Krimis & Thriller
E-Mail für Anna

Hallo Anna, meine Süße. Ich bin gerade daheim und fragte mich eben, wie es dir heute wohl gehen mag. Bist du so einigermaßen aus dem Bett gekommen? Ich bitte dich, denk nur nicht allzu viel über den ganzen Mist nach, den wir jetzt hinter uns haben! Und falls es dich doch wie ein Schluckauf überkommen sollte, nun ja, so denk doch einfach an mich. Weißt du, ich denk nämlich schon seit dem Aufstehen wieder einmal an nichts anderes, als an dich. An dich und mich und an das neue, große Leben, das uns Beide jetzt wohl erwarten wird, sobald wir die Koffer gepackt und uns endlich aus dem Staub gemacht haben. Yeah, der Sonne entgegen! Raus aus dem alten Mief und rein in eine Zweisamkeit aus Luft und Liebe. Wie Bonnie und Clyde, was? Ganz so, wie ich's mir schon immer mit dir erträumt habe. Hach, endlich brechen bessere Zeiten für uns an!

Bessere Zeiten, jawohl! Jetzt, da uns dieser abgefuckte Penner nicht mehr im Weg steht. Ich weiß, ich hätte die Sache vorher eigentlich mit dir abklären sollen, aber ich wollte nicht, dass du dir den Weg ins Glück versehentlich mit dicken Mitleidziegeln verbaust. Also hab ich's eben allein durchgezogen – ganz der Cowboy. Ich hoffe, du bist mir deswegen nicht allzu böse. Bist du bestimmt nicht, oder? Ich meine, weshalb hättest du dir jetzt auch noch die Finger schmutzig machen sollen? Das war der Typ doch eh keine Sekunde seines beschissenen Lebens lang wert. Bevor ich ihm die Lichter ausgeknipst habe, hab ich zu ihm gesagt, er soll gefälligst sein mieses, feiges Fischmaul aufmachen und mir meinen Namen nennen, bevor ich ihm den Schädel einschlage. Und soll ich dir was sagen? Er wusste tatsächlich noch nicht einmal, wie ich heiße. Traurig, traurig, traurig. Und deswegen falsche Antwort, Arschloch! Schließlich weiß ich doch auch, wie du heißt! Mark. Bam! (Der erste Schlag klang dumpfer, als ich gedacht hätte.)

Mach du dir jetzt bitte keine unnötigen Sorgen um mich, ja? Mir geht's prächtig. Und ja, mir fiel die ganze Sache wirklich alles andere als schwer – großes Indianerehrenwort! Es war alles so leicht: Ich hab ein paar Mal mit Schwung ausgeholt und kräftig draufgeschlagen. Ohne nachdenken zu müssen. Und als sein hässlicher Schädel dann endlich knackte, als er butterweich nachgab und mir die matschige Hirnsuppe auf die Jacke spritzte, da musste ich doch prompt an zu weich gekochte Eier denken. Echt abgefahren! Ich schlug ihm mit dem Hammer die Birne zu Brei und lachte mir dabei glatt einen Ast ab, weil mir das Frühstück wieder einfiel. Das muss man sich mal vorstellen. Selbst jetzt, während ich wie bekloppt mit meinen schmutzigen Fingern (Denkst du denn, ich krieg das dämliche Blut komplett abgewaschen? Klebt seit Tagen an mir wie Scheiße am Schuh! Kommt mir jedenfalls so vor...) auf meiner Tastatur herumhacke und dir diese Mail schreibe, kann ich mir das Grinsen nicht verkneifen. 

Und Grund zum Lachen hab ich ja eigentlich ohnehin. Denn so, wie ich das sehe, werden die Bullen so schnell auf keinen Fall herausfinden können, wer denn nun auf der Rübe des Scheißers herumgetrommelt hat. Du wirst es ihnen doch bestimmt nicht erzählen, nicht wahr??? Ach, kleiner Scherz, mein Engel. ;-) Jedenfalls mache ich mir überhaupt keinen Kopf und bin wirklich bester Laune. Bis die grünen (Ach nee, die sind ja jetzt blau.) Männer auch nur den Hauch einer Idee haben, wer diesen Deppen püriert haben könnte, sind wir Beide längst über alle Berge und lassen uns den Wind der Freiheit um die Nase wehen. Wie hieß dieser Film gleich? Easy Rider! Ja Baby, Easy Rider!

Weißt du, wir hätten die Sache schon viel früher durchziehen sollen. Also du und ich. Wenn ich daran denke, wie lange der Kerl dich belästigt hat, platzt mir echt ein Bündel Blutgefäße im Kopf. Fast tagtäglich hab ich mit ansehen müssen, wie dieses feige, verlogene Dreckschwein dich umgarnt hat. Wie der Kerl dir schöne Augen gemacht hat. Und natürlich habe ich gesehen, was niemand sonst gesehen haben will: die Angst vor ihm in deinen babyblauen Augen. Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass er sich zwischen uns drängt und dich davon abhält, zu mir zu kommen. Schlug er dich oft? Ich bin mir sicher, der Wichser gab dir gehörig eins aufs Auge, wenn du dich mal wieder in meine Arme träumtest. So ein wertloses Stück Scheiße wie der hatte eine so wunderbare Frau wie dich doch ohnehin nicht verdient. Hätte der sich nicht irgendwo eine billige Hafennutte nehmen können? Scheiße, die meisten Weiber sind doch nichts weiter als laufende Lebenserhaltungssysteme für ein paar dicke Titten. Zu denen hätte er gepasst. Aber du? Nein, du bist etwas ganz besonderes, und ich liebe dich! Und wie ich dich liebe! So sehr, dass es in meiner Brust schmerzt und dass mir manchmal sogar schlecht wird. So richtig kotzübel. Und das ist heute nicht mal gelogen, denn meine scheiß Tabletten sind mir ausgegangen. Jetzt hocke ich hier mit zitternden Fingern vor dem PC und pfeife mir die zehnte Tasse Kaffee rein, um überhaupt auf Trab zu kommen. War echt schon dreimal kotzen von dem Zeug. Einmal hab ich's nicht ganz bis zum Klo geschafft. :-) Wisch ich später auf. Laizes faire. Gilt auch für Kotze, was? Dreck, ich rede schon wieder komisches Zeug. Überlies das einfach, Honey!

