Die Schlacht um Yavannia hat begonnen.
Kapitel 15
Auf dem Pfad
„Was? Wie meinst du das? Wer?“ fragte Mera erschrocken, doch ich beantwortete ihre Frage nicht sofort, sondern gab ihr ein Zeichen kurz zu warten. Ich schloss meine Augen, tauchte komplett in den luftigen Strom von Sivas Geist ein und bat sie mir ein genaueres Bild unserer Besucher zu verschaffen. Sie tauchte sofort mehrere Meter hinab und zog ihre Bahn direkt über die Masse unserer Feinde. Der Ausblick war zugleich erschreckend und ermutigend. Sie hatten schon fast das Plateau erreicht und soweit Sivas scharfe Augen blicken konnten verdunkelten sie, mit ihren verzehrten und monströsen Leibern den magischen Pfad. Dennoch... „Wenn wir uns beeilen können wir sie am Ende des schmalen Pfades abfangen und sie einzeln zurück in die Untiefen zurückschicken aus denen sie sich erhoben haben.“ folgerte ich, öffnete schnell die Augen und griff nach meinen Schwertern. „Keine Zeit für große Erklärungen! Versammle so viele Krieger wie du kannst und schick sie zum Pfad!“ sagte ich entschlossen zu Mera gewandt und sprintete los. „Ich werde sie solange aufhalten bis ihr euch organisiert habt!“ rief ich selbstsicher über die Schulter. Ich hörte noch wie Mera mich verfluchte und dann ihre herrscherische Stimme erhob: „Krieger Yavannias...“ Doch da trugen mich meine schnellen Schritte, geleitet von Sivas Übersicht, quer über die Lichtung, erneut in den dunklen Wald hinein, wo mich ihre Stimme nicht mehr erreichen konnte. Der Wind rauschte an meinen Ohren vorbei, jeder Muskel in meinem Körper erwartete den nahenden Kampf. Lichtstrahlen fielen durch das dichte Blätterdach, vermehrten sich und beleuchteten das geschäftige Treiben der Waldtiere. Sie störten sich weder an mir, noch an der nahenden Gefahr. Wenige Momente später brach ich aus dem friedlichen Wald hervor und ein kühler Windzug, der den Gestank von verfaulten Früchten mit sich trug begrüßte mich am Rand des Plateaus. Wenige Schritte vor mir lag das Ende des Pfades. Die ersten Bestien setzten gerade ihre verkümmerten Füße auf den Boden Yavannias und ihre Köpfe fuhren mit einem grausamen Grollen zu mir herum. Ihr Anblick ließ Erinnerungen an den Tag der Schlacht in mir aufblitzen.
Ich stand an dem Eingang des Schreins, dem Eingang zur Quelle der Buße des Windvolks und schaute verbittert auf die tobende Schlacht herab. Mein Volk schlug sich tapfer, aber die Übermacht der Feinde war zu gewaltig. Ich stärkte den Fluss der Magie in mir und schärfte meine Augen so weit es mir möglich war. Wie immer schmerzte es die ersten Momente bis die Transformation abgeschlossen war, aber dann brachten mich meine Augen so nah ans Geschehen, als hätte ich nur wenige Schritte daneben gestanden. Der Gegner war erschreckend. Keine der Bestien war gleich, manche waren fast doppelt so groß wie ein Mensch, andere waren klein und gedrungen, andere hatten 3 oder mehr Köpfe, Arme und Beine und wieder andere hatten nichts von alledem. Nur 2 Sachen waren ihnen allen gemeinsam. Sie verströmten den Gestank verfaulter Früchte und, was mich zum Lächeln brachte, keins von ihnen, nicht ein einziges dieser Monster hatte Flügel.
