Sophia saß im Park und sah immer wieder auf ihre Armbanduhr. Leise seufzte sie. Marcel war mal wieder viel zu spät dran. Es war schon kalt und es hatte zu schneien begonnen. Vereinzelt blieben Schneeflocken in Sophias langem violetten Haaren hängen.
„Sophia“, rief jemand und sie sah auf.
Ein Junge mit längerem schwarzen Haar und grauen Augen kam auf sie zu. Trotz der Kälte war seine Haut fast so blass wie der Schnee.
„Marcel“, murmelte Sophia leise.
„Es tut mir Leid, dass ich zu spät bin. Arthur hat mich etwas aufgehalten“, entschuldigte sich Marcel.
Sophia stand auf und sah ihn nicht an.
„Bist du sauer auf mich?“, fragte er sie.
„Ja bin ich. Das ist jetzt schon das vierte Mal in dieser Woche“, fauchte Sophia ihn etwas an und dreht sich leicht von ihm weg.
Immer hatte er eine andere Ausrede. Marcel packte vorsichtig ihren Arm und drehte sie zu sich. Dann zog er sie leicht zu sich und legte seine Lippen auf Sophias, sodass sie zu einem Kuss verschmolzen. Nur kurz erwiderte Sophia diesen Kuss, bevor Marcel weg von sich drückte und ihr Gesicht leicht abwandte.
„Deine Lippen sind kalt“, nuschelte sie leise.
Obwohl Sophia schon fast einen Monat mit Marcel zusammen war, hatte sie sich noch immer nicht an seine kalte Haut gewöhnt, die für einen Vampir typisch war. Auch konnte sie immer noch nicht glauben, dass sie ihren Gefühlen nachgegeben hatte. Eigentlich waren Vampire für Engel wie sie Feinde und doch hatte sie sich in Marcel verliebt. Genauso wie ihre beste Freunden Maria.
„Entschuldige“, sagte Marcel leise und senkte seinen Blick etwas.
Er hatte sich gefreut, als Sophia endlich mit ihm zusammen sein wollte. Doch er hatte manchmal das Gefühl, dass Sophia sich in der Beziehung mit ihm nicht wirklich wohl fühlte.
„Lass uns gehen. Wir wollten doch noch Weihnachtseinkäufe erledigen“, meinte Sophia, löste sich von Marcel und ging los.
Stumm nickte Marcel nur und folgte ihr einfach schweigend. Keiner der beiden schien mit dem momentanen Stand der Beziehung glücklich zu sein. Die Weihnachtseinkäufe waren schnell gemacht und die beiden gingen noch etwas durch die Stadt. Marcel hatte beide Hände voll mit Tüten und Taschen und Sophia hatte ihre Hände tief in die Taschen ihres dunkelvioletten Mantel gesteckt. An einem großen Schaufenster blieb Sophia stehen und betrachtete die ausgelegte Ware. Ihr Blick fiel auf einen Halskette mit einem kleinen Engel als Anhänger. Lange betrachtete sie die Halskette. Ihre Mutter hatte ihr damals auch so eine zu Weihnachten schenken wollen, bevor...
Sophia schüttelte leicht den Kopf. Sie wollte jetzt nicht an ihre Vergangenheit denken.
„Sophia lass uns nach Hause gehen. Maria und Arthur warten sicher schon auf uns“, meinte Marcel.
„Ja lass uns gehen“, sagte Sophia und wandte sich von dem Schaufenster ab.
Seit diesem Tag hatte sie nicht mehr an die Halskette gedacht. Bis schließlich Weihnachten kam. Sophia war ziemlich aufgeregt deswegen, da es ihr erstes Weihnachten auf der Erde war, nach einer ziemlich langen Zeit. Sie würde ganz alleine mit Marcel feiern, da Maria und Arthur über die Feiertage weggefahren waren. Sophia war gerade bei den letzten Vorbereitungen, als es an der Tür klingelte. Schnell ging sie zur Tür und öffnete sie.
„Frohe Weihnachten“, begrüßte sie Marcel mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
„Dir auch. Komm doch rein“, entgegnete Sophia und machte Marcel etwas Platz, damit er eintreten konnte.
Marcel kam der Aufforderung seiner Freundin nach und betrat die Wohnung. Es war alles feierlich geschmückt und ein leichter Geruch von Zimt lag in der Luft.
„Lass uns ins Wohnzimmer“, meinte Sophia und ging vor.
Marcel folgte ihr schweigend und setzte sich aufs Sofa. In der Mitte des Raumes stand ein reich geschmückter Tannenbaum.
„Hast du denn geschmückt?“, fragte Marcel.
„Ja oder es zumindest versucht. Ich bin nicht gut in so was“, antwortete Sophia und setzte sich neben den Vampir.