Aber hey, was soll ich auch machen? Trotz der guten Stimmung hier (AC/DC läuft rauf und runter!), bin ich doch ein wenig gereizt. Seit Stunden renn ich mir fluchend in der eigenen Bude die Füße wund und hab dabei bestimmt schon Gräben in den Teppich gezogen. Warum, wirst du dich vielleicht fragen, ist dein Süßer denn sauer? Ja, ganz bestimmt fragst du dich das. Na ja, ich will dich eigentlich nicht unnötig beunruhigen, aber hast du heute schon in die Zeitung geschaut? Also nein, nicht in die Tageszeitung, sondern in eines von diesen scheiß Boulevardblättchen, in denen sie ihre Druckerschwärze aus dem Dünnpfiff der schreibenden Sensationsgeier produzieren. Ich wette, du bist in jedem dieser Schundblätter mindestens auf Seite zwei vertreten. In der verlogenen Dreckszeitung, die hier vor mir liegt, bist du's jedenfalls. Und verdammte Kacke, wie diese Ärsche dich abgelichtet haben! Mit völlig verwischter Schminke und zugeschwollenen Augen. Als wärst du eine Wichsvorlage für eine Bande dämlicher Emos. Die schreiben doch glatt, du würdest um deinen – halt dich fest – »brutal ermordeten Ehemann trauern«. Scheiße, kapieren die Hunde denn nicht, wie diese Sau dich behandelt hat? Selbst auf diesen unscharfen Fotos hier erkennt doch ein Blinder mit Krückstock, dass das keine Tränen der Trauer sind, die über deine hübschen, roten Wangen laufen. Ich meine, okay, spiel ruhig ein wenig die erschütterte Witwe! Kein dummer Schachzug von dir. Umso besser für uns beide, oder nicht? ;-) Dennoch würde ich diesen Laden voll schreibender Arschgeigen gern mal heimsuchen. Denen würde ich glatt zeigen, wie sich ein wirklich mies gelaunter Leser richtig beschwert. Ich würde sie alle an ihren gepolsterten Furzsesseln festbinden und im Kreis aufstellen, so dass sie ganz genau dabei zusehen können, wie ihre Kollegen argumentativ (Ha ha!) von mir bearbeitet werden. So, wie ich deinen ach so heiß geliebten EX(!!!)-Mann abgemurkst habe. Ach Scheiße, ich rege ich mich ja schon wieder auf. Ja ja, ich weiß schon: meine Tabletten. Schimpf bitte nicht allzu sehr mit mir, ja? Ich hole morgen neue aus der Apotheke, versprochen!

Tja, und nun? Ich komme mit den Gedanken einfach nicht von dir los, ich geb's ja zu. Weißt du, ich sitze hier, und ganz egal, wohin ich zu denken versuche, ich ende immer wieder bei dir. Dead End! Vielleicht hätte ich doch nicht das ganze Schlafzimmer mit deinen Fotos und Postern tapezieren sollen. ;-) Du hast mich verhext, du kleines, süßes Miststück! Weißt du das? Aber hey, sag mal, du hast die Bude doch jetzt ohnehin für dich allein. Wie viele Quadratmeter mögen das sein? Zweihundert? Sogar Dreihundert? Dein Macker verdiente ja gut (Bestimmt nicht so gut wie du!) hinter seinem Schreibtisch im zwanzigsten Stockwerk, mit der schnieken Krawatte, die er um seinen stinkenden Hals trug. Zu Lebzeiten, wohlgemerkt! Ha ha! Sag mal, Schätzchen, was hältst du davon, wenn wir uns heute Abend bei dir so ganz spontan und gemütlich auf der Terrasse die Sterne anschauen? Ich würde dich ja anrufen, aber hast du mir überhaupt jemals deine Telefonnummer gegeben? Scheiße, ist das peinlich! Hast du die Nummer vielleicht auch auf deiner Homepage in den Kontaktdaten? Ich schaue gerade mal nach... Mist! Der verdammte Server ist down. Klar, kaum bist du in der Zeitung, hängen die Aasgeier auf deiner Seite herum und holen sich einen drauf runter. Ich würde ja über die scheiß Fans schimpfen, die plötzlich wie die Kanalratten aus ihren Löchern gekrochen kommen, aber eigentlich bin ich doch selbst dein allergrößter Fan. Ach, was drück ich mich hier herum? Ich schick die Mail jetzt schnell ab, schließlich will ich sie nicht umsonst geschrieben haben, und statte dir einfach einen netten, kleinen Überraschungsbesuch ab. Das erste Mal in deinem Haus, was? Das erste Mal nur wir Beide! Ganz allein! Wow! Das wird so wunderschön, wart's nur ab. Ich sehe alles schon vor mir... Ich liebe dich und hoffe doch inständig, du freust dich, mich privat und persönlich kennen zu lernen! Bis gleich...

Dein Karl