Romane & Erzählungen
Die Geliebte Teil 2 - Das Warten hat ein Ende

Das Warten hat ein Ende

Nach einer sehr unruhigen Nacht, die ich vermutllich mehr im Bad als im Bett verbracht habe, gehe ich mit wackligen Beinen in die Küche. Starker Kaffee und Butterbrot mit Salz sollen Wunder wirken. Nur beim Anblick der Butter dreht sich mir der Magen um und ich verschiebe mein Frühstück auf später. Stattdessen mache ich mich auf die Suche nach Thomas' roten Eimer, um endlich das Chaos der letzten Nacht zu beseitigen.

Eine Mischung aus Wut und Selbstverachtung macht sich in mir breit und ich frage mich, warum ich so abstürzen konnte. Es war doch von Anfang klar, dass du verheiratet bist und wir beide nur eine schöne Zeit miteinander verbringen möchten, ohne den anderen einzuschränken. Wäre ich dir doch bloß nie begegnet und hätte dieses Gefühl von großer Liebe nicht kennengelernt, den Tanz auf dem Vulkan und das Gefühl, zwischen den Welten zu schweben!!!

Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse steigen in mir hoch - begleitet von einer gewissen Wehmut. Immer, wenn es in meinen Augen richtig perfekt war, bist du nach Hause gegangen zu deiner Familie. Wie sehr habe ich mir gewünscht, dass du einfach mal bei mir bleibst, ich in deinen Armen einschlafe und von deinen fordernden Küssen geweckt werde. "Alltag zerstört die Beziehung" hast du gesagt und immer wieder auf deine schlechte Ehe hingewiesen. Das mit uns beiden sollte etwas besonderes sein und du wolltest den Zauber der Heimlichkeiten bewahren.

Ich wollte dich nicht bedrängen, sondern mit offenen Armen auf dich warten und war mir sicher, dass unsere Liebe alle Hürden überwinden könnte.

Und wieder schiebt sich die Frage von gestern in meine Erinnerung... Eine Überraschung! Ich liebe Überraschungen und verspüre dieses leise Kribbeln, das meinen Körper durchzieht. Was kann es wohl sein? Ob ich dich anrufen soll? Vielleicht bist du schon wach und wartest nur darauf, dass ich mich melde.

Ich entschließe mich dazu, erstmal zu duschen und meinen brummenden Kopf unter Wasser zu halten. Das kalte Wasser wäscht alle bösen Gedanken und jegliche Zweifel fort und ich bin frohen Mutes, dass heute mein absoluter Glückstag ist und sich alles zum Guten wenden wird.

Und während ich vor mich hinträume, klingelt es an der Tür. Ich lasse es klingeln. Du hast deinen eigenen Schlüssel und ich mag heute mit keinem Fremden reden. Vielleicht heute abend, wenn wir unsere wenigen gemeinsamen Freunde zum Essen einladen und ihnen von deiner Überraschung berichten.

Es klingelt unaufhörlich. Wütend gehe ich zur Wohnungstür und reiße sie auf. Vor meinen Füssen breitet sich ein Teppich aus roten Rosen aus. Eine Spur wunderschöner Blüten, die im Schein kleiner Teelichter einem Meer aus Blut gleichen, führt 63 Stufen nach unten. Schwindlig taumele ich nach vorn und starre in den Abgrund. Dort stehst du mit weit geöffneten Armen und deinem strahlenden Lächeln. Ich dreh mich um, falle über den roten Eimer von Thomas und stürze ins Bad.

Alles in mir schreit nach Liebe und ich versuche, diese Magenkrämpfe in den Griff zu bekommen.

Du kommst nicht nach oben und ich schließe leise die Tür.

Abwesend zünde ich mir eine Zigarette an und obwohl ich heute mit dem Rauchen aufhören wollte, schmeckt sie mir sehr gut. In mir ist nichts - nur gedankenlose Leere, die mit neuem Stoff gefüllt werden möchte. Ich bin ein Mensch, der immer über alles nachdenken muss und auch will und umso schlimmer ist die Stille in meinem Kopf.

Zeitdimension!? Dieses neue Modewort kommt mir in den Sinn. Ich habe es bis heute nicht verstanden, was die Welt damit ausdrücken möchte. Vielleicht wähle ich es mal zum Unwort des Jahres...

Und plötzlich verstehe ich seine Bedeutung.

Du und ich leben in verschiedenen Dimensionen und im Gegensatz zu mir lebst du im gestern. Es kann nichts werden mit uns beiden und endlich habe ich das begriffen!

Ich ziehe meine Jacke an und gehe zu dir...


(c) SK 13.11.2009