Romane & Erzählungen
Mit 66 Jahren . . .

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"Mit 66 Jahren . . ."
Veröffentlicht am 02. November 2009, 14 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Mit 66 Jahren . . .

Mit 66 Jahren . . .

Beschreibung

Diese Geschichte handelt von der 66 jährige Gottfrieda, die durch unglückliche Umstände für einige Zeit im Altenheim landet. In weiterer Folge erzählt sie von den Erlebnissen und Begebenheiten, die sie dort macht, bzw. sich dort zutragen.

 

 

 

Kapitel 1

 

 

 

Heute war es nun soweit, ich stand an der Schwelle des städtischen Pflegeheimes. Bepackt mit ein paar Taschen, in denen sich meine nötigsten Habseligkeiten befanden. Neben mir meine Schwiegertochter Margot, mit der ich mich noch nie sehr gut verstand, gefolgt von meinem Sohn Fritz, der noch einen großen Koffer schleppte.

 

Als wir dieses Haus, das von außen schön mit Balkonblumen geschmückt war, betraten , bemerkte ich als erstes den Geruch, der den Eingangsbereich ausfüllte, es war eine Mischung aus Urin und frisch gebrühtem Kaffee. Mein Gehör war zwar nicht mehr das allerbeste, aber mein Geruchssinn funktionierte einwandfrei.... leider.

 

„Na herrlich, und hier soll ich die nächsten Monate verbringen“ murmelte ich. „Aber es sind doch nur ein paar Wochen“, entgegnete Margot, „du wirst sehen, die Zeit vergeht schneller, als du denkst“. Mein Sohn Fritz, der uns wie ein kleines Hündchen nachlief, sagte nichts.

 

„Während wir die letzten Formalitäten im Büro erledigen, kannst du es dir ja hier gemütlich machen“, sagte Margot und zeigte auf das braun gesprenkelte Sofa. Außerdem haben wir es schon sehr eilig, unser Flieger geht in 3 Stunden.“ Ich nahm auf der abgesessenen Couch, die rechts neben dem Büro stand, Platz und fühlte mich wie 86, obwohl ich doch erst 66 war.

Während ich eine leicht verstaubte Yukapalme betrachtete, hörte ich von irgendwo eine weibliche Stimme: „ Hallo, hallo, haaaaaaallo!“ „Mein Gott, die arme Frau muss ja noch schwerhöriger sein als ich, wenn sie so ins Telefon brüllt.“ Vorsichtshalber schaltete ich mein Hörgerät ab......wahrscheinlich hatte die Dame außerdem einen furchtbar schlechten Empfang, oder sie telefonierte mit Australien.

 

Ja, ja, Australien! Ich glaube, Fritz und Margot haben mir auch davon erzählt, als sie mir damals, am Ostersonntag, von ihren Weltreiseplänen berichteten. Mein Sohn Fritz ist Fotograf bei einem Reisemagazin und musste diese Reise auch beruflich nutzen. Außerdem wollten sie sich noch die ganze Welt anschauen, bevor sie Kinder bekamen. Dass ich nicht lache, Margot war nie der Typ für Kinder und ehrlich gesagt, konnte ich mir sie als Mutter auch nicht vorstellen. Sie liebt das bequeme Leben, und mein Sohn ist so dämlich und tut alles, was sie von ihm verlangt.

 

Zwei Monate, nachdem mir Margot und Fritz die Reisepläne offenbart hatten, begann die ganze Misere, weshalb ich jetzt in diesem so genannten Altersheim saß. Es war ein Tag wie jeder anderer auch, ich kochte mir gerade eine Suppe, als das Telefon klingelte. Es war meine Schwester Edeltraud, die aus der Schweiz anrief. „Grüezi Frieda, wie gohts dir denn? Wollt dir nur Bescheid geben, dass wir im Herbst wahrscheinlich zu dir kommen, odr.“

Das waren ja gute Nachrichten, ich hatte meine Schwester und ihren Mann das letzte Mal zu Weihnachten gesehen. Edeltraud und ihr Mann Urs betrieben ein kleines Seminarhotel, nahe Solothurn. „Im Oktober haben wir Betriebsurlaub und so können wir wieder nach Angenach kommen, odr.“ Ich freute mich wirklich, dann mit ihr wieder über alte Zeiten plauschen zu können. In diesem Moment sah ich, wie meine Suppe überkochte. Um noch zu retten, was noch zu retten war, hastete ich zum Herd. Das Handy, das mir Fritz zum letzten Geburtstag schenkte, fiel mir aus der Hand, und als ich den Topf zur Seite ziehen wollte, verbrannte ich mich so sehr, dass meine Suppe letztendlich am Boden landete. Ich ließ das ganze Malheur am Boden liegen, weil Edeltraud ja noch an der Strippe war.

