Krimis & Thriller
Among Mad People

0
"Among Mad People"
Veröffentlicht am 07. November 2009, 28 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
http://www.mystorys.de
Among Mad People

Among Mad People

Beschreibung

Vor kurzem war Antonio Foletta noch ein renommierter Psychiater, der mit beiden Beinen fest im Leben stand. Das ändert sich schlagartig, als er in seinem neuen Job eine Patienten zugeteilt bekommt, dem er nicht gewachsen ist. Michael West, seit nunmehr 8 Jahren inhaftiert im Bentley Asylum For The Criminally Insane, tritt in das Leben von Foletta, als sein neuer Patient.

Prolog - 8 Jahre zuvor

03:24 Uhr

Leise schlich Captain Price durch die Nacht, durch das Nachtsichtgerät in seinem Gesicht leuchtete die Welt um ihn herum gespenstisch grün auf. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Mit der rechten Hand gab er seinem Team ein Zeichen, sich bereit zu halten. Das Haus, das sie suchten, war nur noch 30 Meter entfernt. Mit einem Nicken signalisierte er seinem Team, dass es sich an der Türe aufstellen sollte. Ein Mann, auf dessen Jacke leuchtend „POLIZEI“ geschrieben stand, trat mit einem Rammbock vor die Türe, bereit, diese auf Befehl einzuschlagen. Captain Price zählte mit den Fingern von 3 hinunter.

3...2...1...los!“ Der Rammbock schwang durch, verfehlte sein Ziel jedoch, da die Türe schlagartig aufgerissen wurde. Der Polizist, unfähig, den Schwung abzubremsen, stolperte ins Innere des Hauses und fiel zu Boden. Hinter der Türe kam ein schmächtiger Mann Mitte 30 zum Vorschein.

Polizei! Treten Sie aus dem Haus!“

Mit ruhiger Stimme antwortete der Mann: „Ah, Officer. Schön, Sie zu sehen. Sie haben länger gebraucht als erwartet.“

Aus dem Haus, sage ich!“, schrie Price. Endlich kam der Mann der Aufforderung nach. „Michael West, Sie sind verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Legen Sie sich flach auf den Boden, Hände auf den Rücken.“ Der Mann namens Michael West kam der Aufforderung stillschweigend nach. Price legte ihm Handschellen an. „Gut gemacht, Jungs. Führt ihn ab. Dieses Schwein wird den Rest seines Lebens in einer Gummizelle schmoren.“

Sanitarium

Das Bentley Asylum For The Criminally Insane war ein riesiger Gebäudekomplex, der mehr aussah wie ein Hotel oder eine Pension als eine Irrenanstalt. Das Hauptgebäude war siebenstöckig, die Anlage verfügte über einen Park, zwei Tennisplätze und eine Laufbahn.

Während Antonio Floretta das eindrucksvolle Gebäude noch beobachtete, klopfte jemand an die Fensterscheibe seines Wagens.

Sir? Sie müssen sich ausweisen.“ Der Mann, allem Anschein nach ein Wärter der Anstalt, blickte freundlich ins Autoinnere.

Wie? Oh, ach ja, natürlich.“ Foletta reichte dem Wärter seinen Führerschein.

Antonio Foletta? Der neue Psychiater? Ich wünsche Ihnen viel Spaß dort drinnen.“ Per Knopfdruck öffnete sich die Schranke, sodass Floretta durchfahren konnte. Als er schon fast durch war, hielt ihn der Wärter nochmals auf. „Und Sir? Vergessen Sie nie – das dort drin sind keine Menschen mehr. Das sind Tiere. Die meisten würden Sie ohne zu zögern umbringen.“

Ähm, danke...“ Antonio schielte auf das Namensschild des Mannes. „...Chester. Könnten Sie mir wohl zeigen, wo ich den Anstaltsleiter finde? Der Mann heißt...“Erneut unterbrach Antonio seinen Redefluss, um auf den Zettel zu schauen, der auf dem Armaturenbrett lag. „Doktor James Kramer. Er hat bezüglich meiner Jobanfrage angerufen.“

Ja, Sir. Er ist der Direktor unseres Therapiezentrums. Ich führe Sie gerne hin.“

Antonio parkte den Wagen und folgte Chester, der offenbar keinen Nachnamen besaß. Aus reiner Gewohnheit zog er die Kopfhörer seines iPods heraus, und da Chester offenbar nicht reden wollte, steckte er sich einen der Hörer ins Ohr und drückte auf Zufallswahl. Seiner Erfahrung nach hatte Fortuna einen zu der jeweiligen Situation passenden Musikgeschmack. Und so war es auch diesmal.

