Vom alten Jack, einer schaurigen Nacht und der toten Ehefrau
Das Tuckern des Motors schien, wie die Sicht auf der Straße, vom dichtem Nebel gefressen zu werden. In Krähenstadt herrschte nie eine hundertprozentige Sicht, aber am Abend des 31. Oktobers war es immer besonders schlimm. So auch an jenen Abend an dem Alfredo Burback zusammen mit seiner Geliebten Nadine Schmitz die Leiche seiner Frau verschwinden lassen wollte.
Nadine hatte ihr mit dem Rasiermesser ein zweites Lächeln in den Hals geschnitzt. Alfredo selbst hätte es wohl nie gewagt, sein nerviges Eheweib den Gar auszumachen. Doch Nadine hatte er schon so von sich infiziert, dass sie alles für ihn tat und auch vor Mord nicht zurück schreckte. Auf Mord stand in Krähenstadt die Todesstrafe, der Bürgermeister selbst vollzog sie. Nicht nur dass er zur jeder Wahl, die eigentlich gar keine Wahl war, denn es gab keinen Kontrahenten, überall sein Gesicht auf Plakaten hin hängte, nein, überall hingen die Mörder an Galgen, die ihm die Macht über das Volkes sicherten. Nadine schien sich aber selbst vom Tod nicht von ihrem Vorhaben abzuhalten und so schlachtete sie Alfredos Frau ab.
Alfredo war überrascht, als seine Geliebte plötzlich hinter dem Stuhl seiner Frau am Essenstisch auftauchte. Er musste sich erst noch daran gewöhnen, dass seine „Neue Traumfrau“ eine Hexe war. Keine besonders gute, aber das Auf- und und Abtauchen an verschieden Plätzen beherrschte sie mit Brillanz.
Kate hatte gerade einen Löffel mit Suppe in der rechten Hand und hielt Alfredo wieder eine ihrer berüchtigten Reden über seine Unfähigkeit, als wie aus dem Nichts eine kleine, schwarze Wolke entstand und Nadine hinter ihr erschien. Sie griff in das volle, blonde Haar seiner Frau, riss ihr den Kopf in den Nacken und schnitt ihr mit einer Rasierklinge die Kehle durch. Blut ergoss sich in einem Bach und klatschte in die ranzige Kartoffelsuppe. Kate röchelte noch und ihre Augen drehten sich wild, so als wollten sie die Angreiferin wenigstens einmal sehen. Alfredo war so erschrocken, dass er mit seinem Stuhl vom Tisch wegrutschte und einen quiekenden Laut von sich gab.
„Liebling, das war jetzt nicht sehr nett!“ meinte er, nachdem er sich beruhigt hatte und ihm der Anblick seiner toten Frau nicht mehr entsetzte.
„Ich konnte ihr Geschnatter nicht mehr ertragen!“ Nadine wischte die Klinge an ihrer Jeans ab. „Diese Frau hat nicht gewusst, was sie an dir hatte, mein Schatz!“
„Nun, das mag sein, dennoch war es nichts, mit dem du dich mit Ruhm bekleckert hast, Sweetheart.“ Alfredo Burback hätte uns in unserer Welt wahrscheinlich an Vincent Price erinnert, in Krähenstadt hatte er einfach nur etwas aristokratisches an sich und war leicht versnobt. Doch gerade das liebte Nadine an ihm.
„Liebster, wirklich, sie hat dich nicht geliebt.“
„An meinem Geld kann es aber auch nicht gelegen haben, wie du weißt, besitze ich keins.“
Nadine schaute ihn verwirrt an, dann schleifte sie den Leichnam ins Bad, wo sie ihn abwechselnd mit einem rostigen Fuchsschwanz zersägten.
