Beschreibung
Als ich Kind war, wurde ich mit einem unheilbarem Virus infiziert -
dem Pferdevirus...
Die erste Begegnung
Mein Leben mit Pferden – Pferde, mein Leben
1.Kapitel
Die erste Begegnung
Meine erste Begegnung mit Pferden hatte ich in ganz frühen Kindertagen,
ich war damals etwa sieben Jahre alt… Mein Vater, meine Schwester und ich waren auf der Schwäbischen Alb unterwegs in Richtung Hofgut Güterstein, einer Außenstelle des Haupt – und Landgestüts Marbach an der Lauter.
Wir gingen eine lange Allee mit uraltem Baumbestand entlang - es war ein wunderschönes Landschaftsbild. Links und rechts säumten Koppelzäune den Weg und auf den Wiesen grasten die Jungpferde. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl, als ich die Tiere sah, sie kamen mir unendlich vertraut vor und ich hatte keinerlei Berührungsängste und die Pferde auch nicht. Sie kamen neugierig, wie eben auch Pferdekinder sind, an den Zaun, schnupperten ganz zart an mir und tauchten dann in die streichelnden Hände. Dieser Sanftmut und diese unendliche Tiefe ihrer Augen, in denen man sich verlieren kann und doch bis in die Seele der Geschöpfe schauen kann, sind einfach unbeschreiblich. Dann dieses vorwitzige Maul, reich mit langen Tasthaaren ausgestattet, immer auf der Suche nach etwas Interessantem, ja sogar vielleicht einem Leckerle oder gar einer saftigen Möhre… Dem Charme dieser einzigartigen Geschöpfe war ich hoffnungslos erlegen. Ich erkrankte ernsthaft an dem „Pferdevirus“, der mich mein Leben lang begleiten sollte…
Wunschtraum Reiten lernen - ein langer Weg
2. Kapitel
Wunschtraum
Reiten lernen – ein langer Weg
Nun, da ich jetzt gründlich mit dem Pferdevirus „infiziert“ war, hegte ich natürlich auch den Wunsch, Reiten zu lernen. Mit diesem Wunsch unterschied ich mich eigentlich nicht groß von anderen kleinen Mädchen – auf den ersten Blick…
Meine Eltern hatten zahlreiche Gründe und Bedenken, warum sie mir diesen Wunsch eigentlich nicht erfüllen wollten, nicht zuletzt zählte das Argument der hohen Kosten, den dieser Sport mit sich bringen würde und da wir drei Kinder zuhause waren, musste ich einsehen, dass sie damit Recht hatten, da die Anderen ja keine solchen Hobbys für sich hatten.
Aber sie haben mich, meine Willenskraft und Hartnäckigkeit unterschätzt…
Eine gute Freundin meiner Mutter erzählte immer von deren Bekannten, wo die Kinder Tennis spielten und auch zum Reiten gingen. Meine Mutter fand das alles auch prima – und genau da hab ich sie dann erwischt. Als ich wieder einmal vergeblich gebeten und gebettelt hatte, mich es doch wenigstens mal versuchen zu lassen- ich war inzwischen elf Jahre alt - und wieder ein Nein kam, da habe ich dann gesagt: „Wieso denn nicht, die Kinder Deiner Freundinnen dürfen das doch auch und da sagst Du nichts davon, dass Du den Sport zu gefährlich und zu teuer findest, im Gegenteil, Du findest das sogar toll.“
Bumm, das saß… Meine Mutter schaute mich lange an und sagte dann, sie würde mal mit Papa reden. Er war ja auch so nett und hatte uns des Öfteren sonntags mal Ponyreiten lassen, aber für einen Eintritt in einen Reitverein war er bislang auch nicht zu begeistern gewesen. Ich war überglücklich, denn ich wusste, die erste Hürde war genommen.
