Die Macht der Finsternis
Kapitel 8
Die Macht der Finsternis
Ich brauchte nicht zu suchen, ich wusste wo es war. Tief in meiner Seele verborgen, hatte ich es erschaffen, um einen Großteil meiner Kräfte zu versiegeln, damit sie keine machthungrigen Dämonen mehr anlockten. Aber jetzt befand ich mich in einer Situation, in der mir das herzlich egal sein konnte. Sie waren bereits da und standen kurz davor mich zwischen ihren Fäusten zu Brei zu zermahlen. Ich löste das Siegel binnen weniger Sekundenbruchteile auf. Eine ungeheure Macht durchflutete jede einzelne Faser meines Körpers, die Luft um mich herum verdunkelte sich und tauchte meine direkte Umgebung in eine tiefe Finsternis, die dunkler war als die hereinbrechende Nacht. Meine vor Erregung prickelnde Haut überzog sich mit einem pechschwarzen Film und innerhalb kürzester verwandelte ich mich in ein verschwommenes Geschöpf der Schatten. Sofort lud sich, sowohl das Miasma, das den Boden bedeckte, als auch die feinen Partikel in der Luft mit einer ungeheuren Energie auf. Schwarze Blitze zuckten zwischen Luft und Boden hin und her und gaben dabei ein verheißungsvolles Knistern von sich.
Ich sammelte einen winzigen Teil, der zu mir zurückgekehrten Kraft und konzentrierte sie auf meine zweite schwarze Haut. Sofort spürte ich die Kraft, die mir dadurch zuteil wurde und binnen weniger Millisekunden wich ich dem doppelseitigen Angriff, der Dämonen durch einen eleganten Hechtsprung nach vorne aus. Ich hörte und spürte durch die Miasmapartikel in der Luft den vernichtenden Zusammenprall ihrer Fäuste. Ruckartig drehte ich mich um. „Sie sind genau gleichstark?“ fragte ich mich verblüfft, als ich die Informationen, die mir gesendet wurden auswertete. Sie hatten beide im exakt gleichen Winkel mit der exakt gleichen Stärke zugeschlagen. „Irgendwas stimmt hier nicht.“ grübelte ich weiter, doch mir blieb keine Zeit dem weiter nachzugehen. Nachdem die Dämonen begriffen hatten, dass ich ihrem Angriff ausgewichen war, stießen sie einen ohrenbetäubenden Schrei aus und setzten mir nach. Obwohl mich eine Wolke absoluter Finsternis umgab, verloren ihre Hiebe nicht an Genauigkeit. Im Gegenteil. Sie fanden jede Lücke in meiner Verteidigung und drängten mich ohne Unterlass immer weiter in die Defensive. Zudem wurden ihre Schläge immer schneller und wuchtiger. „Verfluchte Scheiße... Sollte ein Treffer sitzen und ich bin in ernsthaften Schwierigkeiten.“ schoss es mir durch den Kopf und mir wurde klar, dass ich handeln musste. Jedoch wollte ich diese böse Vorahnung nicht ignorieren. Also benutzte ich meine wieder erweckte Kraft, um eine schwache Verbindung zu jeglichem Miasma aufzubauen, das in Form von Fallen und Sensoren über die ganze Stadt verteilt war. Kleine, unsichtbare Fäden verbanden die Partikel mit meiner Seele und ich formte meinen Geist zu einer Hand, mit der ich all diese Fäden auf einmal ergriff und mit einem groben Ruck zu mir zog. Doch während ich mich auf meinen kleinen Zauber konzentrierte, vernachlässigte ich meine Verteidigung für einen winzigen Moment, der mir beinahe das Leben gekostet hätte. Einer der Dämonen fand eine Öffnung und ließ seine Faust mit brachialer Gewalt auf mein Gesicht zu sausen. Ich entging dem Presslufthammer ähnlichen Schlag nur ganz knapp, indem ich eine blitzschnelle Bewegung zur Seite machte. Nichtsdestotrotz streifte mich die Faust an der Schläfe. Ein schmerzhaftes Pochen, das bei mir Schwindelgefühle auslöste, setzte ein und ich spürte eine warme Flüssigkeit an meinem Gesicht herab laufen. Ich stieß einen schnellen, aber derben Fluch aus und musste mir eingestehen, dass ich einen direkten Treffer niemals überleben würde. „Wie können sie immer stärker werden? Das ist selbst für Dämonen nicht normal, verfluchte Scheiße!“ Doch ich hatte Glück im Unglück. Gerade als ein weiterer Schlag auf mein Gesicht zu schnellte, nahm ich die letzten Tröpfchen meiner Kraft auf. „Zeit zu Handeln!“
