Science Fiction
Mental - (Arbeitstitel)

Der Kaiser

Als er seine Augen öffnete, war es schwarz um ihn. Er wollte sich aufrichten, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Der Boden auf dem er lag, war hart und uneben, spitze Dinge drückten in seinen Rücken. Er tastete um sich, und erfasste einen langen Gegenstand an dem er sich hochziehen wollte, doch plötzlich verspürte er einen starken Schmerz und eine warme Flüssigkeit lief seinen Arm hinab. Sein Blut. Also liess er es bleiben und lag einfach da, ohne Zeitgefühl, ohne Sicht. Stunden vergingen und er dachte nach, wie er wohl in diese Situation kommen konnte. Aber er konnte sich nicht erinnern. Er durchforstete seine Gedanken, doch er konnte nichts finden. Weder wie er hier hinkam, noch wo er herkam. Er wusste nicht einmal seinen Namen oder wie er aussah. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch alles was herauskam war ein schwaches Röcheln. Langsam begann er sich zu verkrampfen. War er auf Ewigkeiten hier eingesperrt? Für immer dazu verbannt, auf diesem feuchten, harten Boden zu liegen und über seine Herkunft nachzudenken? Er begann zu schwitzen, als ihn plötzlich Panik erfasste. „Ich muss hier weg“, schrie er innerlich. „Weg, weg, weg!“
Er packte nochmals den scharfen Gegenstand, zog sich mit einem Ruck hoch. Ein erneuter, viel schärferer Schmerz schüttelte ihn. Doch er stand. Jedenfalls für einen kurzen Moment, denn dann verlor er erneut das Gleichgewicht, flog nach vorne, schlug hart mit dem Kopf auf dem Boden auf. Er verlor fast erneut die Sinne, doch er kämpfte gegen den Nebel an, der seine Sinne betrübte. Wieder ertastete er seine Umgebung, doch die Hoffnung hatte er schon fast aufgegeben. Spitze Gegenstände, überall. Dann erfasste er eine kleine Bodenrille. Mit aller Kraft die er hatte, zog er sich zu dieser hin. Erneut erkundete er seine Umgebung, erfasste eine Vertiefung und kroch weiter. So zog sich das hin. Zentimeter um Zentimeter. Seine Arme schrien vor Schmerz, sein Bauch war aufgerissen und blutete. Doch für ihn zählte nur das Vorankommen. Zentimeter um Zentimeter. Plötzlich berührte er mit einer Hand ein anderes Objekt, an dem er sich hochzog, was ihm schon merklich leichter fiel. Es war eine Platte, die auf vier Pfeilern stand. Sie war kalt und hart. Langsam setzte er sich darauf, lehnte sich an der sich dahinter befindenden Wand an. Ihm war schwindlig, fasste sich mit der Hand an die Stirn. Diese fühlte sich sehr ledrig an und war sehr heiss, was für ihn aber keine Bedeutung hatte. Er berührte die Wand, die mit einigen hervorstehenden Dingen bedeckt war. Langsam erfasste ihn wieder Panik. Die Aussicht auf Rettung, die ihn kurzzeitig erfasst hatte, legte sich wieder. Er drückte an den Objekten herum, eines gab plötzlich nach. Der gesamte Raum flammte plötzlich auf. Das Schwarz wich blenden weissem Licht. Er wich zurück, schlug sich den Kopf und seine Sinne schwanden erneut.