Wir fuhren also eines Tages zum Reitstall, der einen Ort weiter von unserem Wohnort entfernt lag und stiegen aus. Aus den offenen Fenstern des Stallgebäudes schauten lauter neugierige Pferdeköpfe heraus. Ich streichelte sie, als wir an ihnen vorbeigingen um in den Stallungen nach dem Reitlehrer zu suchen. Wir fanden ihn dann auch schließlich – einen kleinen, untersetzen Mann mit dunkler Brille und Schnurrbart und Glatze, eine Respektperson ersten Ranges… Meine Eltern unterhielten sich eine Weile mit ihm und dann hieß es, Pferd putzen.
Ich begriff erst gar nicht, was man von mir wollte, denn ich hatte nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass es gleich zur Sache ging. Ich konnte mein Glück kaum fassen und ließ mir zeigen, wie man ein Pferd ordentlich striegelt, bürstet und ihm die Hufe auskratzt.
Dann wurde gesattelt und es ging in die Reithalle. Ich führte mein Pferd, einen großen dunkelbraunen Wallach Namens Flieder, durch die dunkle, leicht feuchte Lohe bis zur Hallenmitte.
Dann nahm der Reitlehrer - Herr Ruoff, hieß er – mich an die Longeund schaute sich an, wie ich mich anstellte auf dem Pferd und wieweit ich den Bewegungen schon folgen und mitgehen konnte. Er war anscheinend nicht unzufrieden, denn ich durfte später sogar traben und galoppieren. Beim zweiten Trab hieß es denn auf einmal: Bügel überschlagen. Das hieß, die Steigbügelriemen mitsamt den Bügeln vorne vor dem Sattel über den Pferdehals zu legen. Nun wurde ich erstmal ordentlich geschüttelt, bis ich begriff, die Knie anliegen zu lassen, die Beine zu strecken und mit der Hüfte den Bewegungen des Pferdes zu folgen. Nanu? Was war das? Auf einmal hatte ich gar nicht mehr das Gefühl, geworfen zu werden, sondern konnte wie im Sattel festgeklebt den Trab aussitzen. Doch es sollte noch besser kommen… Ich sollte Leichttraben – ohne Bügel versteht sich – holla, das ging in die Beine…Dann folgte noch ein kurzer Galopp und dann sollte ich das Pferd am langen Zügel trockenreiten, bis auch seine Atmung wieder gleichmäßig und ruhig war.
Am Ende der Stunde durfte ich den lieben und geduldigen Flieder in seine Box bringen, ihn absatteln, abtrensen, und ihm mit Stroh seine Sattellage trockenreiben. Das musste piccobello gemacht werden, da verstand der Reitlehrer keinen Spaß. Anschließend bürstete ich dem Wallach noch mit der weichen Kardätsche über die Sattellage, bis er wieder blitzblank dastand. Dann mussten nochmals die Hufe ausgekratzt und eingefettet werden. Wer jetzt meint, ich wäre jetzt fertig gewesen, der irrte sich. Ich musste noch das Mundstück der Trense – das Gebiss – unter fließendem Wasser sauberwaschen und dann alles wieder an Ort und Stelle hängen in der Sattelkammer. Flieder bekam noch von mir eine extra Portion Möhren, die ich gewaschen und kleingeschnitten hatte.
Meine Eltern hatten zugeschaut und man einigte sich darauf, dass ich einmal pro Woche zum Reiten durfte. Erst 20 Longe - Stunden und dann in der Gruppe frei – also in der Abteilung.
An diesem Nachmittag und Abend war ich, so glaube ich, das glücklichste Kind unter der Sonne. Ich konnte meinen Eltern gar nicht genug danken. Sie sagten dann nur zu mir, dass ich aber in der Schule nicht nachlassen dürfte, sonst würden mir die Reitstunden wieder gestrichen. So nahm meine Zeit mit den Pferden seinen Anfang und sollte mein Leben entscheidend verändern.
Das Vereinsleben
3. Kapitel
Das Vereinsleben
Nun begann für mich die harte Schule des Reitenlernens, und wenn ich harte Schule sage, dann war das wirklich so, wobei ich das in keinster Weise negativ empfunden habe, sondern eher als eine Forderung und Förderung von Körper und Seele.