Ich stieß mich beherzt vom Boden ab und rief mein vervollständigtes Miasma an. Sofort verspürte ich einen sanften Druck auf meiner vorderen Körperseite, als mich der schwarze Dampf ergriff und mehrere Meter, fast schwebend, rückwärts von den überraschten Dämonen weg katapultierte. So konnte ich einen Moment meine Verteidigung vernachlässigen und mich voll und ganz auf meinen Zauber konzentrieren. „Geez, nach all den Jahren, hatte ich ganz vergessen, dass es viel mehr Konzentration braucht, um solch eine Masse an Energie zu kontrollieren...“ fluchte ich innerlich und hoffte inständig, dass es mir rechtzeitig gelingen würde den Spruch zu weben. Aber es sah schlecht aus. Die Dämonen hatten ihre Überraschung schneller überwunden, als ich gehofft habe und stürmten mir grollend nach. Sie hatten mich schon beinahe eingeholt. „Kack Dreck ich schaffs nicht mehr...“ schoss es mir panisch durch den Kopf, als meine Gegner schon mehr als die Hälfte der Distanz überbrückt hatten. „Sie werden immer schneller... Ich kann nicht mehr ausweichen.“ Fluchend unterbrach ich den Zauber und rief erneut mein Miasma an. Vergeblich versuchte ich es dazu zu bringen die Beine der Dämonen zu umschlingen und sie mir vom Leib zu halten, aber durch die schier unglaubliche Konzentration von Magie war es schwer zu kontrollieren. Zwar tat es, was ich ihm befahl, allerdings viel zu langsam. Verzweifelt zog ich all meine magische Energie, all mein Miasma in einen Punkt zusammen. Jeder auch noch so kleine Energietropfen, der in der Luft und am Boden zurückgeblieben war, kehrte zu mir zurück. Dann bereitete ich mich innerlich darauf vor eine vernichtende Schlagkombination einzustecken. Ich hoffte, dass es mir irgendwie gelingen würden den Schaden zu reduzieren, indem ich mein Miasma in den Stellen, wo sich mich treffen würden, zum Schild formen und so eventuell nur mit ein paar Knochenbrüchen davon kommen könnte. Mit dem Mut der Verzweiflung schärfte ich meine Sinne so gut es ging und versuchte mich zu beruhigen. Ich dachte nicht an die Schmerzen, die mir bevorstanden und konzentrierte mich alleine auf die breiten Fäuste der Dämonen und das verräterische Zucken ihrer Muskeln. „Ich darf hier nicht sterben!“
Doch urplötzlich schallte ein zugleich entsetzter und wütender Schrei über die Straße: „ZANE! Du verfluchter Schlapschwanz, das ist deine Angelegenheit, also warum muss ich dir jetzt den Arsch retten?!“ Teito kam wie aus dem Nichts aus einer kleinen Gasse, die direkt vor mir war, geschossen und stürmte halsbrecherisch auf die Dämonen zu. Ich brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was er vorhatte, aber dann schrie ich verzweifelt: „Du verblödeter Wichsknödel! Hau ab du wirst sterben! Verdammte Scheiße!“ Doch es war zu spät. Er war bereits gesprungen und zu meiner Überraschung hatte er die Geschwindigkeit der Dämonen sogar richtig abgeschätzt und rammte sie mit seiner Schulter. Und was mich noch viel mehr überraschte war, dass es wirklich funktionierte. Ein schwacher Lichtblitz durchzuckte die Dunkelheit, als er den riesigen Dämon traf. Dieser Stieß ein überraschtes Grollen aus, als er weg geschleudert wurde und den anderen im Flug mit sich riss. Ein dumpfes Geräusch ertönte, als die beiden hart auf den Boden prallten und sich unter ihrem eigenen Gewicht begruben. Da sah ich meine Chance. Entschlossen schoss mein Miasma vorwärts und umklammerte die Körper der Dämonen. Obwohl ich all meine Kraft einsetzte, reichte es nicht, um sie am Boden zu halten. „Sie sind wieder stärker geworden...“ stellte ich düster fest, aber ich hatte auch nicht geplant sie, auf die gleiche Art und Weise wie ihren bereits dematerialisierten Gefährten, zu erledigen. Es reichte vollkommen, dass es sie verlangsamte. Es gab mir genügend Zeit mich zu sammeln. „Ihr werdet keinem Menschen mehr die Seele stehlen!“ schrie ich und vollendete meinen Spruch. Zwischen allen Partikeln des Miasmas entstanden winzige schwarze Strahlen konzentrierter Finsternis, die ein penetrantes Summen von sich gaben. Die Dämonen befanden sich zwischen den abertausende Partikeln und die Strahlen brannten sich gnadenlos durch ihr Fleisch. In ihrem Todeskampf gaben sie dämonische Geräusche von sich, die kein normaler Mensch jemals beschreiben könnte. Doch dann hatten sich die schwarzen Strahlen bis zu ihrem Konzentrationspunkt durchgebrannt und mit einer letzten Erhöhung der Energie durchbrachen sie die Schutzwälle und beide Dämonen verstummten.