Nun lagen ihre blutigen Überreste schön verpackt in einem Müllbeutel im Kofferraum des alten Oldsmobile, welches mit Hilfe seiner Scheinwerfer versuchte den dichten Nebel zu zerschneiden. Nebelfetzen zerrten wie kleine Geister an den Außenspiegeln und sprenkelten die Windschutzscheibe nass. Unheimlich. Irgendwo schrie ein Uhu und Alfredo lief ein Schauer über den Rücken. Halloween. An Hallowen sollte man niemanden töten. Man sollte generell niemanden töten, aber an Halloween war es der wohl ungeeignetste Abend. In der Nacht vor Allerheiligen würden die Toten durch die Straßen wandern, um auf das Fest der Toten zu gelangen. Und nun was war diese Frau im Kofferraum? Tot!
Die hintere Stoßstange hing auf der Straße und zerkratzte den feuchten Asphalt. Als würde ein überdimensionaler Fingernagel über eine Tafel schleifen. Alfredo blickte in den Rückspiegel, aber der Müllsack bewegte sich nicht. Noch nicht.
„Selbst im Tode stinkt dieses Miststück nach Scheiße!“ plärrte Nadine.
„Du hättest es nicht tun dürfen! Der Bürgermeister ...“
„Victor Kackstehde kann mich mal. Er ist gegen Scheidung. Er hätte unserem Glück nie eine Chance gegeben, selbst jetzt müssen wir aus Krähenstadt fliehen. Eine Hexe und ein verrückter Wissenschaftler bekommen niemals die Lizenz zum Heiraten. Ohne deine Frau sind wir besser dran.“
„Aber was, wenn er die Dämonen auf uns hetzt?“ Ein Zittern machte sich in seinen Armen breit, der Wagen schlingerte aus der Bahn.
„Pass auf!“
Vor ihnen war etwas schreckliches aus den Fetzen des Nebel aufgetaucht. Eine klapperdürre Gestalt, mit leuchtenden Augen in einem Kürbisgesicht. Alfredo riss das Steuer herum und trat auf die Bremse.
„Verdammt, der alte Jack!“ fluchte er.
Etwas schlurfte an das Oldsmobile heran und nach wenigen Minuten war der Kürbismann an der Türe angekommen und klopfte mit knochigen Fingern gegen das Fenster. Alfredo begann zu zittern. Hecktisch kurbelte er das Fenster herunter. „H-h-h-hallo Jack!“
„'Nabend Professor! Was machen Sie denn noch so spät auf der Straße?“
„W-w-w-wir h-h-hab-b-b-ben noch eine Lieferung für den Friedhof.“ Alfredo bibberte vor Angst.
„Wer is es denn?“ Die leuchtenden Augen starrte auf den Müllsack. Auf dem Dach des Oldsmobile ließ Jack das Blatt seiner Sense gleiten.
„Meine Frau!“
„Was is ihr denn passiert?“ fragte der Kürbis neugierig und hinterhältig.
„Sie ist in den Häcksler gefallen.“ erklärte Nadine schnell.
„'Nabend Nadine. Wie kommt' s denn dass du dabei warst?“
„Alfredo hat mich gerufen, weil ich mich ja mit schwarzer Magie auskenne und so. Kate wollte sich von ihm einfach nicht abhalten lassen Kürbiskompott zu produzieren. Und das auf Halloween. Du weißt ja wie diese Sterblichen sind. Uhh! Auf Halloween sind alle mit dem Fest beschäftigt, da kriegt' s ja keiner mit ...“
Jack kicherte böse. „Ja, aber nur wenn Mittwoch ist. Und da ist die Alte also in den Häcksler gerutscht? Und du hast nicht zufällig was damit zu tun gehabt?“
„Ich?“ Nadine lächelte ihn unschuldig an. „Glaubst du das? Nie!“
„Nun,“ Jack gackerte wie ein altes Huhn. „man sagt es käme euch beiden gelegen ...“
„Willst du damit sagen ich habe sie betrogen?“ empörte sich Alfredo.
