Beschreibung
Für Manuels Eltern ist der Junge nicht mehr als ein Unfall und doch hat er Gefühle für sie...
Ich sehe zu euch auf, doch es sind nur meine Augen, die euch berühren, nicht mein Respekt. Ihr lauft vor mir auf und ab, schreit mich an und ich ... Ja, ich genieße es. Was soll ich auch anderes tun? Es sind schließlich die einzigen Worte, die ihr zu mir sprecht und ich sauge sie in mich auf. Ich liebe euch, auch wenn ihr mich nur als lästig anseht und ich doch keine Achtung mehr vor euch habe. Ich bin euer Sohn, euer Fleisch und Blut. Aber für euch bin ich nur der dumme Unfall, der eigentlich etwas zeigt, was ihr nie zeigen wolltet. Ihr habt einen Fehler gemacht, den ihr nun versucht zu ignorieren, zu vergessen, zu beseitigen. Aber ich bin da, allgegenwärtig!
Mutter, du fragst nach dem warum.
Warum hast du dich geprügelt, wieder geschlagen. Das sind deine Worte.
Hast du schon jemals darüber nachgedacht den Fehler bei dir, bei euch, zu suchen. Fehler machen immer nur die anderen, nicht wahr? Denn ihr wollt ja perfekt sein! Eure Arbeit ist euch wichtig, das Lob vom Chef, die Anerkennung der Kollegen. Nur, wenn ihr das bekommt, dann glaubt ihr etwas Wert zu sein. Doch egal wie fehlerlos ihr zu sein scheint, einer ist euch unterlaufen und dieser ist in euren Augen auch nur voller Fehler.
Fragt doch einmal nach dem Wieso! Wieso ich mich ständig schlage! Wieso ich mich mit jedem anlege!
Es ist ein Hilferuf, ein verzweifelter Schrei nach dem, was ich von euch bisher nie bekommen habe: AUFMERKSAMKEIT. Glaubt mir bitte – und wenn ihr mich nicht hören wollt, dann du Gott – ich will niemanden wehtun, niemanden schaden. Aber es ist doch meine einzige Möglichkeit, dass ihr mit mir sprecht. Auch wenn es schmerzt. Doch besser das, als gar kein Gefühl.
Ihr geht aus dem Zimmer und ich bin allein, mal wieder, wie immer. Aber ich brauche eure Stimmen auch nicht hören, um zu wissen, was ihr besprecht. Ihr sucht nach einem neuen Ort, wo ihr mich verstecken könnt. Verstecken vor euch selbst, aber das werdet ihr nie können.
Ich starre auf die Tür, doch es dauert, bis ihr wieder kommt. 10, 20, 30 Minuten, dann schlafe ich ein und träume wie immer von dem, was ich mir am meisten wünsche. Ich will es doch nur einmal hören, nur einmal ... Wir lieben dich.
Manuel!
Die Stimme meines Vaters, ich schrecke hoch. Noch eine Belehrung, noch eine Standpauke. Deine und auch Mutters Worte ... Ich nehme sie kaum noch wahr, höre nur noch eure Stimmen, denn sie tun mir nicht so sehr weh, stechen mir kein Schwert in die Brust, so wie es eure Worte tun. Ich könnte beides abwehren, aber ich kann nicht. Sonst spüre ich nicht, dass ich existiere.
Dein letzter Satz, ich verstehe nur Bruchstücke von ihm durch den Nebel, der mich umgibt, mich vor dem Schlimmsten schützt.
Ein neues Internat. Morgen ...
Egal wie oft ihr mich noch fortschicken werdet, ich werde kämpfen. Auch wenn meine Kraft dafür wie Wasser durch meine Finger, Sand durch eine Sanduhr, rinnt. Aber ich kann, ich darf nicht aufgeben, bis ich es einmal von euch gehört habe.
Manuel, wir lieben dich ... So wie in meinen Träumen ...