Toshi saß am Fenster und sah hinaus. Er war im Krankenhaus. Er hasste es hier zu sein. Schon viel zu lange, fand Toshi, wurde er hier festgehalten. Er wollte raus und mit anderen Kindern spielen, doch dir Ärzte verweigerten ihm dies. Toshi hatte einen Wunsch bevor er starb und er würde sterben, auch wenn alle versuchten es vor ihm geheim zuhalten. Er wollte fliegen. Fliegen wie ein Engel mit großen weißen Flügeln. Toshi wickelte seine Beine an und legte seine Gesicht darauf. Ein paar seiner braunen Haare fielen ihm dabei in seine blauen Augen, doch es war ihm egal. Er wollte so gerne ein Engel sein. Er bemerkte nicht, wie weiße Federn an seinem Fenster vorbei fielen. Er bemerkte auch nicht, wie jemand durch ein anderes Fenster das Zimmer betrat.
"Du bist Toshi oder?", fragt ihn eine ruhige und sanfte Stimme.
Toshi schreckte hoch und sah sich um. Nur wenige Meter von ihm entfernt, stand ein Mädchen mit kurzem hellblauem Haaren und lila Augen. Toshi glaubte, seinen Augen nicht zutrauen.
"Wer..wer..wer bist du und wie bist du in meine Zimmer gekommen?", fragte er verwirrt.
Das fremde Mädchen lächelte.
"Ich dachte, du wüsstest wer ich bin? Na gut. Ich bin der Engel Sakura", antwortete sie.
"Sagtest du, du bist ein Engel?"
Sakura nickte. Toshi stürmte auf sie zu.
"Bitte, bitte! Lass mich fliegen!"
Sakura sah den Jungen traurig an. Sie konnte nichts für ihn tun. Ihre Aufgabe war es, seine Seele zu begleiten, wenn er gestorben war. Dies sollte in zwei Wochen eintreten. Sakura schob Toshi von sich weg.
"Es tut mir Leid Toshi. Ich bin nur ein einfacher Engel. So viel Macht habe ich nicht."
Toshis Augen füllten sich mit Tränen. Ober-Engel Misaki hatte sie gewarnt, dass Toshi ein schwieriger Junge war. Seit drei Jahren lag er nun schon mit einem Tumor im Krankenhaus. Nie kam ihn jemand besuchen. Sakura bekam richtig Mitleid mit ihm.
"Komm wir gehen ein wenig spazieren", schlug Sakura vor.
Toshi antwortete ihr nicht. Sie nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her. Toshi sagte kein Wort.
"Jetzt lach doch mal", versuchte Sakura ihn aufzuheitern.
"Ich habe keinen Grund zu lachen. Ich werde bald sterben."
Sakura blieb stehen und sah Toshi an.
"Wie kommst du darauf?"
"Die Erwachsenen versuchen es zwar vor mir zu verheimlichen, aber ich bin ja nicht blöd."
Toshi setzte sich unter einen Kirschblütenbaum. Sakura setzte sich zu ihm und sah ihn weiterhin an.
"Und hast du Angst Toshi?"
Toshi schüttelte den Kopf.
"Nicht die geringste. Dann bin ich endlich wieder bei meiner Mama."
Er holte aus seiner Tasche das Foto einer Frau hervor. Sie hatte langes braunes leicht gewelltes Haare und blaue Augen. Sakura fand, dass Toshi seiner Mutter sehr ähnlich sah.
"Ist das deine Mutter?", fragte sie ihn.
Toshi nickte.
"Ja das ist sie. Sie ist jetzt bestimmt ein Engel wie du Sakura. Hast du sie vielleicht mal getroffen?"
Sakura wandte ihren Blick ab. Sie konnte Toshi nicht die Wahrheit über die Engel sagen. Jedenfalls noch nicht.
"Was ist Sakura? Hast du sie schon getroffen?"
"Nein tut mir Leid Toshi. Ich habe sie noch nie gesehen."
Sakura tat es in der Seele weh, den kleinen Jungen anzulügen. Aber es würde nur Schwierigkeiten geben, wenn er die Wahrheit kennen würde.
"Warst du schon mal am Meer Toshi?", versucht Sakura von dem Thema abzulenken.
"Nein."
Auf Sakuras Gesicht erschien wieder ein Lächeln.
"Dann nichts wie los."
"Aber ich darf das Krankenhaus nicht verlassen."
Doch Sakura hörte nicht auf ihn. Sie nahm ihn auf den Arm, breitete ihre Flügel aus und flog los. Höher und höher, bis über die höchsten Dächer. Toshi konnte schon fast das Meer sehen. Nach einer Weile landeten sie dort. Toshi war total begeistert. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er das Meer.
"Es ist wunderschön hier Sakura."
Sakura lächelte immernoch.
"Schön das es dir hier gefällt."
Sie hoffte so, dass er nicht mehr so fiel an Engel dachte. Auf dem Rückflug schien Toshi richtig müde zu sein. Immer wieder gähnte er herzhaft.
"Darf ich dich was fragen Sakura?", fragte er schon halb eingeschlafen.
"Natürlich."
"Warum bist du zu mir gekommen?"
Sakura stockte einen Moment.
"Ich bin zu dir gekommen, damit du nicht mehr einsam bist."
Toshi lächelte und schlief in Sakuras Armen ein. Sakuras Gewissen wurde noch mehr belastet. Sie hatte ihm nur die halbe Wahrheit gesagt. Wie lange konnte sie das nur aushalten. Als sie endlich das Krankenhaus erreicht hatten, legte Sakura Toshi ins Bett. Er war richtig süß wenn er schlief.