Unser Reitlehrer, Herr Ruoff, muss man wissen, war einer von der ganz alten Schule, wie ich noch erfahren sollte… Dazu aber später… Ich sah ihm öfter zu, wenn er seine eigenen Pferde geritten hatte – eine wunderschöne große Hannoveraner – Stute, ein Apfelschimmel mit dem Namen Rosette und einen kastanienbraunnen Wallach mit einer großen weißen Blesse und vier weiß gestiefelten Beinen, mit Namen Prinz.
Schon bald hatte Herr Ruoff eine Überraschung für mich, die mich sehr gefreut hatte und ich fühlte mich geehrt. Ich durfte sein Pferd reiten, den Wallach Prinz. Ich konnte es kaum glauben, denn das durften nur ganz wenige Schüler. Prinz ging wie Butter so weich – man hatte das Gefühl, zu schweben – einfach ein Traum. Nach der Longe – Stunde durfte ich das erste Mal frei reiten – in allen drei Gangarten. Das hat ganz ohne Probleme geklappt. Von dem Tage an durfte ich in der Gruppe reiten.
Ich bekam in jeder Stunde ein anderes Pferd, so lernte ich, mich auf die verschiedenen Pferde und deren Charaktere einzustellen. Einer war faul, ihn musste man immer treiben – das war dann Knochenarbeit, ich hatte manchmal das Gefühl, ich hätte das Pferd getragen. Ein anderes Pferd war berühmt berüchtigt für seine Unberechenbarkeit und sein unvermitteltes „Durchgehen“ und es entledigte sich meist erfolgreich mindestens einmal pro Stunde seines Reiters. Und gerade die schwierigen Pferde bekam ich aufgebrummt. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich in den vielen Jahren, die ich im Schulbetrieb geritten bin, vielleicht vier oder fünf Mal vom Pferd gefallen bin. Mein Vorteil war, ich war für meine Größe – immerhin schon 1,70m sehr leicht, ich wog keine 50 Kilo. Und ich hatte gelernt, unabhängig von den Händen den Bewegungen des Pferderückens zu folgen – auf Reiterdeutsch – ich hatte eine ruhige Hand. Das ist sehr wichtig, da das Pferd ja ein Mundstück aus Metall im Maul hat und würde man grob an den Zügeln reißen, beabsichtigt oder nicht, würde man dem Pferd große Schmerzen zufügen. Des Weiteren hat es sich bezahlt gemacht, ein Pferd, wenn man es auch nicht so besonders gerne geritten hatte, trotzdem zu reiten und sich auf seine Eigenheiten eingestellt hat. Ich weiß noch genau, wie sie alle hießen, unsere lieben und geduldigen Schulpferde…
Wenn man vom Haupteingang in Richtung Halle den Stall betrat, waren es fünf Boxen in jeder Reihe, die dann in Richtung Sattelkammer führten. Die obere Reihe war den Schulpferden zugeteilt, in den anderen Boxen standen Privatpferde.
Als erstes stand eine dunkelbraune Stute, ein Württemberger des alten, schweren Typs.
Das war unsere Soline, der Schrecken aller Reitschüler, weil sie zum Ersten sich so steif machen konnte, dass man das Gefühl hatte, dass einem beim Traben alle Knochen durcheinander fallen, zum anderen konnte sie echt link sein und völlig unvermittelt die Zähne zusammenbeißen und durchbrennen um dann in der nächsten Ecke sich mittels einem gekonntem Bocksprungs des lästigen Reiters zu entledigen. Außerdem war sie im Umgang recht schwierig – sie war bissig und hat auch hin und wieder ausgeschlagen.
In der nächsten Box hatte Herr Ruoff seinen Flieder, einen schwarzbraunen - ja er war fast ein Rappe – eine Seele von Pferd, auf dem ich ja auch meine allersten Reitstunden hatte.
Er wurde nicht immer eingesetzt, nur wenn wir zu wenig Pferde hatten.
Dann kam unser Gingo, ein großer, heller und überaus gutmütiger Hannoveraner Fuchswallach. Er hatte keine sonderlich große Gehlust und ihn musste man schon ordentlich treiben. Aber ansonsten war er allerliebst. Auch im Wesen.