 

Welcome to where time stands still
no one leaves and no one will
Moon is full, never seems to change
just labeled mentally deranged

 

Metallica, ein Lied mit dem passenden Titel „Sanitarium“. Antonio musste grinsen. Mit einem Ohr lauschte er dem Gesang aus seinem iPod, während er mit dem anderen den Ausführungen des Wärters zuhörte.

Wissen Sie, unser Therapiezentrum existiert jetzt schon 150 Jahre. Nun ja, fast. Nächstes Frühjahr feiern wir Jubiläum.“

Kriegen die Insassen Partyhüte?“ Foletta konnte sich diesen Kommentar nicht verkneifen und erntete einen bösen Blick von Chester.

Wir sind kein Spaßbetrieb, Sir. Aber egal, hier entlang, bitte.“

Der Wächter führte Antonio in ein weitläufiges Büro, das offensichtlich dem Direktor gehörte. Antonio suchte vergeblich nach dem obligatorischen „Sie müssen nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten, aber es hilft!!!“-Schild. Anscheinend war das hier wirklich kein Spaßbetrieb. Er machte es sich auf der Couch gemütlich und wartete auf Direktor Kramer, der, so hatte Chester ihm versichert, in einigen Minuten hier sein würde. Bis dorthin konnte er sich ja der Musik in seinem Ohr hingeben.

 

They think our heads are in their hands
but violent use brings violent plans
Keep him tied, it makes him well
he's getting better, can't you tell?

 

Beim Anblick der weiß gestrichenen, sterilen Wände und der Vorstellung, dass hinter jeder dieser Wände ein Wahnsinniger eingesperrt war, schauderte Antonio. Und die Musik machte es nicht gerade besser. Verärgert über seine eigene Feigheit zog er die Stöpsel aus dem Ohr, als die Türe aufschwang.

Ein grauhaariger, älterer Mann kam herein, Foletta schätze ihn auf sechzig, wenn nicht älter. Mit offenherzigem Lächeln kam der Anstaltsleiter auf Antonio zu.

Dr. Foletta, es freut mich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen. Ich bin James Kramer, wir haben telefoniert.“

Die Freude ist ganz meinerseits, Sir. Gibt es irgendetwas Besonderes, was Sie mir über die Patienten sagen können, die ich betreuen soll?“ ,fragte Antonio.

Über den Patienten.“ ,verbesserte Kramer. „Es ist nur einer. Aber der ist wichtig. Bei Ihrem Patienten handelt es sich um Michael West.“

Um wen?“

Ach, ja. Der Fall wurde in den Medien totgeschwiegen. Vor ungefähr acht Jahren starben 5 Menschen infolge eines Blutbades, angerichtet von Michael West. Der Patient leidet höchstwahrscheinlich an paranoider Schizophrenie, aber das ist die Standarddiagnose bei geistesgestörten Kriminellen. Leider ist Michael zu schlau für die meisten unserer herkömmlichen Tests.“

Und was genau verlangen Sie von mir?“ ,fragte Foletta.

Reden Sie mit ihm. Fragen Sie ihn aus, über seine Motive, den Tathergang, alles. Bringen Sie irgendetwas in Erfahrung, das uns helfen kann, den Mann zu verstehen. Ich vermag das nämlich noch nicht. Aber ich warne Sie: Michael ist extrem intelligent, weit über dem Durchschnitt, und außerdem hat er nichts mehr zu verlieren. Er wird Sie mit allen Mitteln manipulieren, seien Sie darauf gefasst.“

Keine Sorge, ich hatte schon andere schwierige Fälle.“ ,sagte Antonio leichthin.

So einen noch nicht. Nein, glauben Sie mir, so einen noch nicht. Michael genießt strengere Sicherheitsvorkehrungen als alle seine Mitinsassen. Und das nicht ohne Grund. Lassen Sie sich von seinem Äußeren nicht täuschen, er mag harmlos aussehen, Ted Bundy sah auch harmlos aus. Aber genug davon, Sie werden sogleich Gelegenheit erhalten, sich selbst ein Bild zu machen. Gehen wir.“ Mit diesen Worten marschierte Kramer zu einer Tür aus kugelsicherem Panzerglas, auf der „Zellblock D – Hochsicherheitstrakt“ stand.

