Beschreibung
veröffentlicht in art of mystery Band 4 der art of books collection
Sinnestäuschung
Nachdem sich nun bei mir die Liebe als Sinnestäuschung herauskristallisierte, weil das Gefühl nur einseitig bestand und zwar von meiner Sichtweise, bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass der Weg der Liebe, nicht meine Bestimmung ist. Wie eine Geistesgestörte bin ich hinter dem Gefühl geliebt zu werden gejagt, um es für einige Nanosekunden zu erahnen, jedoch um es sofort wieder von mir wegzustoßen.
Gefühle sind nichts weiter als Visionen von Nichtvorhandenen, die uns unser Leben versüßen sollen oder es zu vergraulen. Und zwar mit dem schrecklichsten Getöse oder dem lieblichsten Gesang. Ein Theaterstück, bei dem sich die Schauspieler je nach Vision an seidenen Fäden führen lassen und somit zu willenlosen Kreaturen werden. Sie sehen verzückt durch ihre rosaroten Brillen und schweben auf himmelblauen Wolken davon eine gewisse Zeit lang so lange, bis sie genug von der Phantasiewelt haben und sich in die Tiefe stürzen, aus Langeweile, auf zu neuen Taten und dem Gegenteil des Erlebten. Und wieder sind es Gefühle, die sich maskieren, um den allergrößten Schmerz, die Trauer und die Hoffnungslosigkeit zu erschaffen, damit es den Kreaturen nicht langweilig wird. Die Achterbahn der Phantasie macht es möglich, sich elend wie ein Hund zu fühlen oder selig wie eine Königin. Gefühl, Glücksgefühl oder Todestrauer, eine Ansichtssache des Betrachters und der Perspektive des Erlebenden. Wie weit er sich von einem Gefühlsrausch einlullen lässt, kommt immer auf die Umstände des Lebendigen an und ist individuell geprägt.
Gefühle was sind das? Chemische Prozesse, die im Gehirn einen Nervenimpuls geben, der wiederum der Auslöser zu sein scheint, alles andere hervorrufen zu können? So flexibel und rasant, dass man von himmelhoch jauchzend, zu todebetrübt erleben kann, sofern es derjenige als Gefühl annimmt und darin lebt. Also ist Gefühl einfach eine Manipulation von Verbindungen, die etwas vortäuscht, das gar nicht reell ist. Manipulation ist der Gegenpol von Relation. Bedauerlicherweise kommen Kreaturen ohne jegliche Manipulation in der Realität nicht klar, deshalb phantasieren sie sich ihre Hirngespinste so, dass es für das jeweilige Individuum passend erscheint. Man baut sich Luftschlösser, Träume, Filme, Bücher, Berieselung, benebelt sich mit Drogen, Alkohol oder Tabak, allein um der Langeweile zu entfliehen. Man schafft sich Arbeit, Kinder, noch mehr Arbeit wozu? um sich wiederum abzulenken, von der öden Leere, die sonst da wäre.
Fast alle Individuen entschließen sich sogar freiwillig, dem Leid und Schmerz hinzugeben, der eine Beziehung zu einem anderen mitbringt. Ja und sie sind im festen Glauben, dass dieses Gefühl des chemischen Prozesses schön ist und ihnen auf Dauer die Langeweile nimmt. Aber was soll an diesem Aberwitz denn wundervoll sein, der Kreaturen dazu bringt, sich selbst aufzugeben, sich demütigen zu lassen oder sich körperlichen Schmerz zuzufügen? Klar, die Langeweile, denn man bürdet sich ja nur so viel auf, wie man als Last zu tragen glaubt. Manche sind schon an ihrem Irrglauben zugrunde gegangen, als Irre in der noch öderen Langeweile gelandet, weil sie vergessen haben, dass alles nur fiktive Phantasie ist. „Selbstzerstörerisches Mordinstrument“, scheint ein passend gewählter Begriff, für das gejubelte Wort Liebe zu sein.
Was sollte man also tun, um nicht in diesen Kreislauf der Langeweile zu geraten, der mit seinen Sog vom ersten Atemzug an liebäugelt, um uns irgendwann in seinem Bann gänzlich zu verschlingen?
Willenskraft entwickeln und den Mut zum Neinsagen und tun und lassen, was man individuell möchte, wäre hier meine Alternative…
Doch wer fragt schon nach meiner Meinung, ich entsetzlich kleiner Wurm, der sein Leben lang verstrickt war in der Fiktion, gelitten hat bis zur Erschöpfung, nun als Beobachter auftritt, um alles was bisher da war, über den Haufen zu schmeißen? Diese Überlegung sollte sich jeder selbst stellen und entscheiden, ob er lieber in der phantasievollen Manipulation oder der langweiligen Realität leben will.
Eins ist jedoch gewiss, dass ich, der ich vom Planeten EDRE, auf diesen übergewechselt habe, einen neutralen Einblick in die Dinge geben wollte und einen Impuls setzen möchte, der euch hochschrecken lässt, von euerer wundervollen Hässlichkeit und eurem, ach so erfülltem Gefühlschaos. Was ist meine Bestimmung, wird sich der eine oder andere nun fragen? Ein Aufräumen der Gesamtsituation in einer kaputten, selbstzerstörerischen Welt? Vielleicht… Oder aber ein Weiterexistieren in der Realität, bei denen mir wache, intelligente Denkweisen folgen, um die Langeweile auszurotten? Vielleicht…
Ähhm... - es könnte auch sein, dass ich kurz bevor mich die Öde auffrisst, einen kleinen Abschiedsgruss hinterlassen will, der ein Aufhorchen bewirkt, bevor ich mich zurückziehe.
Wohin? Natürlich zu meinem Planeten EDRE, der Realität an sich, der mir Querdenker und Analytiker, in höchstem Maße der Emotionslosigkeit bietet. Hier werde ich, weil ich von euch müde geworden bin, den exzentrischen Rest meiner Existenz verbringen. Und mal sehen, was ich von dort aus beobachte, vielleicht ergibt sich die eine oder andere Gelegenheit, mich wieder in euere Phantasie hinein zu interpretieren, um in einem oder allen von euch das zu erfahren, wonach ihr lechzt…
Ich bin es, das Anorganische, das Nichts, das in euch das widerspiegelt, was ihr glaubt, eure Gefühle zu sein. Gönnt mir den Spaß, den ihr mir bereitet und freut euch, dass ich euch die öde Wüste etwas fülle mit Sinnestäuschungen der Phantasie. Gebt mir ein Zeichen, wer von euch bereit ist, mich zu beherbergen, denn ich bin der Meister der Maskerade.
Selbst Du erkennst mich nicht und hast mich nicht erkannt, obwohl ich schon lange in Dir lauere…
Silvia J.B. Bartl