Anschließend kam eine süße rote Fuchsstute namens Kenia. Ich mochte sie sehr, obwohl sie, wenn es Hafer gab, sehr gefährlich die Augen rollte und den Hafer, den sie gerade im Maul hatte und kauen sollte, vor Wut gegen die Gitterstäbe der Box schleuderte, so futterneidisch war sie. Auch beim Putzen „tanzte“ sie „Twist“, sie war extrem kitzlig und legte die Ohren ganz flach an und hoffte so, die Reitschüler zu beeindrucken und vom Vorhaben, sie zu putzen und gar noch zu satteln, abzubringen. Ich hatte keine Angst und ließ mich nicht beeindrucken und ließ sie strampeln und putzte sie trotzdem. Ich blieb ganz ruhig und in kürzester Zeit war aus einer kleinen Giftnudel ein freundliches, mich sanft zur Begrüßung anstupsendes Pferd geworden, welches sich nachher von mir sogar ohne anbinden klaglos für die Reitstunde richten ließ.
In der letzten Box stand mein absolutes Herzblatt, ein rotbrauner Württemberger Wallach mit einem unendlich sanften Wesen. Rex hieß er und kam ursprünglich auch aus Privathand, wie Kenia auch, die früher einmal Mllka geheißen hatte laut Papieren.
Die beiden zuletzt genannten Pferde sollten in meinem Leben noch eine größere Rolle spielen, aber erst Jahre später. In der Reitgruppe fand ich schnell Anschluss; es waren in meiner Gruppe ein Ehepaar mittleren Alters und einige Jugendliche.
Bei unserem Reitlehrer fiel mir auf, dass er seine Hand immer in einem schwarzen Handschuh trug und sie auch nie einsetzte. Ich habe begriffen, dass er eine Prothese trug – ich kannte das von meinem Vater her, er war beinamputiert und trug auch eine Holzprothese.
Irgendwann sind wir uns ein bisschen näher gekommen und unser Reitlehrer erzählte uns, dass er früher in der Kavallerie geritten ist und im Krieg seinen Arm verloren hatte. Anschließend war er bei der berittenen Polizei in Stuttgart gewesen. Er war nett, aber verdammt streng. Da tanzte keiner aus der Reihe, da herrschte noch Zucht und Ordnung, im wahrsten Sinne des Wortes… Er konnte fürchterlich brüllen, er bekam dabei einen hochroten Kopf und seine ohnehin schon dunklen Augen flackerten dann gefährlich. Sowohl Ross und Reiter hatten gehörigen Respekt vor ihm.
Meine Freundin und ich mussten damals von Neckarhausen nach Neckartailfingen laufen, am Neckarufer entlang oder an den Baggerseen vorbei, egal bei welchem Wetter. Unsere Eltern hatten nicht immer Zeit und Lust, uns zu fahren, wir mussten dann entweder laufen, oder mit dem Rad fahren. Das waren gut und gerne vier Kilometer von Haus zu Haus.
Manchmal kamen wir total erledigt und verdreckt im Reitstall an, wenn es geregnet hatte und wir wie die Pinguine den Weg entlang geschlittert sind. Aber wehe, wir haben die Reithalle mit dreckigen Stiefeln betreten, dann wurden wir rausgeschmissen und durften erst mit piccobello sauber geputzten Schuhen wieder herein. Und wenn wir zu lange gebraucht hatten, war das unser Pech, wir durften nur noch die restlich verbliebene Zeit reiten.
Normalerweise kann man sich auf solche Dinge einrichten, nicht aber wenn man eine Einrichtung besuchte, die man Schule nannte und man dort noch Hausaufgaben aufgebrummt bekam… Das erschwerte uns das Pünktlichsein um einiges…
Aber Probleme sind da, um gemeistert zu werden – und das lernten wir da auch.
Nach den Reitstunden mussten wir des Öfteren Sattelpflege betreiben und daran angeknüpft wurde dann theoretischer Unterricht. Wir lernten Zaumzeug und Sattelzeug zu zerlegen und wieder richtig zusammen zu setzen, die Namen der einzelnen Riemen, die Unterschiede zwischen Spring- , Dressur- und Vielseitigkeitssattel kennen und all solche Dinge.