Foletta folgte ihm zögerlich. Ihm war gar nicht mehr so wohl in seiner Haut. Kramer zog seine Magnetkarte durch den dafür vorgesehenen Schlitz, die Türe öffnete sich langsam und mit hörbarem Zischen, Antonio atmete noch einmal tief durch und überschritt die Grenze von Normalität und Wahnsinn.

First Contact

Antonio folgte dem Anstaltsdirektor durch einen spärlich beleuchteten Gang, an dessen Ende eine weitere Tür wartete. Vor dieser Türe stand ein Mann in Uniform, an seiner Seite trug er einen Schlagstock aus durchsichtigem Hartplastik und einen Elektroschocker. Beim Näherkommen streckte er einen Arm aus und sagte: „Sir, ich muss Sie durchsuchen, bevor Sie dort hineingehen. Reine Routine, aber Sie wollen nicht wissen, was diese Jungs mit so simplen Dingen wie Kugelschreibern anstellen können.“ Langsam und professionell begang er, Antonio zuerst mit einem handlichen Metalldetektor abzusuchen und dann manuell abzutasten. Als er sich wieder aufrichtete, meinte er: „Alles okay, Sir. Sie können jetzt reingehen. Hat Doktor Kramer Sie über die Vorsichtsmaßnahmen aufgeklärt?“

Nein, welche Vorsichtsmaßnahmen?“ Langsam fühlte Antonio ein unheimliches, und doch so wohl vertrautes Gefühl in sich aufsteigen. Angst.

Also. Vermeiden Sie Blickkontakt mit allen Patienten, mit denen Sie nicht direkt arbeiten. Kommunizieren Sie nicht mit irgendeinem anderen Patienten außer dem, der ihnen zugeteilt wurde. Jede Zelle hat eine Klappe, durch die wir Nahrung hineinschieben. Wenn es sich vermeiden lässt, geben Sie keinem der Patienten irgendetwas Scharfes oder Spitzes. Nehmen Sie nichts an, was Ihnen von Patienten angeboten wird. Glauben Sie, das schaffen Sie?“

Antonio schluckte schwer. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. „Ja, ich glaube, das werde ich schaffen.“

Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie einfach laut. Ich heiße John.“

Gut, danke.“

Und Antonio,“ Kramer tippte Antonio noch auf die Schulter. „passen Sie auf sich auf.“

Was, Sie gehen nicht mit?“ Erneut spürte er die kalte Berührung der Angst.

Nein, die meisten Patienten sind mir nicht besonders...wohlgesonnen. Ich warte in meinem Büro. Michael's Zelle ist am Ende des Ganges. Wenn Sie soweit sind...John, öffen Sie doch bitte die Türe.“ Mit dem gleichen hörbaren Zischen wie vorher glitt die Glastüre auseinander, Antonio schluckte sowohl Speichel als auch seine Angst herunter, und ging einen Schritt nach vorne. Schon kamen die ersten Zellen in Sicht. Entgegen den Anweisungen des Wärters schaute Antonio zu den Gefangenen hin, er konnte es einfach nicht lassen. Er war seit fast 3 Jahren Psychiater, aber hatte es noch nie mit Schwerverbrechern zu tun.

Die erste Zelle, Sie lag links von ihm, war in Dunkelheit gehüllt. Das Licht war abgeschaltet, es war kein Mucks zu hören. Die Neugierde trieb Antonio näher an die Gitterstäbe heran. Als er sich vorbeugte, um besser ins Innere sehen zu können, sprang eine Gestalt aus der Finsternis auf der anderen Seite der Gitterstäbe.

Buh!“

Foletta ließ einen ersticken Schrei los und sprang ängstlich von der Zelle zurück. Der ganze Trakt begann brüllend zu lachen.

Grandioser Anfang, Foletta, grandios.

Zum zweiten Mal am heutigen Tag verfluchte er im Stillen seine Feigheit und ging langsam weiter geradeaus. Michael West's Zelle war nur noch 50 Meter entfernt.