Er sprach im Schlaf:"Mama, bald werde ich genau wie du ein Engel."
Sakura sah den schlafenden Jungen traurig an. Wie würde er reagieren, wenn er die Wahrheit über die Engel erfahren würde? So vergingen einige Tage und Toshis unvermeidlicher Tod rückte näher. Sakura hatte ihn richtig lieb gewonnen und konnte es nicht ertragen, dass er bald sterben sollte. Sie wich jedem seiner Blickkontakten aus.
"Sakura ist etwas nicht in Ordnung?", fragte Toshi sie schließlich.
"Nein, nein. Alles in Ordnung", log Sakura, doch Toshi ließ sich nicht hinters Licht führen.
"Du lügst doch. Du weichst mir in letzter Zeit dauern aus. Ist es, weil ich bald sterbe."
Sakura sah in kurz an und sah dann traurig zu Boden.
"Ja ist hängt mit deinem Tod zusammen."
Sie konnte ihn nicht länger belügen.
"Ich werde also wirklich sterben?", stellte Toshi fest.
Sakura nickt.
"Morgen schon."
Sakura hatte Tränen erwartet, doch Toshi lachte.
"Endlich, endlich kann ich meine Mama wiedersehen und ein Engel werden."
"Du wirst kein Engel!", brach es aus Sakura heraus.
Toshi sah sie fragend an.
"Aber wieso nicht? Alle guten Menschen werden Engel."
Sakura sah in mit tränen gefüllten Augen an.
"Es tut mir Leid Toshi, aber dem ist nicht so."
"Aber wer wird dann Engel?"
Sakura hasste die Frage, doch sie würde sie Toshi beantworten.
"Selbstmörder werden Engel Toshi. Sie bekommen so eine zweite Chance."
"Heißt das, du hast dir das Leben genommen Sakura."
Voller Schmerz nickte Sakura.
"Aber wieso?"
Dieser Junge kannte ihren Schmerz nicht. Er wusste nichts von ihrem großen Leid, doch er sollte es erfahren. Die ganze Wahrheit.
"Als ich noch ein Mensch war habe ich früh meine Eltern verloren. Ich wuchs bei Verwandten auf. Sie behandelten mich aber nicht anständig. Sie verkauften meinen Körper."
Sakura versuchte es so schonend wie möglich zu sagen.
"Ich hasste dieses Leben. Ich wollte nur noch sterben. Meine Seele war sowieso schon tot, warum sollte mein Körper ihr nicht folgen? Ich sprang vom Dach dieses Krankenhauses. Doch anstatt die erhoffte Ruhe musste ich feststellen, dass ich weiter "lebte". Das schlimmste ist, man behält die Erinnerungen an sein Leben."
Sakura schaute zu Toshi. Er war ganz ruhig. Sowieso hatte dieses Kind ganz anders reagiert, als sie es erwartet hatte. Er sah sie mitleidig an.
"Sakura."
Da flossen auf einmal die Tränen aus seinen Augen.
"Es tut mir so Leid. Und ich hab auch noch dauernd gesagt, wie wunderbar es sei ein Engel zu sein."
Sakura nahm Toshi in den Arm. Er war halt doch nur ein kleiner Junge.
"Ist schon gut Toshi. Du hast das ja alles nicht gewusst."
Mit tränen gefüllten Augen sah er sie an.
"Du solltest jetzt schlafen. Morgen ist es immerhin so weit."
Toshi nickte und koch unter seine Decke. Sakura würde ihm seine Wunsch erfüllen. Am nächsten Morgen stand Toshi auf dem Dach des Krankenhauses, so wie es Sakura ihm aufgetragen hatte. Es war noch früh am Morgen. Das ganze Krankenhaus schlief noch. Toshi fragte sich, warum Sakura ihn her gebeten hatte. Da tauchte vor ihn eine Gestalt auf. Ihre Haare waren schneeweiß und ihre roten Augen sahen ihn sanft an. Doch was für Toshi viel wichtiger war, waren die großen weißen Flügel.
"Noch ein Engel", entfuhr es Toshi.
Die Gestalt lächelt sanft.
"Das hast du richtig erkannt mein Junge. Ich bin Ober-Engel Misaki."
Toshi sah den Ober-Engel noch eine Weile an, dann fragte er:"Wo ist Sakura?"
"Sie wird nicht kommen kleiner Toshi."
"Aber wieso nicht?"
Toshi wollte es jetzt wissen.
"Weil sie dir ein ganz besonderes Geschenk gemacht hat."
Misaki holte eine Kugel hervor.
"Was ist das?"
"Das kleiner Toshi, ist das Geschenk von Sakura."
Der Ober-Engel warf die Kugel zu Boden und sie zerbrach. Ein heller Lichtstrahl blendete Toshi und erschloss seine Augen. Als er sie wieder öffnete, konnte er nicht glauben, was mit ihm passiert war. Er hatte nun auch große weiße Flügel.
"Aber wie..?"
"Wie gesagt, dass ist das Geschenk von Sakura. Mit all ihrer Macht hat sie dir deinen Wunsch erfüllt."
"Aber, aber.. wo ist Sakura jetzt?"
Ober-Engel Misaki ging auf ihn zu und deutete auf seine Brust.
"Sie ist hier drin und wird für immer bei dir bleiben. Und nun komm. Man erwartet dich bereits."
Er reichte Toshi seine Hand. Mit Tränen des Glückes in den Augen nahm er sie an und stieg mit Misaki immer weiter dem Himmel entgegen.