Lass los Emma, dann bin ich frei!
Ein Junge hat letztens zu mir gesagt:
"Ich werde tausend Jahre alt werden.
Ich sag dir, du kannst alles kontrollieren, wenn du es nur willst."
Ich hab lange darüber nachgedacht, ob das wirklich so ist.
Dann habe ich an meine Freundin gedacht.
Sie hieß Amy, war grade mal 12 Jahre alt.
Diagnose: Blutkrebs.
Sie wollte sich nicht damit abfinden, kämfte um jede Minute....
Ich war oft bei ihr im Krankenhaus, habe ihr vorgelesen, ihr geschichten erzählt,
versucht sie abzulenken und zu unterstützen.
Aber ich wusste eigentlich das ich es war die die Unterstützung brauchte.
Ich war es, der die Kraft fehlte sie gehen zu lassen.
Ein paar Tage vor ihrem Tod, sie konnte das Bett schon lange nicht mehr verlassen, besuchte ich sie.
Ich hatte sie in letzter Zeit nicht oft besucht, zu groß war die Angst ein leer geräumtes Zimmer zu finden, zu groß die Angst das das passierte was ohnehin nicht weit entfernt war.
Doch an diesem Tag hatte ich mich überwunden,
war zu ihr gegangen.
An dem Tag erzählte ich Amy was der Junge gesagt hatte, das er tausend Jahre alt werden würde - nur durch seine Psyche und ob sie das glaubte, ob das nicht passieren könnte,
ob es.... sie nicht retten könnte.
Denn letzten Teil sprach ich nicht aus.
Und dann sagte Amy etwas zu mir, was ich nicht erwartet hätte.
Sie sagte:" Emma, hör mir zu. Ich habe gekämpft Emma, das weißt du.
Und ich habe zwar verloren,
das weißt du auch, aber niemand geht aus einer Schlacht ohne etwas daraus gelernt zu haben. Ich weis es muss für dich falsch und ungerecht klingen, aber jeder von uns muss diese Welt irgendwanneinmal verlassen, manche im hohen alter, andere viel zu früh.
Aber Emma, ich werde nicht einfach gehen. Ich gehe mit erhobem Haupte von dieser Welt,
rein, sauber und nur mit den besten Errinerungen.
Manchmal ist es das wichtigste loszulassen - einfach alles, alles loszulassen.
Das tue ich. Und Emma , ich weis es fällt unglaublich schwer - aber du musst das auch - du musst mich loslassen.Emma"
Eine Träne kullerte an meiner heißen Wange hinunter.
Ich konnte nicht, konnte sie doch nicht einfach loslassen!
Wut überkam mich.
Hass auf die Erde,Hass auf Amy. Wie konnte sie einfach aufhören zu kämpfen!
Wie konnte sie mich hier zurücklassen,alleine!
Plötzlich konnte ich es nicht mehr halten.
Tränen überströmten mein vor Wut rotes Geschicht, jede einzelne voll von Schmerz und Scham.
"Emma" sagte sie "Emma" Ich schaute nicht hoch.
Zu beschämmt war ich über meine Gedanken, zu beschämt das ich, die eigentlich stark sein sollte, am Ende die Schwache war.
Amy packte mich am Arm. Ihr griff war schwach und ihre Hände kalt.
"Emma, ich weis es ist schwer, aber du musst loslassen, tu es für mich."
Ich errinerte mich noch genau, wie sie immer und immer wieder meinen Namen gesagt hatte.
Wie sie mich gepackt hatte mit ihren kalten, schwachen Fingern.
Ein paar Tage später erfuhr ich von Amys Tod.
Ich hatte es gewusst, gespührt was auch immer,
aber trotzdem überraschte mich die Nachricht - traff mich wie eine Kugel,
durch bohrte meine Glieder, meine Seele und durchstieß mein Herz.
Ich sackte in mich zusammen und weinte.
Nicht das normale weinen.
Es war ein anderes, ein weinen nur für Amy.
Voller Trauer, Freundschaft,Liebe, Wut und Verzweiflung.
Ihre Worte gingen mir durch denn Kopf.
"Du musst loslassen Emma...."
Ich dachte an den Jungen.
"So alt werden wie ich will ... liegt alles an Psyche"
dann passierte etwas eigenartiges.
Die Stimmen verschmischten sich, wurden eins...
"So alt wie ich will und jetzt musst du loslassen,Emma"
Und ich richtete mich auf , wischte mir die Tränen weg.
Ich nahm einen Zettel und schrieb eine Nachricht darauf.
"Liebe Amy, tut mir leid das ich nicht immer für dich da war.Ich liebe dich"
und ich ging vor die Tür, den Zettel fest in der Hand - stellte mich auf die Straße,
schloss die Augen und ließ los.
Ließ den Zettel los und die ganzen Gefühle die sich in dieser Zeit in mir gestaut hatten.
Hass, Schmerz, Trauer ,Freude, Freundschaft, Liebe,Verzweiflung.
Ich spührte wie sich alles von mir löste.
Spührte den ganzen Schmerz der sich aus meinen Gedanken wand.
Aus meinem Herzen.
Ich fühlte mich als würde ich über der Erde schweben - alles war aufeinmal
wieder klar und deutlich und ... auf eine seltsame Art auch schön.
Und es war mir als sagte eine Stimme in meinem Kopf "Danke Emma, jetzt bin ich frei"
Und ich,ich war es auch!