Nach einem kurzen Marsch erreichte Antonio die Zelle seines neuen Patienten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zellen war diese hier hell beleuchtet. Das Mobiliar, sofern man überhaupt von „Mobiliar“ sprechen konnte, bestand aus zwei am Boden festgeschraubten Metallstühlen, einem auf die selbe Weise befestigten Tisch, einem Plastikspiegel und einer Toilette aus billiger Keramik. Dazu kam ein dürres Metallgestell, das nur ein sehr gutmütiger Mensch als „Bett“ bezeichnet hätte. Auf ihm lag, gerade ausgestreckt, ein Mann. Michael West. Er lag ganz ruhig da, wären seine Augen nicht Richtung Decke gerichtet und weit aufgerissen, könnte man meinen, er schläfe.

Mr. West?“ ,fragte Foletta zaghaft. „Mr. Michael West?“

Blitzschnell drehte Michael den Kopf. „Ja, wen erwarten Sie in meiner Zelle, Batman? Wer sind Sie überhaupt?“

Durch den rüden Angriff etwas aus der Fassung gebracht, räusperte sich Antonio. Währenddessen hatte er Gelegenheit, sich seinen neuen Patienten genau anzuschauen. Michael West war dünn, aber nicht hager, das schwarze Haar war kurz geschnitten, ein kleiner Spitzbart verlieh seinem ohnehin eingefallenen Gesicht noch mehr Länge, die Hände endeten an langen Fingern, die eher wie die eines Pianisten aussahen als die eines Massenmörders. Das Schlimmste waren die Augen. Sie hatten einen stechend olivgrünen Ton, in dem sich das Licht der Deckenlampe spiegelte, und sie blitzten bei jedem Wort boshaft auf.

Ich bin Dr. Foletta, Dr. Antonio Foletta. Ich werde Sie die nächsten Wochen betreuen.“

Ah, noch ein Seelenklempter, der neben mir sitzt und nickt, während der Staat ihm mehrere hundert Dollar dafür bezahlt. Großartig.“ ,spottete Michael.

Michael, ich darf Sie doch Michael nennen, die Bezeichnung „Psychiater“ wäre mir lieber.“

West machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wie Sie wünschen, Herr Doktor.“ Erneut der spöttische Unterton.

Darf ich reinkommen?“ ,frage Foletta, obwohl das gar nicht nötig wäre. Michael hätte nichts dagegen tun können.

Ja, kommen Sie ruhig. Ich würde Ihnen ja was anbieten, aber meine Mittel sind etwas eingeschränkt, seit ich hier drin sitze.“

Foletta ging nicht darauf ein, stattdessen zog er einen kleinen Rekorder aus der Jackentasche.

Michael, ist es okay für Sie, wenn ich unsere Sitzungen aufzeichne?“ Damit sperrte er die Zellentüre mit dem Schlüssel, den John, der Wärter, ihm gegeben hatte, auf.

Aber natürlich ist es okay für mich, Doc.“ Bis jetzt war noch kein Satz aus Michaels Mund gekommen, der nicht mit spöttisch-sarkastischem Unterton gesprochen wurde. Langsam wurde Foletta wütend.

Ich glaube, Sarkasmus ist ein Vorrecht der Geistig Gesunden.“

Michaels Augen blitzten auf. „Ach ja? Aber das ist ja das Problem. Wo ziehen wir die Grenze? Die Menschen betrügen, lügen und töten, Mütter ersticken ihre Kinder, Männer prügeln ihre Frauen halbtot, andere missbrauchen Minderjährige, Staatsoberhäupter zetteln nukleare Kriege an, aber ich werde für verrückt, pardon, „geistig gestört“ erklärt? Das ist wirklich wahnsinnig.“

Nun, immerhin haben Sie ein Blutbad angericht...“ ,setzte Antonio an.

Nein.“ ,unterbrach ihn Michael.

Was, nein? Sie leugnen die Tat?“

Es war kein Blutbad. Es war ein Kunstwerk. Eine Komposition. Absolute Macht über Leben und Tod. Können Sie sich dieses Gefühl vorstellen, Sie Vorstadtpsychiater, Sie?“

Foletta kritzelte etwas auf seinen Block. Keine Achtung vor anderen Menschen oder deren Leben, kontrollbesessen.

