Beschreibung
,,Ich fühl's und dennoch lieb ich. Dieser Weg führt nur zum Wahnsinn oder Blutgerüste. Ich liebe ohne Hoffnung - lasterhaft - mit Todesangst und mit Gefahr des Lebens - Das seh ich ja, und dennoch lieb ich."
(Friedrich Schiller - Don Karlos)
Er wusste nicht, wo er war. Seine Sinne waren allesamt betäubt und er fühlte nichts als Schmerzen. Um ihn herum war Dunkelheit. Sollte er es wagen, diese schützende schwarze Hülle zu durchbrechen und in die Realität zurückzukehren? Er zögerte… schließlich wusste er nicht, was ihn erwartete, wenn er das Risiko einging, die Augen zu öffnen. Plötzlich fühlte er, wie ihn jemand am Arm berührte. Es war keine unangenehme Berührung, ganz im Gegenteil. Gleichzeitig fühlte er, wie diese Berührung etwas auslöste. Hatte er sich gerade noch völlig abgeschirmt von der Wirklichkeit, in einer Dunstwolke aus Dunkelheit und Schmerzen befunden, so durchzuckten im nächsten Moment grelle Blitze diesen Nebel. Die Verfolgungsjagd. Die Explosion. Das Feuer. Sie.
„Bis Du’s?“ Fragte er leise, und blinzelte gegen das helle Licht, das ihn empfing.
,,Nein.“ Antwortete eine Stimme, die er nicht kannte und er öffnete die Augen noch ein bisschen weiter. Er erkannte die Silhouette der Frau, die ihm soeben auf seine Frage geantwortet hatte. Es war nicht die Frau, von der er sich wünschte, sie säße an seinem Bett. Er ahnte Schreckliches.
,,Wer sind sie?“ Fragte er, als die Fremde nichts weiter sagte.
,,Das ist nicht wichtig. Noch nicht. Lassen sie mich trotzdem ein wenig Licht in das Dunkel ihrer jüngsten Vergangenheit bringen. Sie sind in einem Krankenhaus in New York. Ihre Einlieferung ist acht Wochen her, seitdem waren sie ohne Bewusstsein. Wir haben uns schon große Sorgen um sie gemacht.“ Sie lächelte ihn an. „Ich fürchte, sie haben starke Schmerzen, aber sie können froh sein, dass sie überhaupt noch leben. Ihre Begleitung hatte nicht so viel Glück.“ Während sie all das sagte, saß sie vollkommen ruhig an seinem Bett und sah ihm unverwandt ins Gesicht.
„Nein! Hören sie auf!“ Die verwackelten Bilder seiner Erinnerungen wurden immer schärfer und quälender. Er wollte ihr nicht länger zuhören und wünschte sich die Dunkelheit zurück.
„Ich weiß genau, wie sie sich fühlen, Mister Jones“ Sie sah ihm in die Augen, doch er fühlte sich nicht in der Lage, ihrem Blick stand zuhalten.
„Sie wissen nichts. Absolut gar nichts.“ Er wandte sich ab, und hoffte sie würde sein Zimmer verlassen, wenn sie merkte, dass er nicht den Willen dazu hatte, dieses Gespräch fortzusetzen und tatsächlich stand sie wenig später beinahe geräuschlos auf, blieb jedoch weiterhin an der Seite seines Bettes.
„Ich weiß mehr als sie sich vorstellen können.“ Sie hatte sich zu ihm hinab gebeugt und flüsterte nun sanft in sein Ohr. „Ich will, dass sie für mich arbeiten.“
Mit diesen Worten erhob sie sich und verließ das Zimmer. Er starrte ihr ungläubig nach. Wer ist sie? Woher kennt sie seinen Namen? All diese Fragen und noch viel mehr schwirrte ihm durch den Kopf. Sie war inzwischen an der Tür angekommen, drehte sich aber noch einmal zu ihm um.
„Ich werde sie am Tag ihrer Entlassung kontaktieren. Bis dahin werden sie wissen, wer ich bin und genug Zeit gehabt haben, um über mein Angebot nachzudenken.“ Mit diesen Worten öffnete sie die Tür und verschwand vorerst wieder aus seinem Leben.
Er spürte plötzlich, dass er erschöpft war. Dieses Gefühl wurde allerdings blitzschnell von einer Woge unerträglicher Schmerzen abgelöst, und er verlor das Bewusstsein erneut, bevor er auch nur die geringste Gelegenheit hatte ausführlicher über seine mysteriöse Besucherin nachzudenken.