Langsam kehrte seine Sicht zurück. Das helle Licht blendete ihn, doch mit jeder Sekunde gewöhnte er sich besser daran und nach einigen Minuten, in denen er noch nichts erkennen konnte, klärte sich sein Blickfeld. Er lag immer noch auf dem Tisch, sah an die Decke, welche aus grossen Eisenplatten zu bestehen schien und schon sehr alt aussahen. Rostige Kerben durchzogen sie, einige Platten waren herausgerissen worden. Dahinter kamen Unmengen von Kabeln zu Vorschein, sowohl grosse als auch kleine in den verschiedensten Farben, einige davon waren zerrissen und hingen lose herab. Träge schaute er sich um und hielt sich den Kopf, der mittlerweile starke Schmerzwellen durch den ganzen Körper sandte. Das erste was ihm auffiel war die dunkelrote, fast schwarze Spur, die sich von der Mitte des Raumes, der etwa zehn Meter breit war, bis zu seinem Tisch zog. Der Boden war aus den gleichen Platten gefertigt wie die Decke, überall verstreut lagen Scherben, die von dem zerbrochenen Flachbildschirm stammte, der in einer Ecke lag. Dieser war wahrscheinlich einmal an dem ebenfalls zerbrochenen Plastikpfeiler im Mittelpunkt des Raums angebracht, an welchem er sich hochgezogen hatte. An den Wänden, die ebenfalls aus Eisen waren, war alles voll mit Schaltflächen, Monitoren und Kästen, die teilweise offen standen. Darin liessen sich leere Halterungen oder Schubladen erkennen. Neben seinem Tisch erkannte er eine kleine Tür, die aus schwarzem Material bestand. Dann sah er das wohl verwirrendste Gebilde im ganzen Raum, der ihm irgendwie seltsam bekannt vorkam. Eine Art runde Gefriertruhe stand am anderen Ende des Raums, die Tür war offen und der Boden davor mit bläulichem, eingetrocknetem Schleim bedeckt. Wie er so da lag, wurde ihm bewusst, wie kalt es in diesem Raum war und es fröstelte ihn. Er richtete sich auf, seine Beine schienen ihm besser zu gehorchen und er konnte sie mittlerweile auch ein wenig spüren, und betrachtete seine Hände. Diese waren langfingrig, und hatten lange, gelbliche Nägel und zu seinem aussergewöhnlichen Erstaunen mit graugrünlicher, ledriger Haut bedeckt und verfügten über nur vier Finger. Plötzlich erfasste ihn eine erneute Panikattacke, er schüttelte sich und begann zu schluchzen. „Was bin ich? Was ist mit mir?“, dachte er und begann heftig zu weinen. Plötzlich begann er lautstark zu husten, schwärzlicher Saft besprenkelte den Fussboden vor ihm. Langsam beruhigte er sich wieder und versuchte auf seine Beine zu stehen. Im ersten Moment schien es, als würde er wieder umfallen, doch er konnte sich halten.Langsam, wie ein Greis, ging er zum Ausgang, wollte endlich aus dieser Hölle entkommen, stützte sich am Tisch ab. Er wollte die Tür öffnen, doch sie war verschlossen. Voller Wut und Verzweiflung warf er sich mit all seiner Kraft die er hatte dagegen, die Tür gab berstend nach und er krachte in den anliegenden Raum.

Er rappelte sich auf, kam zitternd auf die Beine. Auch dieser neue Raum war voll von technischen Geräten. Das auffallendste hier war die grosse runde Metalltür, wohl eine Art Bunkerportal, das gross mit „Exit“ beschriftet war. An der gegenüberliegenden Wand stand ein besonders grosser Monitor, doch im Gegensatz zu den anderen, die alle kaputt waren, prangte ein grosser rötlicher Schriftzug auf dem Bildschirm.

„Überwachungsraum Y-4 – Zustand –Protokoll– Hermetische Versiegelung auflösen–Kameras aktivieren“