 

„Frieda, Frieda, was ist denn los bei dir?“ Nachdem wir das Gespräch beendet hatten, holte ich mir einen Lappen aus der Besenkammer, um die Schweinerei in meiner Küche zu beseitigen.

 

Blöderweise rutschte ich so unglücklich auf der Suppe, die eigentlich für meinen Magen bestimmt war und nicht meinen Küchenboden überfluten sollte, aus und stürzte so unglücklich, dass ich dachte, mein Fuß wäre gebrochen.

Gleichzeitig klingelte es. Ich rappelte mich einigermaßen auf und humpelte zur Tür. Als ich sie öffnete, stand Herr Ulrich, unser Postbote, davor. Mit großen Augen sah er mich von oben bis unten an, denn mein dunkelblaues Strickkostüm war voller Suppe, die von meinem Kleidersaum zu Boden tropfte. Offenbar zog ich noch wie eine Weinbergschnecke eine Spur hinter mir her. Mit einer Hand stützte ich mich an der Kommode ab, mein Gesicht schmerzverzerrt, und die neue Dauerwelle sah sicher auch nicht mehr so aus wie noch heute morgen.

 

„Um Gottes Willen, was ist denn mit Ihnen passiert?“ fragte er mich erschrocken. Als ich ihm kurz die Sachlage schilderte, half mir Herr Ulrich ins Wohnzimmer, wo ich meinen Fuß hoch lagerte. Herr Ulrich rief sofort den Arzt, der dann auch binnen kurzer Zeit bei uns eintraf. „Der Fuß muss geröntgt werden. Ich rufe schon mal den Rettungswagen. In der Zwischenzeit kühlen Sie den geschwollenen Knöchel mit Eis,“ sagte der Arzt. Herr Ulrich tat wie ihm geheißen und kümmerte sich vorbildlich um mich.

Meine Nachbarn mussten heute eben länger auf ihre Post warten.

 

Im Krankenhaus wurde dann mein linker Fuß geröntgt. Zum Glück war nichts gebrochen, aber mein linker Knöchel war stark geprellt. Man verpasste mir einen Verband und verschrieb mir eine Salbe. Gerade als man mir ein Taxi für die Heimfahrt organisieren wollte, kam Margot um die Ecke gewetzt. „Du meine Güte, Mama, was machst du denn schon wieder für Sachen?“ Wie bitte? Schon wieder? Ich mache keine Sachen und sind wir uns mal ehrlich, ist Ihnen noch nie ein Missgeschick oder ein kleiner Unfall passiert? „Woher weißt du eigentlich, dass ich hier bin?“ fragte ich. „Herr Ulrich hat Fritz angerufen, er wollte ja selbst her kommen, aber er ist ja heute auf diesem Fotografenkongress, und so schnell kommt er dort nicht weg. „Na wenn du schon da bist, spare ich mir wenigstens das Geld fürs Taxi“, sagte ich. Margot schaute nur verächtlich und sagte nichts. Auf dem Heimweg zischte sie mich dann an: „Mama, so kann das nicht weiter gehen, wir können dich ja gar nicht alleine lassen, während wir auf Urlaub fahren. Du fackelst uns noch das ganze Haus ab.“ Ich hörte wohl nicht richtig! „Bin ich jetzt wegen eines kleinen Missgeschickes zum Pflegefall geworden?“ „Das hab ich ja nicht behauptet, aber du kannst von großem Glück reden, dass Herr Ulrich zufällig vorbei gekommen ist“. „So ein Blödsinn!“ sagte ich. „Einen Arzt hätte ich mir auch selber rufen können! Und was ich in meinem Haus mache, bleibt immer noch mir überlassen!“

 

Einige Tage später tauchten Margot und Fritz mit ein paar Prospekten in der Hand auf. Ein Folder mit der Überschrift Seniorenresidenz Bad Maibrunn wurde mir unter die Nase gehalten. „Schau mal, Mama, wäre das nichts für dich, während wir unterwegs sind?“ fragte Fritz. „Hier könntest du auch mal herrlich entspannen und es dir gut gehen lassen. Die bieten jede Menge an, das wäre doch wie ein Wellnessurlaub“, versuchte er, mir das schmackhaft zu machen, während er immer noch damit herumfuchtelte. „Ich seh es mir später mal an“, entgegnete ich ablehnend. „Seit Papas Tod bist du ja nur zu Hause gesessen und hast nie mehr richtig was unternommen“, sagte Fritz. Natürlich hatte mein Sohn recht, aber wer geht schon gerne alleine in die Oper oder macht alleine eine Kreuzfahrt. Sie sicherlich doch auch nicht!

