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Herbsturlaub – wie ich ihn liebe ....
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Hach, der Wanderurlaub in den Bergen – liebgewonnenes Herbstritual meiner Familie – stand ins Haus. Wenige Tage vorher hatte er allerdings noch ganz woanders gestanden, nämlich in den Sternen. Die Benzinpumpe unseres Wagens, gerade mal zwei Jahre alt (plus fünf Wochen, versteht sich, und damit knapp aus der Gewährleistungsfrist heraus ...) hatte den Geist aufgegeben. Also ab in die KFZ-Werkstatt, einen herzigen Augenaufschlag in Richtung Meister geschickt und – hurra – am Abend vor dem geplanten Reiseantritt stand unser Auto wieder in der Garage – funktionstüchtig.
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Nach bewährter Manier wurden Koffer, Taschen, Wanderstiefel und -stöcke, Goretex-Jacken, der noch vom letzten Jahr mit Mütze, Schal und Handschuhen bestückte Rucksack und hundertzweiunddreißig unverzichtbare Kleinigkeiten im Kofferraum verstaut. Zeit, von Sommerpuschen auf Winterreifen zu wechseln, hatten wir natürlich nicht mehr, was aber angesichts der herrschenden Großwetterlage von föhnigen 20 Grad Wärme auch nicht wirklich ein Problem sein sollte. Und eigentlich waren wohl auch Schal und Handschuhe überflüssiger Ballast, aber – wie pflegte meine Großmutter immer zu sagen - „Nimm man mit, frisst ja kein Brot!“
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Entspannt döste ich auf dem Beifahrersitz vor mich hin. Sonnenstrahlen, die sich durch frühmorgendliche Nebelbänke kämpften, dunkelgrüne Tannenspitzen, die über dem milchigen Weiß zu schweben schienen, und die Konturen sanfter Hügel, die sich aus dem Dunst herausschälten, beflügelten meine Fantasie. Die ganze Landschaft glich einem Gemälde von Caspar David Friedrich. Meine Muse, bis eben noch schlaftrunken in irgendeiner hinteren Ecke meines Hirnes vor sich hindümpelnd, gähnte herzhaft und räkelte sich voller Vorfreude. Die Bäume rechts und links huschten vorbei und das Auto rollte leise über den Asphalt. Rollte? Leise?
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„Scheiße“, fluchte der Mann an meiner linken Seite laut. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Wenn einem Waage-Menschen diese Fäkalie gleich vierfach verbal entfährt, dann sicherlich nicht grundlos.
„Der Motor bekommt kein Gas mehr. Ich – bring – ihn – um ...“ Herr K., unser sonst so zuverlässig arbeitender KFZ-Mechaniker, tat mir jetzt schon leid. Glück im Unglück: Hinter Fulda ist die Autobahn leicht abschüssig und keine 300 Meter weiter hatten der liebe Gott und das Straßenbauamt einen Parkplatz vorgesehen, den wir rollend erreichten.
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Nun denn, um hier mal ein wohltönendes Loblied auf die gelben Engel anzustimmen: Keine fünf Minuten nach unserem Anruf parkte Herr Sch. seine rollende Analysestation vor unserem defekten Wagen.
Benzinpumpe? Jo!
„Erst mal durchmessen, ob dort überhaupt Strom ankommt. Kann ich mal an den Kofferraum?“
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Erwähnte ich schon die 132 unverzichtbaren Kleinigkeiten, die ...? Oh, Freude. Drei Mann, drei Ecken – und in Nullkommanix glich der Innenraum unseres Pkw einem Grabbeltisch im Schlussverkauf, Warensortiment: Wanderbedarf, Reiseutensilien und überflüssiger Firlefanz.
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Herr Sch. war ein Meister seines Fachs, der eigentlich einen Doktortitel verdient hätte. Er stellte nicht nur die richtige Diagnose, er operierte auch äußerst umsichtig und kurierte unsere stromlose Benzinpumpe mittels Bypass, so dass wir zumindest unsere Fahrt fortsetzen konnten, nunmehr aber ständig mit Licht fahren mussten. Wer weitere technische Details wissen will, kann mich gerne fragen ...
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Die Ferienwohnung entsprach unseren Vorstellungen, was angesichts des Preises auch zu erwarten gewesen war. Gut, dass eines der Fenster uns die zauberhafte Aussicht auf die Müllstation der Ferienanlage bot und der Blick auf die in der Ferne grüßenden Alpengipfel nur mit langem Hals um die Balkontrennwand herum möglich war – Peanuts. Auch dass Bärwurz und Rotwein nicht eben ein zweckmäßiges Getränkegespann bilden, wenn man am nächsten Morgen eine mehrstündige Wanderung antreten will ... nun ja, ein zu vernachlässigendes Detail aus der Rubrik „selbst Schuld“. Mein Mann hatte mich ja gewarnt: In Bayern trinkt man Bier. Prost.
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Als langjährig erfahrene Urlaubskofferpackerin weiß ich natürlich, was in einer guten Reiseapotheke nicht fehlen darf: Fiebertropfen (braucht man nie, aber wehe, man hat sie nicht dabei), Magenbitter (Schweinshaxe und Knödel – nicht unbedingt die Idealfüllung für norddeutsche Mägen), Anti-Pickel-Creme (Mama, guck mal, ist der morgen wieder weg?) und natürlich Aspirin. Gut, ich gebe zu, letzteres für den Eigenbedarf. Dafür reicht dann aber auch eine pro Urlaub, frau ist ja lernfähig. Dass auch das Blasenpflaster zum Einsatz kommen würde, war angesichts einer fünfstündigen Berg- und Tal-, meist aber Bergwanderung nicht weiter verwunderlich, trotz gut eingelaufener Stiefel und dem mit gerümpfter Nase pingeligst befolgten Rat eines professionellen Wandervogels, die ganze Woche lang die selben Socken zu tragen.
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Das alles wog aber nicht so schwer wie die Tatsache, dass das T-Shirt, in dem wir gestern noch rund um den See gelustwandelt waren, nunmehr nur noch als unterste Schicht eines Zwiebellooks dienen konnte. Darüber sorgten Fleece und Goretex dafür, dass uns trotz des Temperatursturzes um gefühlte 15 Grad und einsetzenden Dauer-Nieselregens der Allerwerteste nicht abfror.
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Jepp ... Der vorsichtige Blick aus dem Fenster bescherte uns am Tag darauf wieder herrlich blauen Himmel und – 10 cm Neuschnee. Hatte ich Schal und Handschule belächelt? Tue ich nie wieder. Versprochen.
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Ach, sagte ich schon, dass ich im Verlauf der Woche meine gelbe Bluse mit Rotwein übergossen, die Hose eines Bekannten auf ihre wasser- bzw. bierabweisenden Eigenschaften überprüft und uns außerdem ein Anruf meiner Mutter erreicht hatte, dass sie sich in ein Krankenhaus begeben musste? Nein? Ein Urlaub so richtig nach meinem Geschmack.
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Morgen geht es nach Hause, vorausgesetzt, die weißen Flocken, die gerade so sanft vom Himmel schweben, entscheiden sich nicht noch spontan, sich miteinander und somit gegen uns zu verbünden. Ihr wisst schon: Sommerpuschen ...
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Sollte ich mich also in den nächsten Tagen nicht bei euch melden, stehen wir entweder winterbedingt noch im Stau auf der Autobahn oder aber ich habe wegen der Schneeverwehungen die verdammte Tür dieses Internetcafés nicht wieder aufbeko... Mist.