„Nur mit Ihrer Arbeit Herr Professor! Ein Monster aus toten Supermodells zu erschaffen war schon ein genialer Schachzug ...“
„Britany?“ Alfredo schaute finster zu dem Kürbis auf. „Ja, die ist mir gut gelungen. Ich glaube sie ist heute auch auf dem Fest ...“
Jack zuckte zusammen. Sein Gesicht verzog sich für einen Moment so, als hätte Cupidus Pfeil ihn direkt ins Hirn getroffen. Nach einer Weile erschien ein dümmliches Grinsen auf seiner Fruchthaut und er schwang elegant seine Hüfte. „Nun, wenn das so ist Herr Professor, dann lass ich euch mal in Ruhe. Ich glaube ich werde heute mal das Tanzbein schwingen...“
Er verschwand im Nebel und der Dunkelheit. Man sah nur noch sein leuchtendes Grinsen und er murmelte: „Britany, Britany!“
„Uhh, das war knapp!“ schnappte Nadine.
„Knapp? Der ist um einiges schlimmer als Victor! Wenn er uns erwischt hätte, dann hätte er uns gespalten ...“
„Hat er aber nicht!“
Auf der Straße erschien eine Horde Zombies. Sie waren die verfluchten Seelen irgendwelcher ertrunkenen Piraten. Sie blickten mürrisch auf das Oldsmobile und murrten: „Für die Lebenden ist hier kein Platz!“
„Fahr schon!“ forderte Nadine.
„Ohh!“ rief einer der toten Seeleute aus. „Nadine? Bist du das?“
„Ja Hector“
„Kommst du auch noch zur Party?“ Sabber lief an seinem Mundwinkel herunter.
„Nein!“
„Schade! Du Nadine, ich hab immer noch die Kopie aus dem Kopierer!“
„Rahm sie dir, Hector! Ich war betrunken. Das is wie die Sache mit den Weihnachtfeiern.“ Nadine starrte Alfredo entnervt an. „Fahr schon!“
Alfredo drückte das Gaspedal durch und der Wagen bohrte sich wieder in die Nebelwand. Als sie den Friedhof erreichten, begannen sich die Körperteile Kates zu regen.
„Ich glaube sie erwacht!“ Ehrfurcht klang in der Stimme des Mannes mit.
„Dann sollten wir uns beeilen!“
Sie stiegen aus, Alfredo öffnete den Kofferraum und schnappte sich den Kunststoffsack mit den Leichenteilen. Die beiden stapften durch die Milchsuppe zum Totenacker, als ein schwarzer Schatten aus den Schleiern auftauchte.
„Ahh...Nadine! Guten Abend meine Schöne. Sag mir doch schnell, wie sehe ich aus?“
„Wie ein Blödian Charles, wie ein Blödian!“
Das Gesicht des Vampirs verzog sich säuerlich. *~*
„Das ist keine produktive Hilfe meine Liebe! Ich habe kein Spiegelbild und die Mädels auf der Party lachen immer über mich.“
„Ich glaube nicht, dass das mit deinem Aussehen zu tun hat.“ meinte Alfredo gereizt.
„Professor! Was machen sie so spät noch draußen? Als Lebender und nicht paranormales Wesen sollten Sie zuhause bei Ihrer Frau sein. Moment mal! Ihr zwei wollt euch auf Halloween auf dem Friedhof körperlich vereinigen … Widerlich! Mischbeziehungen sind das Letzte!“
„Charles du bist doch nur neidisch, weil das Einzige spitze an dir deine Zähne sind. Was nützt dir die erotische Ausstrahlung, wenn du keinen Pimmel in der Hose hast?“ Nadine funkelte ihn böse an.
„Bah! Wie vulgär! Der Pornoprofessor und die Sexhexe treiben es auf dem Totenacker. Ihr widert mich an!“ sprach es und verschwand in der Dunkelheit.
„Ich werde auch tanzen gehen!“ drang Kates Stimme aus dem Müllsack.