Einmal pro Woche bestellte der Reitlehrer Karotten für unsere Schulpferde.
Die mussten wir dann waschen und oben und unten die grünen Spitzen abschneiden.
Und wehe, es klebte mal noch ein bisschen Lehm an einer Möhre, dann bekam das der ganze Stall mit, so wurde dann gebrüllt. Aber mit einem Satz hat er uns Kindern dann begreiflich gemacht, warum das so sein muss und er sagte zu uns: „Die Möhren möchte ich so sauber mit der Wurzelbürste gewaschen haben, als ob ihr sie selber essen wolltet – dann ist es in Ordnung und die Pferde bekommen keine Kolik.“Das war einleuchtend. Und wir wussten, trotz aller Strenge war er ein Mann, der es gut mit einem meinte.
Ich möchte die Zeit niemals missen, sie hat mir sehr viel gegeben in Sachen Disziplin und er hat uns gelehrt, dass man auch mal über seine Kräfte hinaus gehen und die gestellte Aufgabe doch bewältigen kann.
Der Weg zum eigenen Pferd
Kapitel 4
Der Weg zum eigenen Pferd
Etwa nach einem halben Jahr Mitgliedschaft im Verein, kam ich zu dem Schluss, dass mir die eine Reitstunde in der Woche nicht ausreichte, um wirklich voran zu kommen. Ich wusste, mehr konnten sich meine Eltern aber einfach nicht leisten, es war eh ein ganz großes Zugeständnis an mich, überhaupt hier sein zu dürfen. Inzwischen hatte ich aber viele nette Kontakte geknüpft – auch zu den Leuten, die ihre Pferde bei uns im Verein eingestellt hatten – den sogenannten Privatreitern… Es war üblich, dass einer von ihnen am Wochenende den Stalldienst übernahm, damit unser Stallmeister auch sein freies Wochenende haben konnte.
Viele waren aber zu faul und zu bequem oder hatten einfach andere Dinge vor, und so kam es, dass ich gegen Entgelt ihnen den Stalldienst abnahm. Jedenfalls einigen von ihnen. So kam doch einiges zusammen und den Rest bekam ich für´s Trockenreiten und anschließende Versorgen der Pferde nach dem Reiten, während die Besitzer sich schon im Reiterstübchen mit einem Kaffee oder einem Glas Wein gemütlich machten… Auf diese Weise konnte ich mir in der Woche zwei, manchmal sogar drei Reitstunden leisten.
Darin hat mich meine Mutter unterstützt. Sie hatte mich ab und an Sonntags früh in den Stall gefahren um mit mir die Pferde zu füttern und anschließend mit heimzunehmen damit ich mit meinen Eltern und meiner Schwester zusammen frühstücken konnte.
Zum Misten bin ich dann mit dem Fahrrad losgefahren.
Ich werde nie vergessen, wie meine Mum und ich gemeinsam auf der Haferkiste gesessen und dem gleichmäßigem Malmen der Pferdemäuler gelauscht und den Duft von Heu und Hafer in uns aufgesogen haben - ein unglaublicher Friede und Verbundenheit erfüllte uns Beide – es war wunderschön. Die Erinnerung an diesen Moment hat sich unter Anderem so tief bei mir eingebrannt, da meine Mutter eigentlich nicht soviel mit Tieren am Hut hatte – sie ist in der Großstadt aufgewachsen - aber aus Liebe zu mir in meine Welt eingetaucht ist, sie miterlebt hat und das Schönste ist, es hat ihr auch etwas gegeben. Gerne haben wir uns daran erinnert in zahlreichen Gesprächen später.
Einem Mann habe ich besonders viel zu verdanken – Herbert Pommerening - er hatte bis zu sechs Pferde im Vereinsstall stehen und noch weitere Zuhause bei sich am Haus. Er kaufte Pferde in Norddeutschland auf, bildete sie aus und verkaufte sie dann wieder – einige von ihnen behielt er auch und seine drei Söhne durften sie reiten und auch auf Turnieren vorstellen.
Die ganze Familie war den Pferden verschrieben, er war der zweite Vorsitzende des Vereins.