Die Erinnerung verschwand und wurde von dem Hass, der seit diesem Tag in meinem Herzen eingebrannt war und nun erneut erwachte, abgelöst. Mit geschlossenen Augen zog ich meine Schwerter mit einem synchronen metallischen Klirren. Mein Atem verlangsamte sich, jeder Muskel war gespannt. Meine Lippen formten ein freudloses Lächeln. Langsam hob ich meinen Kopf, mein Körper nahm automatisch eine Kampfhaltung ein. Meine Sinne schärften sich und ich nahm meine Umgebung ohne sie zu sehen war. Die absurden Geräusche der Bestien, ihre schlurfenden Schritte, ihr rasselnder, pfeifender Atem, das Prickeln auf meiner Haut, wo ihre gierigen Blicke mich trafen, das Pfeifen des Winds, als er sich einen Weg um ihre deformierten Körper suchen musste. Tief atmete ich ein, füllte meine Lungen zur Gänze und ließ die Luft anschließend kontrolliert entweichen. Die Magie floss, meine Augen schmerzten. Ich vernahm die plumpen Schritte meiner Gegner nur wenige Fuß vor mir. Sivas Schrei übertönte ihr Stöhnen und wurde von den kalten Klippen des Plateaus zurückgeworfen. Ich riss die Augen auf. Messerscharf sah ich sie vor mir. Wie sie mit erhobenen, klingenähnlichen Armen auf mich zu wankten. Meine Knie beugten sich, der Griff um meine Schwerter verstärkte sich. Ein Arm sauste auf mich herab. Blitzschnell sprang ich vor, hakte den Arm mit einem Hieb ab und tötete mit einem waagerechten Schlag meinen Angreifer und eine weitere Bestie neben ihm. Doch obwohl einer von ihnen rückwärts fiel und eigentlich vom Pfad hätte aufgefangen werden müssen, fiel er einfach durch ihn hindurch und stürzte in die Tiefe.
Dies war die Eröffnung eines grausamen Gemetzels. Sie hatten meiner Geschwindigkeit nichts entgegenzusetzen und da nur maximal 3 von ihnen nebeneinander auf dem Pfad wandern konnten war es ein Kinderspiel für mich sie aufzuhalten. Ihr Blut spritzte mir entgegen und benetzte meine Klingen, was ihnen einen grausigen braunen Schimmer verlieh. Es dauerte nicht lange, da hörte ich hinter mir die Büsche rascheln und den Wind flüstern. Leichtfüßig sprangen mehrere, ich schätzte ihre Anzahl auf ungefähr 150, leicht bewaffnete und eine schwer ausgerüstete Person aus dem Wald. Sofort ertönten Meras Befehle: „Bogenschützen an die Klippen! Alle anderen lasst sie nicht einen Fuß auf das geheiligte Land des Planeten setzen! Beschützt den Pfad. Wechselt euch immer ab, auf das keine von uns heute sterben wird!“ Die Soldaten gehorchten mit einem inbrünstigen Kampfschrei und plötzlich wurden meine Flanken von 2 jungen Kriegerinnen mit kurzen Schwertern und leichten, anscheinend aus Pflanzenfasern gemachten Rüstungen, gedeckt. Ich nickte ihnen ermutigend zu, entledigte mich eines aufdringlichen, bärenähnlichen Angreifers und ließ mich ein wenig zurückfallen, um mit Mera sprechen zu können. „Hättest du eine Minute länger gebraucht, hätte ich schon fast deine Autorität in Frage gestellt.“ scherzte ich mit einem widersprüchlichen Ernst in der Stimme. Mera schnaubte und nickte anerkennend: „Du warst schnell und hast wahrscheinlich das Schlimmste verhindert. Wenn nichts unvorhergesehenes passiert, sollte dies ein leichter Sieg für uns werden.“ „Etwas unvorhergesehenes? Und was sollte das sein?“ fragte ich verwundert und lenkte meinen Blick zurück zu den behänden Kriegerinnen. „Sie sind wirklich gut.“ dachte ich mir, während ich ihre geschmeidigen Bewegungen beobachtete. Das Herabsausen ihrer Schwerter, das hasserfüllte Funkeln in ihren schönen Augen, die Kampfschreie auf ihren Lippen brachten mein Blut erneut in Wallung, weckten zum zweiten Mal das Bedürfnis meine Klingen in dem stinkenden Blut der Monster zu baden. Meine Hände schwebten seelenruhig über den Schwertgriffen, mein Körper spannte sich an. Mit einem hämischen Grinsen flüsterte ich ohne groß nachzudenken: „Lass dir ruhig Zeit bevor du selbst eingreifst... Dann werde ich länger Spaß haben.“
Gerade wollte ich los preschen, als ich plötzlich eine schwache Schwingung der Siel Kyrj vernahm. Meine Gier nach Blut verpuffte, mein Blut beruhigte sich und mein ganzes Sein horchte auf die übergeordnete Seele Feys. Ich hatte den Eindruck, sie wäre gerade eben aus einem tiefen Schlaf erweckt worden, so träge kamen die Schwingungen bei mir an. Langsam wurden sie deutlicher und ich hörte ganz schwach ihre erschöpfte Stimme: „Cian? Was ist passiert? Wo seid ihr?“ „Warte ich zeige dir meine letzten Erinnerungen. Das geht schneller, als würde ich dir alles erklären.“ dachte ich und rief mir die letzten 20 Minuten zurück ins Gedächtnis. So sanft wie ein fallendes Blatt streifte ihre Seele die meine, als sie die Erinnerungen übernahm.