„Nicht in diesem Jahr Bitch!“ schnaufte die Hexe. Sie griff nach einem Spaten, der gegen ein Holzkreuz gelehnt war und schlug auf den Sack ein.
„Das tut weh du Schlampe!“ kreischte Kate.
„Na das hoff ' ich doch!“
Alfredo und Nadine machten sich daran ein Loch auszuheben.
„Es soll ja Leute geben, die durch ein selbst gegrabenes Loch in eine andere Dimension fallen...“ meinte Alfredo nachdenklich.
„Grab! Ich will sie verscharren und dann diese Scheißstadt verlassen. Hier wird’s nie richtig dunkel und nie richtig hell! Und dann immer diese Krähen und Raben!“
Als das Loch tief genug war, schüttelten sie die zersägte Frau aus den Sack und sie klatschte blutend hinein.
Der Kopf fiel so, dass die Augen sie direkt ansahen. „Na toll! Könnt ihr mir verraten wie ich so zum Tanzen gehen soll? Komm schon Al näh' mich wenigsten zusammen.“
„Schweig endlich du verdammtes Weib!“ kreischte Alfredo Burback. „Ich hätte dich töten sollen! Nicht Nadine! Ich! Dann hätte ich es nicht heute getan! Du ...“
„Ahha!“ machte der alte Jack und trat hinter einer Tanne hervor. „Dachte ich es mir doch!“
„Jack!“ Alfredo fuhr der Schreck in die Knochen. „Ich … Ich ...“
„Professor, Sie wissen doch welche Strafe auf Mord steht. Vor allem heute kann ich Sie nicht laufen lassen.“
Jacks Sense fuhr von der rechten Schulter des Mannes bis hinunter zu seinem Gesäß und zerteilte ihn wie ein Blitz ein Stück Butter. Blut verteilte sich auf der Ruhestätte und Gedärm schoss davon. Der gellende Schrei des Professors war alles was noch an seinem Leben erinnerte. Zertrennt fiel er auf die nasse Erde, neben dem Grab seiner Frau.
Der alte Jack, Hüter über die Toten und Geister schaute Nadine blutrünstig an.
„Hör zu Jack. Tu mir nichts!“
„Der Kürbis blickte sie bitterböse an. „Das kommt darauf an …“
„Worauf?“ fragte Nadine.
„Ob du heute Abend mit mir tanzt?“
„Wenn' s weiter nichts ist? Klar! Gehen wir!“
Sie verschwanden.
„Setzt du dich auch wieder auf den Kopierer?“
„Aus der Nummer komm ich wohl nicht mehr raus!“
Als der Motor des Oldsmobile in der Ferne immer leiser wurde kam Professor Alfredo Burback wieder zu sich. Er war tot, doch es war Halloween und so wollten die Toten auf einer Party den Lebenden gleich tanzen. Doch der Professor lag in zwei Teilen da und konnte weder aufstehen, geschweige denn jemals auf den Ball der Untoten gehen. Neben ihm rührten sich die blutigen Körperteile seiner Frau.
„Na das hast du ja wieder toll hin gekriegt mein Lieber. Wieso musst du mich zerstückeln? So kann ich doch nie auf den Ball. Ich werde auf Ewig in diesem Dreckloch liegen und davon träumen wie es wäre, Ballkönigin zu werden. Jedes Jahr werde ich zu mir kommen und nicht gehen können ich werde die Ewigkeit damit verbringen mit dir Idioten hier zu liegen und zu reden, während andere Spaß haben. Und dann kriegst du es nicht einmal hin mich selbst umzubringen! Du Versager! Eine verfluchte Hexe! Eine Hexe! Das mit deinem Monster war schon widerlich, aber eine Hexe? Das ist ekelhaft! Dein Onkel, ja der konnte Monster erschaffen, ich hätte ihn heiraten sollen. Du kannst überhaupt nichts ...“