Seitdem du gegangen bist
(für Bia)
14.10.2009
Gefühllos knallte der Bleistift auf das leere Blatt Papier. Sie rieb sich ihre vor Müdigkeit verquollenen Augen und stöhnte dabei laut auf.
Seit Tagen hatte sie stundenlang hier gesessen, einen Kaffee nach dem anderen bestellt und soviel geraucht, dass die Kellnerin mehrmals am Tag den von Zigaretten überfüllten Aschenbecher leeren musste.
Es wollte ihr einfach nicht gelingen ein paar anständige Sätze zu einem Text, einer Geschichte oder wenigstens einem Gedicht zusammenzufassen.
Gerade jetzt, wo ihr nicht nur die Agenturen im Nacken saßen, sondern auch Ihr gesamtes Ersparnis für harte Zeiten sich dem Ende neigte.
Jetzt, zu einer Zeit, in der die Worte im Kopf kreisten, wie hunderte von Wespen, die ihr Nest am liebsten zugleich verlassen würden; in der sie nichts lieber täte, als diese Gedanken nieder zu schreiben. Um sie zu sortieren, zu verarbeiten, vielleicht auch ein wenig um sie weg zu schieben, aber hauptsächlich um sie zu wahren.
Nie wollte sie diese Wochen aus ihrem Gedächnis streichen, diese Erlebnisse, Gedanken, Gefühle; am liebsten würde sie jeden kleinen Tag, jede Sekunde notieren damit auch das winzigste Detail nicht in Vergessenheit gerät.
Aber vor sich sah sie nur dieses leere Blatt und daneben unzählige weitere bekritzelte, oder mit verworfenen Gedanken und Anfängen beschriebene Stapel Papier.
Als sie wieder nach oben blickte, bemerkte sie, dass der Knall, den der Bleistift verursachte die Aufmerksamkeit der Leute an den Nebentischen erregt hatte.
Entschuldigend und leicht verlegen sah sie in die fremden Gesichter, die das traurige Bild der jungen Frau entweder mitleidig oder spottend begutachteten.
Sie bemerkte, dass sie die Fläche der Tischeplatte vollkommen in Beschlag nahm und ihn dadurch wirken lies, wie einen der Schreibtische der zerstreuten Professoren aus den Kinderserien.
In diesem Lokal, indem sich neben turtelnden Pärchen ein vorrangig heiteres Publikum befand, schien ihre Anwesenheit beinahe ironisch.
Jämmerlich fühlte sie sich, wie sie, verlassen wie eine alte Jungfer, inmitten dieser Menschen versuchte das Chaos in ihrem Leben zu sortieren.
Dennoch war dies der einzige Platz, an dem sie jetzt sein wollte.
Mit einer leicht rötlichen Färbung im Gesicht kramte sie ungeschickt die losen Blätter zusammen, trank einen großen Schluck aus ihrer Kaffeetasse, nahm den Bleistift wieder in die Hand und tat, als ob sie wichtige Gedanken notieren müsse.
Unscheinbar und so unauffällig wie möglich wollte sie einfach in der Fülle des Lokals untergehen.
Es war ein nettes kleines Café in der Innenstadt.
Den zentralen Punkt bildete der große runde Tresen im Herzen des Raumes. Um ihn befanden sich mehrere kleine Tische, an denen jeweils circa drei bis vier Personen Platz hatten. Die großen Tische befanden sich an den Seiten. Alles war in dunklem Holz gehalten, das dem Café ein gemütliches Ambiente gab. Doch durch die großen Fenster, durch die man beinahe von jedem Platz aus die Passanten auf der Straße beobachten konnte, kam genug Licht um den Raum nicht erdrückend wirken zu lassen. An den hohen Wänden hingen einige Bilder mit kleinen Preisen daneben, alle von jungen Künstlern, die sich dadurch die große Chance erhofften oder sich wenigstens ein paar Mark dazu verdienen wollten.
Alles in allem ergab es eine gemütliche, einladende Atmosphäre.
Sie selbst saß immer am Fenster, an einem der großen Tische, um Platz für ihre Ideen zu haben und möglichst etwas abseits von den Anderen zu sein.
Früher wäre ihr diese Lokalität nicht aufgefallen, nie zuvor war sie hier drin. Umso wohler fühlte sie sich jetzt, denn dieses Café trug keine Geschichten ihrer verflossenen Tage in sich.
Es ist verrückt, wie schnell eine Stadt, die noch bis vor drei Monaten allein die ihrige war sich füllte mit Erlebnissen, Erinnerungen an ein Leben das sie so vorher nicht erlebt hatte, Erinnerungen an ein mögliches Leben zu zweit.