 

Als die beiden gegangen waren, blätterte ich die insgesamt doch recht ansprechenden Prospekte durch. Die Fotos der gesamten Anlage machten einen nicht gerade bescheidenen Eindruck. Schwimmbad, Wellnessbereich, Kosmetik- und Friseursalon, Physiotherapie, Bibliothek, Cafehaus, eine gepflegte Parkanlage, alles vom Feinsten. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich schon bei einer wunderbaren Fangobehandlung mit anschließender Massage. Vielleicht war die Idee der beiden doch gar nicht so schlecht, und ich sollte mir wirklich einmal was gönnen. Die Veranstaltungsangebote ließen mir die Entscheidung dann leichter fallen. Konzertabende, Theateraufführungen, Lesungen, Diavorträge, Ausflüge.

Kurzentschlossen rief ich noch am selben Tag Fritz an, und er versprach mir, alles in die Wege zu leiten, um Mitte September meinen „Urlaub“ antreten zu können.

 

Eine Woche, bevor es dann soweit war, teilten mir Fritz und Margot mit, dass es mit der Seniorenresidenz Bad Maibrunn Probleme gab, es wäre plötzlich nichts mehr frei, aber sie haben auf die Schnelle eine Alternative für mich gefunden.

Das Städtische Altenheim bot Kurzzeitplätze an, und da wäre noch was frei gewesen. „Das kann doch nur ein schlechter Scherz sein“, sagte ich entrüstet. Ich vermutete sofort, dass Margot bei der ganzen Sache ihre Finger im Spiel hatte.

„Jetzt reg dich nicht so auf, Mama. Dort ist es bestimmt auch schön, etwas weniger Komfort vielleicht, aber du bist nicht die ganze Zeit alleine, denk doch daran, wenn dir wieder etwas passiert.“ „Was soll mir schon passieren? Ich hab die letzten Jahre alleine gelebt und kam damit sehr gut zurecht! Ich bin rüstig und gehöre längst noch nicht zum alten Eisen!“

 

Nach langer Diskussion ließ ich mich ein zweites Mal breitschlagen, womöglich wäre es doch besser, die kommenden Wochen nicht alleine zu verbringen.

 

Plötzlich kam ein junger Bursche mit einem Wagen, auf dem sich benutztes Geschirr befand, aus dem Aufzug. Der junge Mann mit ungekämmten Haaren und einer Hose, die ihm halb unters Hinterteil gerutscht ist, lächelte mich freundlich an. „Guten Taaaag.“ Bevor ich etwas erwidern konnte, war er schon um die Ecke verschwunden.

 

Gerade als ich mein Hörgerät wieder einschaltete, kamen Fritz, Margot und eine hübsche blonde Dame, Mitte dreißig, aus dem Büro. „So, Mama, für uns wird’s höchste Zeit. Wir wünschen dir einen schönen Aufenthalt, machs gut. Wir schreiben dir auch“, sagte Fritz und gab mir einen Kuss auf die Wange. Margot gab mir die Hand und wünschte mir auch alles Gute. „Komm schon, Fritzi, wir sind schon spät genug dran.“ Da waren die beiden auch schon bei der Tür hinaus. Die blonde Dame stellte sich als Carola Jakubek vor. „Ich bin hier für die Administration zuständig, für den Papierkram sozusagen“, erklärte sie mir langsam und mit sehr lauter Stimme. „Es ist nicht nötig, dass sie mich so anschreien, ich verstehe Sie sehr gut“, antwortete ich. „Schwester Gisela kommt Sie gleich abholen und bringt Sie in Ihr Zimmer.“ Noch immer in sehr lautem Tonfall.

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Zwalex

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Zwalex Re: ist ja nur der Anfang -
Zitat: (Original von Boris am 02.11.2009 - 19:26 Uhr) wie geht es weiter?

LG Boris


Hast mir mit deiner Frage eine große Freude gemacht! Es geht weiter, allerdings vorerst nur in meinem Kopf! Fortsetzung folgt.
Vor langer Zeit - Antworten
Boris ist ja nur der Anfang - wie geht es weiter?

LG Boris
Vor langer Zeit - Antworten
Ryu1 Sehr interessant - der Titel erinnert mich etwas an Udo Jürgens - und die Story etwas an Truck Stop: Alt und nur im Weg............
Tja, wer weiß, was geschieht, wenn wir in dem Alter sind.................??

LG
Ryu
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