„Ich kann so was auch nicht gut. Wir Vampire feiern in der Regel kein Weihnachten. Aber ich finde, der Baum ist richtig hübsch geworden.“
Eine leichte Röte breitete sich auch Sophias Gesicht aus.
„Nun ich denke es es Zeit für die Bescherung“, meinte Marcel und holte eine kleine blaue Schachtel aus seiner Tasche.
„Für mich?“, fragte Sophia und nahm die kleine Schachtel.
„Für wen denn sonst?“
Vorsichtig löste Sophia die rote Schleife der Schachtel und öffnete sie. Drin lag jene Halskette mit dem Engelsanhänger, die sie vor etwa zwei Wochen im Schaufenster betrachtete hatte.
„Ich habe gesehen, wie du dir diese Kette angeschaut hast. Ich hoffe du freust dich“, sagte Marcel.
Er nahm die Halskette aus der Schachtel und legte sie Sophia vorsichtig um. Kurz drehte Sophia den kleinen Engelsanhänger in ihrer Hand, bevor sie zupackte und sich die Kette vom Hals riss. Der Anhänger und einige Teile der Kette fielen zu Boden. Marcel sah verwundert zu Sophia. Diese stand auf und ging ans Fenster.
„Was ist denn los Süße?“, fragte Marcel.
„Ich habe diese Halskette niemals gewollt“, antwortete Sophia und sah aus dem Fenster.
„Aber warum denn nicht?“
„Weil sie mich an meine Vergangenheit erinnert, die ich gerne vergessen würde.“
Marcel hob die Teile, die von der Kette übrig geblieben waren auf und spielte etwas mit ihnen herum.
„Deine Vergangenheit? Willst du mir vielleicht davon erzählen?“, fragte er.
„Ich...ich rede nie darüber. Nichtmal Maria kennst sie und ihr erzähle ich sonst alles“, entgegnete Sophia.
Marcel sagte nichts mehr weiter und spielt weiterhin mit den Teilen der Kette. Sophia sah kurz zu ihm uns seufzte leise.
„Es ist viele Jahre her, da wollte mir meine Mutter zu Weihnachten genau so eine Kette schenken. Aber meine Eltern hatten kurz vor Weihnachten einen schrecklichen Autounfall und kamen dabei ums Leben. Sie waren alles an Familie was ich noch hatte. Ich..ich habe mir darauf hin das Leben genommen. Diese Kette erinnert mich genau daran“, murmelte sie und ein paar Tränen flossen ihre Wange runter.
Marcel stand auf und nahm sie sanft in den Arm.
„Bitte nicht weinen“, sagte er leise.
Doch Sophia konnte sich nicht beruhigen. So viele alte Gefühle und Erinnerung kamen in ihr hoch.
Am liebsten hätte sie geschrien, doch das konnte sie nicht, da Marcel seine Lippen auf ihre drückte. Diesmal fühlte es sich anders an. Es war nicht kalt, sonder ungewohnt angenehme. Sophia erwiderte den Kuss und schloss leicht die Augen. Nach einer Weile löste Marcel den Kuss und sah Sophia an. Einige Tränen flossen noch ihre Wange runter und er wischte sie vorsichtig mit dem Finger weg.
„Es tut mir Leid Sophia. Ich wusste nicht, dass dir das solche Schmerzen bereitet. Wenn ich das gewusste hätte, hätte ich die Kette niemals gekauft. Ich war so aufgeregt weißt du. Ich wollte dir etwas schenken, was dir auch wirklich gefällt und als ich gesehen habe, wie du die Kette betrachtet hast, dachte ich sie gefällt dir“, meinte Marcel und streichelte Sophia über die Wange.
Mit leicht geröteten Augen sah Sophia Marcel an. Er hatte sich wirklich Gedanken darüber gemacht, was sie glücklich machen würde. Ein schwaches Lächeln huschte ihr über die Lippen.
„Mir tut es Leid, dass ich die Kette kaputt gemacht habe. Jetzt kannst du sie nicht zurückbringen“, meinte Sophia.
„Ich habe nicht vor sie zurückbringen“, entgegnete Marcel.
Er nahm ihre Hand und befestigte etwas an ihrem Handgelenk. Aus den Resten der Kette hatte Marcel ein Armband gemacht.
„Du sagtest, die Kette erinnere dich an deine Vergangenheit. Dies ist ein Armband. Vielleicht ist es ja so besser“, meinte Marcel lächelnd.
Sophia hob ihre Hand etwas und betrachtete das Armband. Der kleine Engel bummelte etwas hin und her.
„Ich denke, dass ist ok so“, sagte Sophia leise.
Sie freute sich wirklich darüber, was Marcel für sie tat. Vielleicht würde sie mit ihm endlich wieder richtig glücklich werden. Sophia drückte Marcel einen kurzen Kuss auf die Wange.
„Ich danke dir“, flüsterte sie.
Es war das wunderbarste Weihnachtsgeschenk, das sie je bekommen hatte.