Biografien & Erinnerungen
Vergessene Mitbürger

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"Vergessene Mitbürger"
Veröffentlicht am 21. November 2009, 4 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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einer der auf dem Weg ist ...
Vergessene Mitbürger

Vergessene Mitbürger

Vergessene Mitbürger

 

 

In jeder Stadt gibt es signifikante Bürger, solche die auffallen, die Eigenarten haben oder Aufmerksamkeit erregen.

Als Kinder rannten wir dem „Goethe“ hinterher. Er war nicht ganz „auf dem Damm“ und reagierte fast animalisch auf unseren Spott. Trotzdem hatte er einen Gelderwerb, er arbeitete beim „Lumpen – Hoffmann“ in der Erfurter Straße.

Dort bediente er die Altpapierpresse. Dabei musste er schon aufpassen. Ungefährlich war das auch nicht und in den Augen von uns Kindern hatte er damals auch etwas an Achtung gewonnen.

„Goethe“ war oft im Lichtspieltheater – heute sagt man Kino.

Er saß immer allein und um ihn war stets ein großer Abstand, weil er furchtbar

stank und keiner wollte etwas mit ihm zu tun haben.

Er hatte einen ziemlich kleinen Kopf im Verhältnis zu seinem schlanken, großen Körper und trug immer das gleiche, speckige Jackett.

„Goethe“ kannte jeder in der Stadt.

Genauso wie „Harry“ mit dem Säbel. Harry lief immer mit einem Säbel von einem Ende der Stadt zum anderen. Harry tat keinem etwas, er brammelte was in seinen nicht vorhandenen Bart und war einfach nur da.

Wenn es Winter wurde und der Schnee die Gehwege zum Teil bedeckte, war Harry zu Hause. Keiner wusste so recht, wo er wohnte – Harry kam aber wieder, so wie die Tage wärmer wurden.

Nach dem „Goethe“ hätte eigentlich das weibliche Gegenstück, die „Eule“ kommen müssen.

Durch meinen Vater wusste ich, dass sie Elfriede Koch hieß und einst in der „Goldenen Achtzehn“ gewohnt hatte. Das war ein Haus für sozial Schwache in der Kleinstadt L.

Die „Eule“ roch auch so streng, wie der Dichtersohn und schleppte immer den kompletten Hausrat mit sich rum. Wohin sie unterwegs war, wusste keiner – sie war jeden Tag unterwegs. Man sah sie am Bahnhof oder an der Bushaltestelle an der Kirche.

Irgendwer munkelte, dass man sie mal auf die Straße gesetzt hatte und ihr dann ihre Kleidung vorenthalten hat. Seitdem schleppte sie die Beutel mit, hatte die Arme und Beine umwickelt und reagierte sofort knurrig, wenn sie wer ansprach oder über sie redete.

Mein Vater war ein von den wenigen Zeitgenossen, der mit ihr sprach, so als wenn er sie lange kannte. Und sicher war das auch so.

 

 

 

2009-11-21

 

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Boris
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Boris Re: Solche Menschen ... - wie weit ist es vom Verschrobenen bis zum Original?

Wir sollte mal darüber debattieren!

LG und danke

ich
Zitat: (Original von Gunda am 24.11.2009 - 21:04 Uhr) ... werden gerne "Originale" genannt. Wenn man ihnen Originalität zugesteht, braucht man sich nicht damit auseinanderzusetzen, dass es eigentlich arme SChweine sind und ihr unwirsches Knurren einfach nur ein Selbstschutz ... Interessante Erinnerungen, Jürgen.

LIeben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Solche Menschen ... - ... werden gerne "Originale" genannt. Wenn man ihnen Originalität zugesteht, braucht man sich nicht damit auseinanderzusetzen, dass es eigentlich arme SChweine sind und ihr unwirsches Knurren einfach nur ein Selbstschutz ... Interessante Erinnerungen, Jürgen.

LIeben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: es ist schön, Boris, - es gibt sie noch,
nur vielleicht nicht mehr so oft und so öffentlich!


LG Boris
Zitat: (Original von Phantasus am 21.11.2009 - 21:06 Uhr) dass Du uns so interessante Originale vorstellst. Manchmal meine ich, es gäbe immer weniger Originale, aber das ist wohl eine Täuschung?
Liebe Grüße von Phantasus

Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: - früher hat die Gesllschaft damit kein Problem gehabt.
Heute wird ein Wahnsinnsaufwand betrieben....Warum nur?

Danke

LG Boris
Zitat: (Original von Luap am 21.11.2009 - 20:19 Uhr) Diese Originale gehörten früher einfach zur Gesellschaft. Heute werden sie leider in Klapsmühlen abgeschoben, obwohl viele, die sich als "normal" bezeichnen, eher dorthin gehörten... :-)

Gern gelesen!

LG, Paul

Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: Irgendwann sind alle weg - so ist es und ich bedanke mich für deinen Kommentar

LG Boris
Zitat: (Original von bartelsontour am 21.11.2009 - 19:28 Uhr) und wenn man sie noch mal wieder trifft ist es nicht mehr das Selbe - egal ob sie sich oder ihre Situation verändert haben - oder ich ... ?

Gruß, Ernst

Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: Vergessene Mitbürger - ist ja toll, wenn ein Idee eine neue hervorbringt!

Danke

Boris
Zitat: (Original von Theres am 21.11.2009 - 19:19 Uhr) Mir sind jetzt gerade auch wieder ein paar eingefallen.
Der kleine Text hat mir gefallen.
Liebe Grüße

Vor langer Zeit - Antworten
Boris Re: Sehr gern wieder gelesen - hi Arno - dier Text ist ganz neu
bis auf die Figuren - die sind alt

danke

LG JFW
Zitat: (Original von Abendschoen am 21.11.2009 - 21:31 Uhr) Kenne es wohl von Schreibart. Die Figuren sind plastisch beschrieben, mitsamt Umgebung. Nach dem Lesen frage ich mich wieder einmal, ob ich selbst aufgeschlossen genug bin, wenn ich solchen Außenseitern begegne. Wahrscheinlich nicht immer. - Arno Abendschön -

Vor langer Zeit - Antworten
Abendschoen Sehr gern wieder gelesen - Kenne es wohl von Schreibart. Die Figuren sind plastisch beschrieben, mitsamt Umgebung. Nach dem Lesen frage ich mich wieder einmal, ob ich selbst aufgeschlossen genug bin, wenn ich solchen Außenseitern begegne. Wahrscheinlich nicht immer. - Arno Abendschön -
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Phantasus es ist schön, Boris, - dass Du uns so interessante Originale vorstellst. Manchmal meine ich, es gäbe immer weniger Originale, aber das ist wohl eine Täuschung?
Liebe Grüße von Phantasus
Vor langer Zeit - Antworten
Luap Diese Originale gehörten früher einfach zur Gesellschaft. Heute werden sie leider in Klapsmühlen abgeschoben, obwohl viele, die sich als "normal" bezeichnen, eher dorthin gehörten... :-)

Gern gelesen!

LG, Paul
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