Eines Tages hat er mich angesprochen, ob ich mich um ein, oder zwei Pferde von ihm pflegerisch kümmern würde. Dann überraschte er mich mit dem Satz: „Willst Du ein junges Pferd einreiten“? Ich war perplex und wusste erst nicht, was ich sagen sollte. Er sagte: „Du kannst das, Du bist schön leicht und hast eine ruhige Hand“. Ich hatte damals mit 48 kg. das Gewicht eines Jockeys… Dann zeigte er mir eine wunderschöne großrahmige Stute, ca. 1,70m Stkm. (Für alle, die nicht wissen, was das ist, sei gesagt, die Größe eines Pferdes misst man am höchsten Punkt des Rückens – dem Widerrist, einer kleinen knöchernen Erhebung nach dem Halsansatz. Maßgenommen wird mit einem Zollstockähnlichen Gebilde, dem Stockmaß, mit einer aus Metall gefertigten Querschiene, die auf dem Widerrist aufgelegt wird - wie eine Wasserwaage)
Die Stute war noch namenlos, der Name sollte aber mit „P“ anfangen, wegen den Papieren.
Herr Pommerening sagte zu mir: „Du darfst Dir einen Namen für sie ausdenken, taufen und sie einreiten“. Ich war total überwältigt und ich glaube ich habe gestrahlt, wie ein Honigkuchenpferd. Wir führten die Stute in die Halle, ließen sie erst einmal mit Sattel und Trense laufen, um sich daran zu gewöhnen. Dann sagte er:“So jetzt komm man, steig mal auf“… Ich stieg ganz sachte in den Steigbügel und legte mich erst über das Pferd und streichelte es, bevor ich mich langsam aufrichtete und den rechten Fuß vorsichtig über den Sattel schwang. Ein Pferd ist ein Fluchttier und es muss erst die Angst davor verlieren, dass jemand auf ihm sitzt. Das Gewicht ist nicht so relevant. Klar, je leichter man ist, desto besser für den Pferderücken und vor allem die Beine.
Er stand in der Mitte und sagte mir:“Lass sie laufen, halte die Hände tief und breit und entlaste sie im Sitz“. Die Stute war sehr artig, sie wirkte etwas erstaunt und ging los, erst im Schritt, dann trabte sie an. Ich ließ sie gehen und ritt nur ganz große Hufschlagfiguren, wechselte des Öfteren die Hand, was erstaunlich gut ging… Dann fiel die Stute in Galopp, da merkte ich schon, dass sie noch nicht viel konnte und mir wurde doch ein ganz kleinwenig mulmig.
Wie sollte ich sie durchparieren, wenn sie die Hilfen noch nicht kannte?
Herr Pommerening bemerkte mein Unbehagen und sagte: „Bleib ganz ruhig, lass sie geh´n, sie fällt gleich von alleine in ein langsameres Tempo, gib ihr dann parallel die Hilfen dazu und dann lob sie…“ Seine Ruhe gab mir Sicherheit und somit dem jungen Pferd auch…
Alles ging gut und schließlich konnte ich ihr sogar die Zügel ganz lang lassen und sie ging brav in der Halle herum, bis sie trocken war. Als ich dann abstieg, fragte ich, wie oft er denn schon auf ihr gesessen hätte, da sagte er: „Noch nie, die hatte noch keinen Reiter drauf“
Da war ich doch etwas sprachlos, weil ich ihn als verantwortungsvollen Familienvater kannte. Seine Söhne ritten auch junge Pferde zu, aber sie waren wesentlich weiter als ich…
Herr Pommerening sagte, er hätte gewusst, dass ich das könnte… Ich war schon verdammt stolz darauf und freute mich riesig. Das war der Anfang, der Grundstein für meine Arbeit mit jungen Pferden. Er zeigte mir, wie man richtig longiert, wie man Pferde an Sattel und Trense gewöhnt und Vieles mehr… Ich bin ihm unendlich dankbar dafür und werde es ihm nie vergessen… Die Stute bekam von mir den Namen Pandora – er hätte sie mir gerne verkauft, aber meine Eltern konnten und wollten nicht… Es war noch nicht an der Zeit…
Einmal hatte er einen ganz goldigen, kleinen schwarzbraunen Wallach, eine Seele von Pferdchen. Ihn durfte ich auch zureiten, ich war inzwischen schon drei Jahre im Verein.