Was war passiert?
So ganz wusste sie es auch nicht. War sie nicht bis vor zwei Wochen einer der glücklichsten Menschen, die diese Stadt, ja vielleicht sogar das ganze Land bewohnten?
Vielleicht war es ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht gänzlich bewusst, aber hatte sie nicht das, was sie wollte? Eine Antwort auf ihre Fragen? Nie hätte sie dies zugegeben, doch nun stellt sie sich die Frage, ob es besser gewesen wäre, wenn sie es getan hätte.
Überhaupt stellte sie sich momentan viele Fragen, solche, die es ihr scheinbar unmöglich machten einen vernünftigen Satz zu Papier zu bringen.
Ein leichter Windhauch zog ihren Hals entlang, es fühlte sich beinahe so an, als wäre sie gefunden worden, als würde sie es noch einmal erleben dürfen, die Süße eines überraschenden Begrüßungskusses in ihrem Nacken. Doch als sie den Kopf zur Seite drehte, musste sie feststellen, dass sie noch immer allein hier saß.
Welch wunderbare Gedanken hätte sie nur niederschreiben können, wenn sie vor ein paar Wochen einen Stift zur Hand genommen hätte.
Welch farbenfrohe Welten hätte sie erschaffen, voller Zauber und Wunder; euphorisiert vom süßen Rausch der Zweisamkeit?
Gewusst hatte sie, was geschah, gelebt jeden winzigen Augenblick, genossen mit jeder Zelle ihres Körpers. Aber gesagt, gezeigt hatte sie es nie.
In dem Moment, in dem sie das erste mal diese Hand auf ihrem Körper spürte durchzog sie ein Blitz, wie sie ihn nie zuvor erlebte. Leben und Tod waren ihr in dieser Sekunde einerlei geworden.
Doch auch dies hatte sie nie ausgesprochen. Bitter und süß zugleich war der Schmerz, den sie nun bei der Erinnerung an das erst kürzlich Geschehene empfand.
Den ersten verlegenen Kuss, die Erlösung des Momentes, die erste Nacht, die zweite.....all dies trug sie wie kleine schmerzende Kostbarkeiten in sich. Genau dies wollte sie zu Papier bringen, doch die Worte verstummten mit der Frage, warum, was so wundervoll begann, so plötzlich zu Ende war.
Hätte sie all das, was sie sah zeigen sollen? Einen Teil, einen winzigen nur, von dem, was sie empfand?
Vielleicht hatte man festgestellt, dass man sie wirklich nicht wollte und war deswegen gegangen, vielleicht hatte man auch nur Angst; sie wusste es nicht.
Nur in einem Punkt war sie sich sicher; sie hatte diese Augen gesehen. Die Augen, die der Schlüssel zu Seele sind.
Ruhig, bedächtig hatte sie sich umgeschaut, hatte so vieles gesehen, in der Seele des Menschen, den sie Anfangs für sich ablehnte.
Ein Mensch, der so hart hatte kämpfen müssen um an ihr Innerstes zu gelangen.
Jemand, nach dem sie sich jetzt mehr verzehrte, als je zuvor.
Jemand, der ging, in dem Moment, als er alles hätte haben können.
„Entschuldigen Sie bitte.“ die Stimme der jungen Kellnerin riss sie plötzlich aus ihren Gedanken, „Wir schließen jetzt.“, lächelte die Frau mitleidig.
Verwundert schaute sie aus einem der großen Fenster. Die Passanten waren verschwunden und die Sonnenstrahlen dem seichten Schein des Mondlichtes gewichen.
Sie hatte nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war, während sie wieder einmal in Erinnerungen schwelgte. Das leere Blatt vor ihr schien sie mittlerweile verächtlich zu verspotten.
„Ähm. Ja, natürlich, Entschuldigung.“ wieder verlegen packte sie hastig ihre Sachen zusammen, nahm noch einen großen Schluck aus der Tasse mit dem inzwischen kalten Kaffee und ging zu Tür heraus in die Dunkelheit der Straße. Allein.
Ryu1 Sorry - für die kleine Bewertung. Aber so ganz verstehe ich deine Geschichte nicht........... Dein Schreibstil ist zwar fesselnd, aber der Sinn kommt einem nicht nahe. Auch das Ende ist etwas schwach. Ist nicht böse gemeint, ich selbst habe auch noch einiges zu lernen. Liebe Grüße aus Japan Ryu |