Langsam ging er auf den Monitor zu und las die Buchstaben laut vor sich hin. Da bemerkte er, dass der Zeiger des PCs scheinbar immer seinem Blick folgte und als wäre es das normalste der Welt fokussierte er den Begriff „Zustand“, der kurz grün aufleuchtete. Eine neue Buchstabenreihe füllte jetzt den Bildschirm. „Zustand Subjekt Y-4 : Cryokammer deaktiviert. Letzte Körpertemperatur: 45°, normal. Letzte Herzfrequenz: 437 pro Minute, normal. Gehirnaktivität: Erhöhte Aktivität“ So weit er sich erinnern konnte, war eine Körpertemperatur von 45 ° ganz und gar nicht normal, ebenso wenig eine solch hohe Herzfrequenz. Er fokussierte jetzt den Begriff „Protokoll“, dieses Mal erschien nur eine Fehlermeldung. „Fehler 404 – Dokument nicht gefunden oder beschädigt“.
Danach fokussierte er „Kameras aktivieren“, denn im momentanen Zustand erschien es ihm besser, sich noch ein wenig Überblick zu verschaffen. Einige Fenster erfüllten nun den Bildschirm. Die meisten davon waren schwarz, einige wiesen Bildfehler auf, eine Kamera schien jedoch einwandfrei zu funktionieren. Ein langer grünlich beleuchteter Gang füllte das Bild aus, an den Wänden liessen sich viele Türen erkennen. Eine davon war mit Y-4 beschriftet, darin befand er sich jetzt wohl. „Ziemlich langweilig“, dachte er und wollte schon seinen Blick abwenden, als Bewegung in das Bild kam. Eine menschliche Gestalt formte sich aus der Dunkelheit, bewegte sich auf die Kamera zu. „Ein Mensch! Endlich ein Lebewesen!“ ,  frohlockte er innerlich. Doch das Lächeln gefror ihm auf den Lippen als er sah, was sich da aus dem Schatten schälte. Die Kreatur hatte zwar eine einigermassen menschliche Gestalt, doch zwei Dinge machten seine Annahme, es handle sich um ein freundliches Wesen zunichte. Erst einmal, dass aus dem gesamten rechten Arm gigantische Stacheln wuchsen, er eine Art Tumor aus dem Bauch wachsen hatte und man ihm aufgrund seiner fehlenden Kopfhaut ins Gehirn sehen konnte. Doch vor allem, dass er einen menschlichen Körper hinter sich herschleifte und alle paar Schritte ein Stück davon abbiss, was dieser mit einem Zucken und einem kurzen Aufschrei quittierte.

Voller Ekel schloss er den Kamerabildschirm, doch er konnte die beiden Gestalten immer noch sehen. Wobei sehen eigentlich das falsche Wort war. Er konnte sie spüren, sah grünliche Silhouetten, wenn er in Richtung der Bunkertür schaute. Er schloss die Augen, dachte es handle sich nur um eine Einbildung, doch das machte es nur noch schlimmer. Er konnte sie leuchten sehen, eine Art Aura umschwirrte ihre Körper. Er konnte ihre Organe sehen, ihre Blutbahnen, ihre Muskelstränge. Der Mutant schien über eine grössere Aura zu verfügen als der Mensch. „Ich bin doch nicht normal!“, dachte er voller Angst und Panik. Er beobachtete die Auren wie sie sich den Gang entlang bewegten, bis sie schliesslich verschwanden. „Ich muss hier raus! Raus aus diesem Leichenhaus!“, schrie er ihn Gedanken, „das habe ich nicht verdient, ich will nicht sterben!“ Er fokussierte den Begriff „Hermetische Versiegelung aufheben“ und die Bunkertür öffnete sich mit einem leisen Zischen, verschwand im Boden. Langsam, um keine Geräusche zu verursachen schlich er in Richtung Ausgang. Er schaute um die Ecke, doch ausser einer langen, feuchten Blutspur konnte er keine Anzeichen für den Mutanten erkennen. Der Mutant war nach links gegangen, also wandte er sich nach rechts, huschte so leise wie es ihm möglich war den langen Gang entlang. Er kam an anderen Bunkertüren vorbei, einige standen offen, einige wurden von innen herausgebrochen. An den Wänden waren oftmals Blutspritzer zu sehen, manchmal auch andere, undefinierbare, eingetrocknete Flüssigkeiten.
Am Boden lagen jetzt auch manchmal menschliche Leichen mit eingefallenen Augen, ihre Haut spannte sich scheinbar nur über die Knochen, so dürr waren sie. Es waren hier auch keine Blutspuren zu sehen. Langsam wurde es merklich kälter, die Lichter flackerten hier stark. Er begann sich zu überlegen, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, sich in diese Richtung zu wenden. „Vielleicht war der Mutant in Richtung Ausgang unterwegs“, dachte er sich, doch just als er sich wieder umwenden wollte, hörte er ein eigentümliches Geräusch. Es klang seltsam vertraut. Er wandte sich um, als sich neben ihm eine Art Metallspinne mit einem Klicken in die Wand grub. Das Ding gab eigenartige Töne von sich. Er schaute den Gang hinab, erkannte eine menschliche Gestalt mit einer seltsamen Armbrust in der Hand, als neben ihm die Wand explodierte, und er zurückgeschleudert wurde.