Michael linste scheinbar interessiert zu ihm herüber. „Was schreiben Sie da, Doc? Bin ich irre, oder nur böse? Was meinen Sie?“

Sie haben ohne Reue oder Schuldgefühle 5 Menschen umgebracht. Ich würde sagen, Sie sind irre.“

Michael atmete theatralisch auf. „Gott, da bin ich aber froh! Ich darf weiterhin in diesem Loch verrotten bis irgendjemand der Meinung ist, dass ich geheilt bin.“

Erneut schrieb Foletta auf seinen Notizblock. Subjekt will sich nicht mit der Haftstrafe abfinden.

Michaels Lippen bewegten sich langsam, als er versuchte, Foletta's Schrift verkehrt herum zu lesen. Dann grinste er.

Aber natürlich finde ich mich nicht mit der Haftstrafe ab! Wieso sollte ich auch? Ich bin unschuldig!“ Freudig jauchzend erhob Michael die Hände.

Vor einer Minute haben Sie noch gesagt, Ihre Tat wäre ein Kunstwerk gewesen!“

Habe ich das?“ Langsam ließ er seine Arme wieder sinken. „Oh. Nun, ich bin ja auch irre.“ Sein Lachen hallte von den Wänden der kleinen Zelle wieder.

Foletta stand kurz vor einem Wutausbruch. Mühsam schluckte er seine Wut hinunter und ging über zur nächsten Frage.

Michael, wieso haben Sie diese Menschen umgebracht?“ Antonio fiel auf, dass er außer der Zahl der Todesopfer gar nichts darüber wusste. Offenbar sprach sein Gesichtsausdruck Bände, denn Michael grinste erneut schelmisch.

Sie wissen nichts, nicht wahr? Sie haben absolut keine Ahnung, Doc.“

Erzählen Sie es mir doch bitte. Ich möchte Sie verstehen.“

Haha, Doc, lustig! Das möchte dieses Schwein Kramer auch!“

Sie mögen Doktor Kramer also nicht?“

Oh, doch. Ich liiiieeebe unseren ach so fähigen Anstaltsleiter.“

Ich glaube Ihnen nicht.“

Ach, wie schade.“ Michaels Gesicht verfinsterte sich. „Nein, ich mag Kramer nicht. Als ich hierher gebracht wurde, war er der Meinung, mein Fall sei ein Durchbruch der Psychologie. Ich wäre „auf einer neuen Stufe des Wahnsinns angelangt“, so hat er sich ausgedrückt. Ich sei ein paranoider Soziopath, schizophren obendrein. Ja, mit meinen Komplexen und Krankheiten könnte man eine eigenen Anstalt füllen!“ Michael lachte laut über seinen eigenen Witz.

Stark von sich selbst eingenommen, Soziopath.

Erneut schaute Michael auf den Notizblock von Foletta. Und erneut grinste er über beide Ohren.

Oh, Doc. Ich glaube, wir zwei werden viiiieeeel Spaß miteinander haben!“

 

Foletta ignorierte die letzte Aussage seines Patienten und ging zu seiner nächsten Frage über. „Michael, glauben Sie denn selbst, dass Sie geistesgestört sind?“

Sie fragen mich, ob ich glaube, dass irre bin?“ Michael zwinkerte hinter seiner randlosen Brille. „Das ist fies, Doc. Als würden Sie einen katholischen Priester fragen, ob seine Freundin weiß, dass er onaniert. Egal wie er antwortet – es ist falsch. Wenn ich sage, ich bin irre, gehöre ich hier rein. Wenn ich behaupte, ich wäre gesund, ist meine Sicht der Realität verzerrt, ich weiß nicht mal, dass ich krank bin, ich armer Mann, und gehöre erst recht in eine Anstalt wie diese.“ Erneut zwinkerte er. „Schlau, Doc, schlau. Aber nicht mit mir.“

Noch immer etwas verstört von der Metapher den Priester betreffend, schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen, und setzte erneut an: „Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Sind Sie der Meinung, geistesgestört zu sein, oder nicht?“

Hmm...ich würde sagen, nein. Oder wenn ja, dann gehören noch einige andere Leute eingewiesen. Wenn ich 5 Leute abknalle und es mir nicht Leid tut, bin ich irre. Aber wenn ein Präsident 500.000 Leute wegbombt und es ihm bei seinem Wahlkampf hilft, gehört er gefeiert? Wo ist da die Logik, Doc?“

Antonio rieb sich die Augen. Er war müde, und dieser Mann zermürbte ihn. „Ich bitte Sie nochmals, bleiben wir bitte bei „Herr Doktor“, ist das in Ordnung?“ ,bat er schwach.