Mit ihm habe ich Bodenarbeit gemacht und er lief mir hinterher, wie ein kleiner Hund.
Dieser Wallach ist bei Pommerenings zuhause am Haus aufgewachsen und seine Frau erzählte mir, wie der Kleine morgens zum Küchenfenster reingeschaut hatte… Eigentlich wollten sie ihn behalten, aber er war ganz einfach zu klein für die Jungs und für den ganz großen Sport.
Also wurde jemand für ihn gesucht… Da dachte Herr Pommerening an mich und er sagte meiner Mutter, ich sei jetzt so weit, für ein eigenes Pferd und Waldläufer, so hieß der Wallach wäre genau das Richtige für eine jugendliche, leichte Reiterin. Er hatte alle Register gezogen, mir zu helfen, meiner Mutter gezeigt, wie ich mit Waldläufer arbeitete, aber es half nichts. Meine Mutter wurde sogar ziemlich sauer, weil sie sich irgendwie ohnmächtig fühlte – sie hätte es mir ja gegönnt, aber finanziell sah sie keine Möglichkeit… Ich kann es heute gut verstehen – damals war ich kreuzunglücklich.
Es folgte ein weiteres Jahr, in dem ich das Jugendreiterabzeichen machte auf einem wunderschönen Wallach, einer Kreuzung zwischen Holsteiner und Araber.Torronchino hieß er und war mein Pflegepferd in dieser Zeit damals. Er sah aus wie ein Araber, hatte auch das entsprechende Temperament, war aber spielend leicht zu reiten.
Er hatte das sanfte, dem Menschen zugetane Wesen, wie es für den Araber typisch ist und auch die großen, dunklen Augen. Ich liebte dieses Pferd sehr und konnte stundenlang bei ihm in der Box sitzen und ihm beim Fressen zuschauen und meine Gedanken schweifen lassen.
Das Reitabzeichen selbst war eine ziemlich aufregende Sache – eine Prüfung in drei Teilbereichen: Dressur, Springen und Theorie…
Es folgten viele Stunden des Lernens, zusätzlicher Reitstunden, Schweiß und Tränen, aber auch großer Freude. Inzwischen hatten wir einen anderen Reitlehrer - nach Herrn Ruoff kam Herr Falter, ein sehr feinfühliger älterer Herr, aber er war nur vertretungsweise da, bis dann unser neuer Reitlehrer Herr Horn zu uns kam. Er war ein gutaussehender und energischer junger Mann, der sich sehr für uns Jugendliche engagiert hatte. Dazu an einer anderen Stelle mehr…
Der Tag der Prüfung kam und wir waren schrecklich aufgeregt. Am meisten hatte ich Bammel vor dem Springparcours. Diese Prüfung ritt ich auf Torronchino – kurz Torro genannt.
Als ich dann am Start stand und auf das „Klingeling“ des Richterglöckchens wartete, hatte ich das Gefühl, alle Hindernisstangen hätten Beine und würden umherlaufen und ich konnte die Reihenfolge der einzelnen Sprünge nicht finden – schrecklich…
Unser Reitlehrer drückte mir die Hand und sagte, Torro kann springen, Du, wirf Dein Herz über das Hindernis, er wird Dir folgen. So war es dann auch… Alles ging gut und überglücklich glitt ich aus dem Sattel und schlang die Arme um den Hals meines lieben Pferdes. Alles klatschte Beifall – es war ein ganz komisches, anrührendes Gefühl…
Auch der Reitlehrer freute sich riesig – alle seine Reitschüler hatten die Prüfung bestanden.
Die Dressurprüfung ging auch gut und am besten schnitt ich in der Theorie ab…
Glücklich und zufrieden verluden wir unsere Pferde und fuhren heimwärts. Am Abend haben wir dann, nachdem unsere Pferde rundum versorgt waren, noch im Reiterstübchen gefeiert. Es war ein schönes Erlebnis.
Fortsetzung folgt...