeile mittelalterliche Gewänder. Michael war wahrlich königlich gewandet. Zu Dritt betraten sie die Szenerie. Martin und sein Assistent links und rechts – der königliche Wettverlierer Michael – mittig laufend. Sehr angemessen dem Ereignis entgegen schreitend.
Martin hatte die Hände ausgestreckt. Auf diesen ausgestreckten Händen befand sich ein Kissen aus rotem Plüsch mit goldumrandeten Stickereien. Auf diesem Kissen thronte ein Ringel feinster Pfälzer Leberwurst.
Ein wahrlich fürstlicher Anblick. Der Ringel Leberwurst – zumindest die Reste davon – schwelgen heute noch in Erinnerung an diesen Auftritt. Die anwesenden Zuschauer, auch unwissende Marktbesucher, versammelten sich vor dem Trio. Die Performance konnte beginnen.
Doch keine Ansprache eröffnete das Ereignis. König Michael postierte sich auf einem steinernen Poller. So dass ihn jedermann sehen konnte. Erhobenen Hauptes schaute er auf die Menge – ein Lächeln auf dem Gesicht. Die Menge wartete voller Spannung. Was möge nun geschehen? Welche gesellschaftspolitische Bedeutung hat die Pfälzer Leberwurst in unserer Zeit?
König Michael griff nach dem Kissen und entnahm langsam und feierlich den Wurstkringel von seinem samtenen Bett. Mit einem kleinen Messer durchstach er den wohlriechenden Kringel in dessen Mitte.
Dann zerteilte er die Masse auf beiden Händen und strich sie sich ins Haar.
Er massierte sich die Kopfhaut mit Leberwurst während die zuschauende Meute etwas betreten war. Die braven Hausfrauen und deren Ehemänner waren schockiert über die Jugend von heute während die extra angereisten anwesenden Kunstbeflissene eifrig über den Sinn dieser Aktion diskutierten:
„Wollen uns die Künstler über den Hunger in der Welt aufklären?“ Wollen die Künstler vielleicht eine Verbindung zwischen Schönheit und Essgewohnheiten herstellen?“ Die Diskussionen innerhalb der Zweibrücker intellektuellen Szene dauerte noch Monate an.
Michael jedoch hatte seine verlorene Wette eingelöst: Sich mitten in der Stadt eine Leberwurst in die Haare zu schmieren.