Michael zuckte gelassen die Schultern, aber hinter seinen Brillengläsern blitzten die Augen frech. „Aber klar doch.“

Danke. Als nächstes würde ich gerne wissen, was...“ Foletta wurde von der sich öffnenden Zellentüre unterbrochen. Der Wärter namens John betrat die Zelle, bewaffnet mit einer Elektroschockpistole. Hinter ihm kam zaghaft eine Krankenschwester herein, ihrerseits nur mit einem mit Wasser gefüllten Pappbecher in der einen und einer kleinen, blauen Pille in der anderen Hand bewaffnet. Sie schien sich nicht sehr wohl zu fühlen.

So, Mr. West. Zeit für Ihre Medizin.“ Und an Antonio gewandt: „Herr Doktor, Sie müssen jetzt gehen. Die Besuchszeit ist vorbei, und Michael muss seine Medizin nehmen?“

Meine Mutter hat immer gesagt, Drogen seien böse.“ ,kicherte Michael.

Keine Witze. Schwester, die Tablette bitte.“ Zaghaft überreichte die Frau John sowohl den Pappbecher als auch die Tablette. Foletta verließ die Zelle und saß sich der Schwester gegenüber. Verlegen begann er ein Gespräch.

Schwester...“ Er schielte auf ihr Namensschild, „Roberts, was genau wird Michael da verabreicht.“

Ein Mittel namens Hypnocil, es stellt ihn ruhig. Eigentlich zählt Michael zu den ruhigeren Insassen, er neigt eher zur verbalen Attacke, aber besser Vorsicht als Nachsicht, nicht wahr?“

Während sie sprachen hörten sie, wie John mit Michael redete.

Okay, Mr. West, jetzt machen Sie mal weit den Mund auf.“ Gehorsam öffnete er den Mund, nahm dem Wärter die Pille ab, steckte sie sich in den Mund, nahm dann den Pappbecher, trank das Wasser mit einem Schluck, zerknüllte den Becher und warf ihn in eine Ecke.

Nachdem er fertig war, riß John ihm gewaltsam den Mund auf und leuchtete mit einer kleinen Stiftlampe die Innenseite seines Mundes ab. Nachdem er die Pille nirgends entdecken konnte, ließ er Michael los und wandte sich zum Gehen.

Was ist, trauen Sie mir nicht?“ ,fragte Michael sarkastisch, während er sich den schmerzenden Kiefer rieb. Er drehte den Kopf, als er jemanden sprechen hörte.

Nun, Michael. Schlafen Sie gut. Wir sehen uns dann morgen.“ Freundlich lächelnd streckte Foletta seinem frischgebackenen Patienten die Hand durch die Gitterstäbe hindurch zu. Irritiert und etwas angeekelt schaute Michael auf die Hand seines Psychiaters, ohne den Gruß zu erwidern. Nach ein paar Sekunden ließ Antonio die Hand enttäuscht wieder sinken. „Nun, bis morgen.“ Geistig notierte er sich: Verachtung gegenüber der Menschheit im Allgemeinen. Eventuelle Agaraphobie. Damit wandte er sich zum Gehen.

 

Zehn Minuten, nachdem die letzten Schritte von Foletta und John verklungen waren, schlich Michael auf den in einer Ecke liegenden, zerknüllten Pappbecher zu. Vorsichtig öffnete er ihn, als wäre ein Schatz in ihm verborgen, und zog die durch seinen Speichel etwas nasse Hypnocil-Pille heraus. Freudig pfeifend ging er zur Toilette, warf die Tablette hinein. Sorgsam betätigte er die Spülung und sah zu, wie die Pille im Strudel des Wassers verschwand.

Zufrieden legte er sich auf sein Bett und schloss die Augen. Michael war froh, einen halbwegs intelligenten Gesprächspartner gefunden zu haben. Der morgige Tag würde lustig werden.

http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_26842-0.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/beschreibung_26842-1.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115066.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115067.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115095.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115096.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115097.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115098.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115099.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115100.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115101.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115102.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115103.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115104.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115105.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115106.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115107.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115108.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115109.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115110.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115111.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115112.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115113.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115114.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115115.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115116.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_115117.png
0

Hörbuch

Über den Autor

MichaelWest

Leser-Statistik
72

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Zeige mehr Kommentare
10
0
0
Senden

26842
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung